Nur ein Gebet entfernt

Nur ein Gebet entfernt
Foto: Matthias Albrecht
Ruhe finden, Kraft tanken, das erhoffen sich viele, wenn sie dieser Tage in den Urlaub aufbrechen. Daran ist auch nichts auszusetzen. Doch es ist gut zu wissen, dass die wahre Quelle von Ruhe und Kraft, nicht viele Kilometer weit weg, sondern immer da ist, immer erreichbar, immer nur ein Gebet entfernt.

Haben Sie auch schon Ihre Koffer gepackt? Oder leben Sie zumindest in dem Wissen, dass bald der Flieger geht? Vielleicht nach Tirol, nach Spanien oder in die Karibik? Sommerzeit ist Reisezeit. Ich freue mich jedes Jahr wieder auf diese herrlichen Wochen. An einem fremden Ort die Seele baumeln lassen zu können, zur Ruhe kommen, Kraft tanken und sich verwöhnen lassen. Was kann es Schöneres geben? Im Alltag ist der Gedanke an den nächsten Urlaub oft ein Fluchtpunkt für mich. Er hilft mir, den Stress, die Entbehrungen und auch die Leere des Alltags besser aushalten zu können, auch dann wenn der Abreisetag noch sehr weit entfernt liegt. Manchmal artet der Gedanke an Urlaub allerdings auch in ein richtiges Fernweh aus. Dann will ich jetzt sofort weg, alles hinter mir lassen, raus aus den Sorgen meines Lebens, rein in die Sonne. Das kann bei mir soweit gehen, dass ich mir dann im Kopf ausrechne, wie viele Tage ich denn jetzt spontan wegfahren könnte, wie viel Geld ich dafür zur Verfügung hätte und wohin mich die Reise führen würde. Meistens komme ich schließlich zu der ernüchternden Erkenntnis, dass ich jetzt gerade wirklich nicht wegfahren kann.

Ein großer Trost ist dann, dass ich all das, was ich mir in einem Urlaub erhoffe zu finden, jetzt gleich auf der Stelle haben kann. Ganz umsonst und speziell für mich. So heißt es im Psalm 145 "Der HERR ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn mit Ernst anrufen" (V.18). Gott ist da, immer. Ich kann mich zu ihm wenden. Ich kann zu ihm fliehen, aus den Mühen, aus den Sorgen und aus der Last meines Lebens. Tun muss ich dafür nichts, keine Reise buchen, keinen Check-in machen, keine Koffer packen. Ich muss nur mein Herz zu ihm wenden, ganz gleich ob ich dabei sitze, liege, die Augen geschlossen halte, laut oder leise mit ihm spreche oder auch schweige und einfach seine Gegenwart spüre. Der Effekt stellt sich in der Regel sofort oder zumindest nach kurzer Zeit ein. Ich werde ruhig, entspanne mich, fühle, wie mein Plus heruntergeht, mir wird warm und wohlig ums Herz. Vielleicht haben Sie es schon mal selbst erlebt, wie im Gebet die Tränen getrocknet wurden, wie Sie voller Wut ins Gebet gegangen und versöhnt herausgekommen sind oder nervös begonnen und ausgeglichen geendet haben. Am Herzen Gottes bekomme ich Ruhe, Kraft, kann meine Seele baumeln lassen und werde auch verwöhnt. Viel mehr als es mir jeder Urlaubsort, jeder Zimmerservice oder jeder Strandtag bieten kann - das absolute Wellnesspaket und das selbst in den stürmischsten Zeiten.

Ich weiß, dass es nicht jedem Menschen so geht, dass das nicht jede_r so einfach kann. Gerade von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgeschlechtlichen und gender-queeren Christ_innen höre ich immer wieder, dass es ihnen schwer fällt, sich an ihren Schöpfer zu wenden, weil sie das Gefühl haben, da ist etwas nicht in Ordnung zwischen uns, meine Geschlechtlichkeit, meine Sexualität steht zwischen mir und Gott. Verwunderlich sind solche Gedanken freilich nicht. Auch heute noch wird in vielen christlichen Gemeinden und Gemeinschaften die Irrlehre vertreten, dass nicht-heteronormierte Liebe und/ oder Geschlechtlichkeit gegen Gottes Willen sei. "Wenn Du Jesus lieb hast, dann kannst Du das nicht tun", heißt es dort oft, "dann musst Du etwas gegen Deine 'Neigung' unternehmen, leb´ sie zumindest nicht aus. Wie willst Du denn sonst jemals wieder vor Gott treten?!". Solche Worte, die häufig über Jahre indoktriniert werden, sitzen tief. Selbst bei den Menschen, die sich von solcherlei Gemeinschaften abgewandt haben und heute leben und lieben, wie es ihren Begabungen entspricht.

Zur theologischen und geistlichen Ermutigung, Glaube und nicht-heteronormative Begabungen zu leben ist unendlich viel geschrieben worden, auch in diesem Blog, darauf möchte ich deshalb an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Vielmehr will ich Mut machen. Mut, alle Bedenken, es könnte etwas geben, was zwischen Dir und Gott steht und was so groß ist, dass Du ihn nicht anrufen kannst, über Bord zu werfen. Denn die Wahrheit ist, wir können immer vor Gott treten, wirklich immer. Und er wird keinen Menschen von sich weisen, der ihn, so steht es im Psalm, mit Ernst anruft. Das sollte Dein einziger Prüfstein sein. Nicht wie lebe ich, was fühle ich, was sagen Andere. Nein, die Frage lautet allein, ist es Dir ernst, Gott anzurufen? Und wenn Du diese Frage mit einem Ja beantworten kannst, dann tu es! Unsere Verbindung zu Gott, ist er selbst durch seinen Heiligen Geist, der uns die Sehnsucht nach ihm ins Herz pflanzt, der uns den Kontakt zu ihm ermöglicht und den uns kein Mensch nehmen kann, niemals. Wir sind Königskinder, und der König ist kein_e Gemeindeleiter_in, kein_e Missionar_in und auch kein_e Hauskreiskolleg_in, sondern Jesus Christus selbst, ihn rufen wir an, ihm ergeben wir uns.

Ich wünsche Ihnen, egal ob Sie nun in den nächsten Tagen und Wochen in den Urlaub fahren oder nicht, dass Sie sich immer wieder darauf besinnen, dass Ihnen die Quelle von Ruhe und Kraft und auch von Mut ganz nahe ist – immer nur ein Gebet entfernt. Gott behüte Sie, daheim, im Urlaub und überall.

AMEN.

weitere Blogs

Eine Ordensschwester im Kongo wurde wieder freigelassen – weil der Bandenchef keinen Ärger wollte.
Ein spätes, unerwartetes Ostererlebnis der besonderen Art
Nach 15.000 Kilometern und fünf Monaten ist Leonies Reise vorbei. Was bleibt? In ihrem letzten Blogbeitrag schaut sie auf ihre Erfahrungen zurück.