Evangelische Kirche in Jever birgt Geheimnis

Ralf Dröge vom Staatlichen Baumangement Region Nord-West
epd-bild/Joerg Nielsen
Ralf Dröge vom Staatlichen Baumangement Region Nord-West steht im Zugang zu einer unterirdischen Gruft in der evangelischen Stadtkirche von Jever.
Wo ist Maria von Jever?
Evangelische Kirche in Jever birgt Geheimnis
Noch heute läuten jeden Abend die Glocken, um dem Fräulein Maria von Jever den Weg nach Hause zu weisen. Im Mittelalter herrschte die für ihre Zeit bemerkenswerte Frau als letzte selbstständige Regentin über das Jeverland.

Bis heute ist das Fräulein Maria von Jever (1500 - 1575) die Identifikationsfigur im friesischen Jeverland. Als Tochter des Häuptlings Edo Wiemken dem Jüngeren war sie die letzte selbstständige Regentin des Jeverlandes an der Nordsee. Die für ihre Zeit ungewöhnliche Frau verteidigte immer wieder ihr Reich gegen kriegerische Ostfriesen, sorgte für Bildung und eine florierende Wirtschaft.

Im Jahr 1575 starb die selbstbewusste Herrscherin. Seither ranken sich Legenden um den Verbleib ihrer sterblichen Überreste. In der evangelischen Stadtkirche von Jever wurde nun eine Gruft unter dem monumentalen Grabdenkmal ihres Vaters geöffnet. Die Expertinnen und Experten hoffen auf Klarheit: Liegen dort ihre Knochen oder die ihres Vaters?

Bislang haben die Expertinnen und Experten lediglich einen Stein aus der zugemauerten Gruft entfernt. Mit einer Rundum-Kamera verschafften sie sich einen ersten Überblick. Auf den Fotos sind einige zerfallene Holzsärge und Knochenreste zu sehen. Doch bevor die Gruft betreten werden darf, muss aus Sicherheitsgründen der Raum mit einer Bodenfläche von 2,50 Meter mal 1,20 Meter und einer Höhe von 1,60 Meter mit einem Laserscanner Millimeter für Millimeter untersucht werden, erläutert Ralf Dröge vom Staatlichen Baumanagement Region Nord-West.

Unter dieser Grabanlage für Häuptling Edo Wiemken soll dessen Tochter, das Fraeulein Maria von Jever, in der evangelischen Stadtkirche von Jever seit 1575 begraben sein.

Denn die Gruft könnte einsturzgefährdet sein. Das Grabdenkmal ist aufgrund von Bodensenkungen durch Risse und aufsteigende Feuchtigkeit so beschädigt, dass es saniert werden muss, sagt der Leiter der für das Gebäude zuständigen Baubehörde, Sönken Depken. Um weiteren Schaden zu verhindern, muss die Statik der Gruft darunter sichergestellt sein. Die beeindruckende Grabanlage aus den frühen 1560er Jahren ist unter anderem aus geschnitztem Eichenholz und Alabasterfiguren gefertigt und gilt als erstrangiges Beispiel der niederländischen Renaissance-Kunst.

Landesfrauenrat widmet Maria einen "Frauenort"

Bereits vor 140 Jahren wurde die Gruft schon einmal kurz geöffnet, berichtet die Leiterin des Schlossmuseums Jever, Professorin Antje Sander. "Damals waren die Leute nicht so vorsichtig wie wir heute." Offenbar hatten die Arbeiter damals mit einem Spaten in der Gruft herumgestochert und das Loch noch am selben Tag wieder verschlossen. Immerhin hinterließen sie einen Bericht über ihren Fund. Darin ist die Rede von einem größeren Sarg, um den herum vier kleinere Särge stehen. "Wir vermuten, dass es sich um sogenannte Beinsärge handelt, mit den Knochen von Marias Eltern und ihren Geschwistern", sagt Sander. Im größeren Sarg könnte Maria liegen, die später in die Gruft geschoben wurde.

Dass Maria von Jever bis in die Gegenwart bedeutsam ist, zeigt sich auch daran, dass der Niedersächsische Landesfrauenrat der Herrscherin 2016 einen von rund 50 "Frauenorten" widmete. Gewürdigt wurde damit ihr kluges und verantwortungsvolles Handeln in der Politik, im kulturellen Bereich und der Wirtschaft. Unter anderem erließ sie eine neue Rechtsordnung und gliederte die damals neue evangelische Kirche in ihren Herrschaftsbereich ein. Für die Ausbildung zukünftiger Amtsträger gründete Maria von Jever eine Lateinschule, das heutige Mariengymnasium Jever.

Wie die Untersuchungen weitergehen, ob weitere archäologische und anthropologische Untersuchungen etwa mit DNA-Proben erfolgen, steht bislang nicht fest. "Wir stehen ganz am Anfang", sagt Sander. Solche Forschungen kosteten viel Geld, das bisher nicht bereitstehe. Also bleibt die Frage weiter offen, ob Maria von Jever wirklich in der Gruft ruht. Als sie 1575 starb, wurde ihr Tod zunächst verheimlicht. Die ostfriesischen Nachbarn sollten nicht auf die Idee kommen, sich des Jeverlandes zu bemächtigen, bevor der testamentarische Erbe, der Graf von Oldenburg, die Regentschaft übernehmen konnte. 

Eine andere Legende besagt, dass Maria gar nicht starb. Durch einen unterirdischen Gang sei sie verschwunden, um wiederzukehren, falls das Jeverland jemals in Not gerate. Bis zum heutigen Tag ist darum in Jever allabendlich das "Mariengeläut" zu hören. Die Glocken im Glockenturm auf dem zentralen Kirchplatz läuten im Winter um 21 Uhr und im Sommer um 22 Uhr - um der Behüterin des Jeverlandes den Weg zurück nach Hause zu weisen.