Ein grüner Frosch am Kreuz, feministische "Letzte Abendmahle" und eine männlich gelesene queere Person als Madonna mit Kind lösen einen Sturm der Entrüstung in konservativ-katholischen Kreisen aus. Es geht es um die aktuelle Ausstellung "Du sollst dir ein Bild machen" in der Wiener Künstlerhaus Vereinigung am Karlsplatz.
Ich – glaubende Christin und studierte Theologin – nahm hingegen keine Religionsfeindlichkeit in der Ausstellung wahr, und keine irgendwie geartete "Agenda", sondern einen wachen, kritischen, lustigen und teils sehr empowernden Blick auf alte Bildtraditionen und heute gelebte Religiosität.
Besonders beeindruckend ist die feministischen Madonnen-Interpretationen: VALIE EXPORT dekonstruiert die "Muttergottes" als patriarchales Zerrbild. Die österreichische Künstlerin zeigt Maria in bekannten Posen, wie wir es von Michelangelo oder Tizian kennen. Das Jesuskind wird dabei humorvoll durch einen Staubsauger oder ein Bügeleisen ersetzt. In ihrer "Geburtenmadonna" von 1976 gebärt sie rote Wäsche aus der Waschmaschine. EXPORT verweist damit in den 1970er-Jahren auf die Frau als Projektionsfläche zwischen instrumentalisierter Heiliger und Hausfrau.
Andere Fotografien berührten mich wiederum sehr. Julia Krahn etwa interpretiert in "Vater und Tochter" (2012) die Pietà neu: Nicht das sterbende Kind liegt im Schoß der Mutter, sondern der alte (sterbende?) Vater im Schoß der Tochter. Krahn beschreibt in diesem Werk die Realität vieler Frauen: Der eigene Vater (oder Schwiegervater) wird von ihr gepflegt, nachdem die Kinder von ihr großgezogen wurden.
Dass eine gewisse Scheinheiligkeit von Kirchen und Gläubigen durch künstlerische Interventionen entlarvt und zur Schau gestellt wird, sollten wir uns nicht nur gefallen lassen. Bissige Werke wie der berühmte gekreuzigte grüne Frosch von Martin Kippenberger (1990) zeigen uns Maßlosigkeit und Heuchelei auf. Denn wir alle wissen, dass unter den vor allem am österreichischen Land verbreiteten Herrgottswinkeln, gesoffen, gestritten und nicht selten Gewalt ausgeübt wird. "Für Kippenberger war die gekreuzigte Comicfigur seine Antwort auf den Jesuskitsch, den er bei seinem Kuraufenthalt in Tirol antraf", so heißt es in der Beschreibung des Werkes.
Warum sollte uns Christ:innen Provokation stören? War nicht Jesus selbst polemisch gegen seine Widersacher?! So wird er in der Bibel als jemand dargestellt, der scharf gegen Heuchelei, das religiöse Establishment und soziale Ungerechtigkeit vorging (z. B. Tempelreinigung).
Der Kurator der Ausstellung, Günther Oberhollenzer, betont hingegen, dass es in der Schau des Künstlerhauses eben nicht um pure Provokation gehe. So heißt es in der Ausstellungsbeschreibung: "Im Zentrum stehen Werke von Künstler*innen, die sich mit kritischem, aber auch mit liebevollem, humorvollem sowie feministischem Blick der christlichen Ikonographie annähern und so neue, gegenwärtige Sichtweisen auf über Jahrhunderte tradierte Motive ermöglichen."
Diese Idee geht auf, finde ich. Vor einigen Werken verweilte ich länger, da sie mich inspirierten, in meinem Zugang zum Glauben abholten und eine Verbindung zwischen meinem Wissen über Ikonografie, meinem Glauben und meiner Lebensrealität herstellten. Eine gelungene Ausstellung, die ich unbedingt empfehle! Wie Tanja Prušnik, Präsidentin der Künstlerhaus Vereinigung, im Vorwort des Katalogs schreibt: "Tauchen Sie ein, genießen Sie, hinterfragen Sie …". Die Ausstellung ist noch bis 8. Februar zu bestaunen.
***
DU SOLLST DIR EIN BILD MACHEN. Zeitgenössische Kunst und religiöses Erleben
bis 8.2.2026, Ausstellung, Obergeschoss, Künstlerhaus, Karlsplatz 5, 1010 Wien, Österreich


