Kirchen in Deutschland besonders queerfreundlich

Altar-Kruzifix mit Tuch und buntem Lichtstreifen, Regenbogenfarben
Katharina Payk/privat
Studie queerfreundliche Kirchen
Kirchen in Deutschland besonders queerfreundlich
Welche Kirche schließt LGBTIQ ein, welche nicht? Bloggerin Katharina Payk wirft einen Blick auf den kürzlich veröffentlichten Report zum Rainbow Index of Churches in Europe (RICE).

Regenbogenindex – ein eingängiger Titel zur Erforschung der Queerfreundlichkeit in Europas Kirchen. Eine wichtige Arbeit machte das European Forum of LGBTI+ Christian Groups mit dem "Rainbow Index of Churches in Europe 2025 (RICE)". Denn der Report der Studie, die dieses Jahr lief, zeigt auf, wie inklusiv, zögerlich oder gar rückwärtsgewandt die einzelnen teilnehmenden Kirchen im Umgang mit queeren Menschen sind.

46 Kirchen in Europa wurden nach 52 Kriterien bewertet – von theologischen Haltungen über Segnungspraktiken bis hin zu kirchlichen Leitungsstrukturen und öffentlicher Positionierung. Bei der Studie waren der Umgang mit Homosexualität, aber auch etwa Angebote für trans Menschen ausschlaggebend, sowie auch die Frage, wer welche (geistlichen) Ämter bekleiden darf. Sie zeigt im Ganzen auf, wie christliche Konfessionen und Kirchen institutionell, sprachlich, pastoral und politisch für Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung von LGBTIQ eintreten.

Die Studie wurde möglich gemacht durch ein größeres Forschenden-Team, darunter die akademischen Autor:innen des Reports - Regina Elsner von der Universität Münster, Pekka Metso von der Universität in Ostfinnland und Valérie Nicolet von der Universität in Umeå/Schweden – sowie die Co-Researcher der jeweiligen Kirchen und Länder, die unter anderem die komplexen Fragebögen bearbeitet und aufwendige Materialrecherche betrieben haben. Bereits 2021 wurde vom European Forum of LGBTI+ Christian Groups ein RICE vorgelegt, die Befragung dazu erfolgte im Jahr 2020. 

Als Begründung für die neuerliche Auflage erwähnt der Report die staats- und kirchenpolitischen Veränderungen der letzten Jahre hinsichtlich LGBTIQ-Rechte: darunter sowohl erfreuliche Fortschritte als auch bedrohliche Backlashs wie zuletzt die Änderung der slowakischen Verfassung im September – zum Schaden von LGBTIQ-Menschen. Dort sind nun zwei Geschlechter festgeschrieben, es gibt keine Möglichkeit der Namensänderung. Hinzu kommt: kein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare und keine Leihmutterschaft.

Das Ergebnis der nun vorgelegten Studie des Europäischen Forums, deren Erhebung in diesem Jahr stattfand, ist teils erfreulich, teils besorgniserregend. Wenig überraschend, und freilich schön: Weit vorne im Ranking liegt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Sie erreicht 44 von 52 Punkten, also rund 85 Prozent und landet damit auf Platz Sechs insgesamt bzw. Platz Drei der großen Kirchen. Ein deutliches Zeichen, dass die evangelische Kirche in Deutschland nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der gelebten Realität vielfach offen für queere Menschen geworden ist. Auch die klaren Positionierungen der EKD bilden sich positiv in der Studie ab.

Im Vergleich aller teilnehmenden europäischen Kirchen in Europa liegt die Metropolitan Community Church (MCC) in Wien auf dem ersten Platz. Als ein explizit queerer Verein lebt sie von Inklusion, ist aber freilich von der Organisation und Historie, und damit der Komplexität, nicht vergleichbar mit den großen Landeskirchen – aber nichtsdestotrotz ein blühendes Beispiel für alle! 

Auf den weiteren vorderen Plätzen folgen die (vom Vatikan unabhängige) Katholische Reformationskirche in Polen sowie die (queere) MCC Finnland, gefolgt von der Evangelischen Kirche in Schweden und der Alt-Katholischen Kirche in den Niederlanden.

