Feministische Außenpolitik besser umsetzen

Menschen und Dollatzeichen auf einer Waage im Gleichgewicht
© Getty Images/iStockphoto/alexsl
"Es braucht mehr Geld für die internationale Zusammenarbeit, explizit auch für die Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen", findet die Politikwissenschaftlerin und Aktivistin Kristina Lunz.
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Feministische Außenpolitik besser umsetzen
Zehn Staaten bekennen sich zu einer feministischen Außenpolitik oder setzen sie bereits um. Auch die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag dafür offen gezeigt. Angesichts des Ukraine-Krieges sollte sich Berlin nun rasch an die Umsetzung machen, findet die Politikwissenschaftlerin und Geschäftsführerin des Centre for Feminist Foreign Policy, Kristina Lunz. Wenn weiterhin jedes Jahr für die Militarisierung Milliarden von Dollar ausgegeben würden, aber nicht mal ansatzweise die gleichen Summen für menschliche Sicherheit, Zivilgesellschaft und Klimagerechtigkeit, laufe etwas gewaltig schief, sagte sie.

Frau Lunz, was ist feministische Außenpolitik?

Kristina Lunz: Feministische Außenpolitik fordert eine komplette Transformation der gesamten Außen- und Sicherheitspolitik und den Abbau von patriarchalen Strukturen in der internationalen Politik. Mit patriarchal meine ich die Allgegenwärtigkeit, Normalisierung und Straflosigkeit von Gewalt. Die Idee ist es, Ressourcen so umzuverteilen, dass wir weg von militärischer Sicherheit hin zu menschlicher Sicherheit kommen - um dadurch nachhaltig Frieden in der Welt zu schaffen.

Ist feministische Außenpolitik angesichts des russischen Angriffskrieges überholt?

Lunz: Auf keinen Fall!

Wie hätte die Bundesregierung auf den Krieg in der Ukraine reagiert, wenn wir bereits eine feministische Außenpolitik hätten?

Lunz: Dann würde die Bundesregierung einen breiteren öffentlichen und kritischen Diskurs fördern zu den Ausgaben der 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Nötig wäre zusätzlich ein Sondervermögen für alles, was menschliche Sicherheit fördert. Dazu zählt etwa globale Gesundheit, Bildung, Ernährungssicherheit sowie internationale Frauen- und LGBTQI-Rechte. Es braucht mehr Geld für die internationale Zusammenarbeit, explizit auch für die Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen. Weltweit leben nur drei Prozent der Weltbevölkerung in offenen Zivilgesellschaften. Um das zu verändern, sind enorme Anstrengungen notwendig. Um langfristig eine solche Umschichtung von Geldern zu erreichen, würde eine deutsche feministische Außenpolitik genau jetzt damit anfangen.

Ist Pazifismus für Sie wesentlicher Bestandteil einer feministischen Außenpolitik?

Lunz: Das Ziel der feministischen Außenpolitik ist nachhaltiger Frieden. Aber solange es massive Gewalt, Kriege und Konflikte gibt, muss es die Möglichkeit geben, Menschen in ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen. Feminismus bedeutet keinesfalls, Menschen, die brutal angegriffen werden, zu sagen, dass sie sich nicht wehren dürfen.

Auf dem Weg zur Utopie einer pazifistischen Welt müssen wir aber jetzt schon anfangen, Strukturen umzubauen. Wenn weiterhin jedes Jahr für die Militarisierung Milliarden von Dollar ausgegeben werden, aber nicht mal ansatzweise die gleichen Summen für menschliche Sicherheit, Zivilgesellschaft und Klimagerechtigkeit, läuft etwas gewaltig schief. Solange die Waffenlobby bessere Zugänge hat zur Politik als diejenigen, die sich für Menschenrechte und menschliche Sicherheit einsetzen, werden wir niemals in einer stabilen und friedlichen Welt leben.

Wo hat sich feministische Außenpolitik in der Praxis bewährt?

Lunz: Weltweit betreiben zehn Staaten eine feministische Außenpolitik oder haben dies angekündigt, darunter Schweden, Kanada, Frankreich, Mexiko und auch Deutschland. Schweden hat - noch unter Margot Wallström - Waffendeals mit Saudi-Arabien aufgekündigt aufgrund der katastrophalen Menschenrechtslage dort. Das ist ein gutes Beispiel, wie feministische Außenpolitik in der Praxis aussieht. Oder Kanada: Das Land gibt rund neunzig Prozent seiner Entwicklungshilfe für Projekte aus, die zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen.

Mexiko ist eines der gefährlichsten Länder für Frauen. Springt die Regierung hier bloß mit auf, um sich ein modernes Antlitz zu geben?

Lunz: Diese Sorge ist berechtigt. Da gilt es, sehr genau und kritisch hinzuschauen. Mexiko hat ein starkes Strategiepapier zur feministischen Außenpolitik, aber in dem Land werden jeden Tag elf Frauen getötet, weil sie Frauen sind. Auf der anderen Seite gibt es dort eine sehr starke feministische Bewegung. Und ich weiß, dass es einige im mexikanischen Außenministerium wirklich ernst damit meinen. Es ist gut, wenn sie versuchen, ihre Spielräume zu nutzen und etwas zu verändern.

Wie weit ist Deutschland mit der Umsetzung der feministischen Außenpolitik?

Lunz: Vielleicht wäre schon mehr passiert, wenn Russland den Krieg nicht begonnen hätte. Ich habe Verständnis dafür, dass für die Bundesregierung die Unterstützung der Ukraine aktuell an erster Stelle steht, inklusive der Unterstützung des Rechts auf Selbstverteidigung. Aber ich erwarte, dass die Entwicklung einer Strategie der feministischen Außenpolitik und die Umsetzung in den nächsten Monaten umso mehr an Fahrt aufnimmt. Das Auswärtige Amt plant wohl, die Zivilgesellschaft an diesem Prozess teilhaben zu lassen. Bis zum Frühjahr nächstes Jahr will die Bundesregierung ein Strategiepapier zur feministischen Außenpolitik vorlegen.