Kirchenpräsident Jung: Suizidbeihilfe kein "Regelangebot" in Diakonie

Volker Jung  sieht in Suizidbeihilfe kein "Regelangebot" in Diakonie
©EKHN/Neetz
Auf der digital tagenden Kirchensynode der EKHN sprach sich Volker Jung in der Diskussion um Suizidbeihilfe für eine Orientireung "am großen Ja Gottes zum Leben" aus.
Kirchenpräsident Jung: Suizidbeihilfe kein "Regelangebot" in Diakonie
Synode der EKHN eröffnet
Nach Ansicht des hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung muss sich die bevorstehende gesetzliche Neuordnung des assistierten Suizids "daran orientieren, dass in erster Linie Menschen auch in schwierigen Situationen zum Leben ermutigt werden". Dies sagte Jung am Donnerstag vor der digital tagenden Kirchensynode in Frankfurt am Main.

Die Ausgestaltung der Regelungen müsse sich "am großen Ja Gottes zum Leben" ausrichten, sagte Jung am Donnerstag vor der digital tagenden Synode der Evangelischen Kirche in Hessen-Nassau (EKHN) in Frankfurt am Main. Dies bedeute weder, "den Suizid moralisch zu verurteilen noch Menschen paternalistisch zu bevormunden". Es dürfe auch nicht aus dem Blick geraten, "dass es tragische Einzelfälle geben kann, in denen Menschen durch einen assistierten Suizid beim Sterben geholfen werden kann". 

Es sei auf jeden Fall erforderlich, zwischen dem Suizidwunsch in einem Sterbeprozess und in anderen Lebenssituationen zu unterscheiden, hob Jung in seinem Bericht zur Lage in Kirche und Gesellschaft hervor. Außerdem sei es nötig, alle Möglichkeiten der palliativen Begleitung zu stärken. Dies habe auch zur Konsequenz, "dass der assistierte Suizid kein Regelangebot in diakonischen Einrichtungen sein sollte. Zugleich sollte auch klar sein: Wer in einer letzten Verzweiflung keinen anderen Ausweg sieht - auch solche Fälle wird es immer geben, wird nicht des Hauses verwiesen".

Der Kirchenpräsident sprach sich im Vorfeld des Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt vom 13. bis 16. Mai für eine gegenseitige Akzeptanz von Abendmahlsfeiern aus. Entscheidend sei die Frage, ob geglaubt werde, dass Jesus Christus in der Mahlfeier der jeweils anderen Konfession gegenwärtig sei. Dann sei aus Gewissensgründen eine Teilnahme an der Feier der anderen Konfession möglich.

Jung ging in seinem Bericht auch auf die Situation von Flüchtlingen ein. Ihre Lage werde immer besorgniserregender, sowohl an den europäischen Außengrenzen als auch in Deutschland. Die gegenwärtige Flüchtlingspolitik setze immer stärker auf "Abschottung und Abschreckung", beklagte er. So würden etwa Flüchtlinge in Kroatien bei dem Versuch, die Grenze zu überschreiten, von der kroatischen Polizei "systematisch misshandelt und in illegalen Pushbacks über die EU-Grenze nach Bosnien zurückgedrängt." Zudem säßen weiter Tausende Geflüchtete in den Lagern auf den griechischen Inseln fest.

Furcht vor Auseinanderdriften der Gesellschaft

Zugleich sei eine zunehmende Verschärfung der Flüchtlingspolitik in Deutschland zu beobachten. Abgelehnte Asylbewerbende würden verstärkt mit Arbeitsverboten und zum Teil massiven Kürzungen der sozialen Leistungen sanktioniert, kritisierte Jung. Außerdem werde weiter abgeschoben. Zudem seien durch Corona Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. 

Jung verwies in seinem Bericht auch auf das Thema sexualisierte Gewalt. Bereits seit 2010 setze sich die EKHN damit intensiv auseinander und habe umfassende Schutzkonzepte etabliert. Nach wie vor gelte, dass die EKHN Betroffenen "individuell und unbürokratisch" helfe. Seit Gründung der Landeskirche im Jahr 1947 hätten sich bis heute 70 Verdachtsfälle ergeben. Dabei seien insgesamt 20 Mal Pfarrer verdächtigt worden. Dreimal seien in den vergangenen zehn Jahren kirchliche Disziplinarverfahren eingeleitet worden, in den Jahrzehnten zuvor seien es elf Verfahren gewesen.

Angesichts der fortdauernden Corona-Pandemie befürchtet der Kirchenpräsident ein Auseinanderdriften der Gesellschaft. Er sehe die besondere Aufgabe der Kirche darin, "in dieser schwierigen Situation ideologische Verabsolutierungen zu vermeiden und zu bestreiten". Das bedeute "zu bejahen, dass Situationen umstritten sein können und Entscheidungen oft erst im Nachhinein beurteilt werden können", sagte er.