Auch die römisch-katholische Kirche in Deutschland schneidet überraschend gut ab: Mit 34,5 Punkten (66 Prozent) kommt sie auf den insgesamt neunten Platz – und bildet damit unter allen römisch-katholischen Kirchen Europas die Spitze. Die Studie hebt den Dialog zwischen klerikalen und übrigen Gläubigen für die Bestrebungen des synodalen Wegs sowie die Bewegung OutInChurch hervor. 

In Österreich zeigt sich ein differenziertes Bild: Die Evangelischen Kirchen A.B. und H.B. in Österreich erreichen solide mittlere Werte. Sie segnen gleichgeschlechtliche Paare (in der lutherischen Kirche A.B. allerdings nur nach Belieben der einzelnen Pfarrgemeinden) und bemühen sich um inklusive Sprache – aber im Vergleich zur deutschen EKD fehlt es ihnen laut der Studie an institutioneller Tiefe und Positionierung nach außen. Positiv hervorgehoben wird der Verein EvanQueer, der sich für und als Mitwirkende der evangelischen Kirchen in Österreich für LGBTIQ starkmacht.

Die römisch-Katholische Kirche Österreichs hingegen liegt, wie fast alle katholischen Kirchen, im unteren Mittelfeld. Fortschritte gibt es – aber strukturell bleibt vieles in verstaubten Traditionen verhaftet.

Ganz am unteren Ende des Index finden sich Kirchen, die kaum einen Schritt in Richtung Gleichstellung getan haben: so etwa die römisch-Katholische Kirche in Polen, mit gerade einmal 5,8 Prozent der möglichen Punkte. Manche orthodoxen Kirchen verweigern weiterhin jede Beschäftigung mit queeren Lebensrealitäten. Auch das wird in dem Report thematisiert und problematisiert.

So werden als die drei queerfeindlichsten Kirchen allesamt nur orthodoxe gelistet: Das Schlusslicht bilden die orthodoxe Kirche in der Ukraine mit unter einem Prozent, sowie Georgien (2 Prozent) und Rumänien (4 Prozent). Die orthodoxe Kirche in Russland hat man aufgrund des diktatorischen Regimes gar nicht erst aufgeführt.

Die Kirchen sind nach Konfessionen in "Church families" unterteilt, was die umfangreiche Studie, die neben den großen Kirchen auch die queeren Freikirchen der MCC berücksichtigt, übersichtlicher macht. Grundsätzlich müssen bei der Auswertung immer die Größe und die Kontexte der Kirchen – kulturelle, politische, finanzielle usw. – mitbedacht werden. Ansonsten ist es ein schwieriger Vergleich. Die Studie geht darauf ein.

Das vermutlich mit überschaubaren finanziellen Mitteln gestemmte Projekt des RICE ist unbedingt zu würdigen. Es ist zu empfehlen, sich den Report zu Gemüte zu führen: zum Reflektieren sowie zum Kritik-Üben und Handeln in den eigenen Kirchen. Als offene Fragen bleiben mir, warum manche Kirchen, etwa die übrigen europäischen MCCs, nicht vorkommen. Dies hätte das Ranking sicher noch einmal verändert. 

Der Rainbow Index ist keine theologische Beurteilung, sondern eine Bestandsaufnahme, ein Realitätscheck: Er misst, ob Kirchen ihre eigenen Worte ernst nehmen – Nächstenliebe, Würde, Gerechtigkeit – und ob diese Werte auch für queere Menschen gelten. Die Zahlen erzählen keine neuen Geschichten, aber sie halten den Kirchen den Spiegel vor. 

Inklusion ist kein Soft Skill, sondern messbar und abbildbar – dies zeigt die vorgelegte Studie vehement auf. Die Ergebnisse in Zahlen und Wörtern können beschämen oder erfreuen – und so oder so zu Reformen motivieren. 

Die Botschaft der umfangreichen Studie von rund 200 Seiten könnte man jedenfalls so übersetzen: Wo Kirchen offen für LGBTIQ sind, gewinnen sie Vertrauen. Wo sie starr bleiben in Bezug auf Akzeptanz, verlieren sie ihre Menschen. Tipp an "die Kirchen" (und das sind wir): die eigene Agenda auf das Evangelium hin zu überprüfen und immer wieder jesuanisch zu fragen: Wer ist mein:e Nächste:r?

 

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