Die Kirchen sorgen sich über den Erfolg der extremen Rechten

Buntstifte und Kreis
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Die neue "Farbenvielfalt" im Bundestag gibt bei vielen Religionsvertretern Anlass zu Besorgnis
Die Kirchen sorgen sich über den Erfolg der extremen Rechten
Viele Kirchen- und Religionsvertreter sehen den Einzug der AfD in den Bundestag kritisch.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, wertete das gute Abschneiden der Partei als "Weckruf für alle, denen das friedliche und solidarische Miteinander in einem weltoffenen Deutschland am Herzen liegt". Ausgrenzende und hasserfüllte Stimmen dürften "nicht das Leben in unserem Land vergiften", sagte Bedford-Strohm am Montag in Hannover. Bei der Bundestagswahl am Sonntag erhielt die AfD 12,6 Prozent der Zweitstimmen und gewann drei Direktmandate. Im neuen Parlament wird sie mit 94 Abgeordneten drittstärkste Kraft sein. EKD-Ratschef Bedford-Strohm betonte, es bleibe abzuwarten, "ob eine zerrissene Partei wie die AfD es schafft, sich konstruktiv in den parlamentarischen Arbeitsprozess auf Bundesebene einzubringen und eine Trennlinie zu den radikalen Rechtsaußen-Kräften in der Partei einzuziehen."

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, warnte vor wachsendem Nationalismus. Kardinal Reinhard Marx forderte, "dass wir uns nicht von den neuen Versuchungen verführen lassen, die in Europa, auch in unserem Land, wieder beginnen: 'Unsere Nation zuerst! Wir zuerst!'" So habe jeder Krieg begonnen. Christen müssten Vorreiter des Miteinanders sein, denn vor Gott zähle nicht, woher man komme, sondern wer man sei.

Auch der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung fand deutliche Worte: Die AfD sei eine "rechtsextreme Partei, die Positionen vertritt, die in meinen Augen nicht mit einem christlichen Menschenbild zu vereinbaren sind." Das Wahlergebnis sei ein "klares Warnsignal" für die Gesellschaft, sagte Jung.

Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, plädierte für harte, aber faire Auseinandersetzungen mit der AfD im künftigen Bundestag. Auch "als evangelische Kirche werden wir uns deutlich mit den Positionen der AfD auseinandersetzen", sagte Dröge dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gleichzeitig kündigte er an, die Kirche werde intensiv das Gespräch mit denjenigen suchen, deren Ängste so groß seien, dass sie für die scheinbar so einfachen Lösungen der AfD auf komplexe Fragen ansprechbar seien.

Der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover rief mit Blick auf das Ergebnis der Bundestagswahl zur Wachsamkeit auf. Der Bundestag müsse sich nun auf bisher unbekannte Auseinandersetzungen einstellen, sagte Meister am Montag. "Die Kirchen sind an der Seite aller Mitglieder des Parlaments, die sich jeder rassistischen und antisemitischen Haltung entgegenstellen und sich darin zu unserer Geschichte und unserer demokratischen Kultur verpflichten."

Alle Parteien zum Dialog aufgefordert

Sachsens evangelischer Landesbischof Carsten Rentzing rief angesichts des starken Wahlergebnisses der AfD in dem Freistaat alle Parteien zum Dialog auf. Im Sinne des Gemeinwohls erhoffe er Gesprächsbereitschaft aller Abgeordneten im Bundestag, sagte Rentzing dem epd. Damit verbinde er die Hoffnung, "dass sich die ausgleichenden und staatstragenden Kräfte in Parlament und Regierung zusammenfinden". Rentzing sagte weiter, die Tatsache, dass der neue Bundestag im Vergleich zum vorangegangenen "um Parteien erweitert" sei, bilde "die Vielfalt der Gesellschaft und der politischen Vorstellungen ab". "Wir können Vielfalt nicht nur theoretisch wollen, sondern müssen sie akzeptieren, auch wenn sie nicht immer den persönlichen Vorstellungen entspricht", betonte Rentzing.

Die theologisch-konservative Deutsche Evangelische Allianz rief nach der Bundestagswahl zur politischen Sacharbeit auf. "Wir bitten sehr darum, dass nun auch mit allen Abgeordneten aller Parteien respektvoll und fair umgegangen wird", heißt es in einer am Montag im thüringischen Bad Blankenburg verbreiteten Erklärung des christlichen Netzwerkes, die vom Vorsitzenden Ekkehart Vetter, dem Zweiten Vorsitzenden Siegfried Winkler sowie dem Generalsekretär Hartmut Steeb unterzeichnet ist. Anders als die meisten Spitzenrepräsentanten von Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland erwähtnen sie das starke Abschneiden der rechtskonservativen AfD nicht explizit.

Zum Wahlergebnis äußerten sich auch Vertreter anderer Religionsgemeinschaften kritisch. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, forderte die Vertreter der etablierten Parteien im Bundestag auf, die AfD als inhaltsleer zu entlarven. Im Südwestrundfunk (SWR) relativierte er zugleich die Bedeutung des Wahlerfolgs der Partei. Mitunter habe er während des Wahlkampfs den Eindruck gehabt, dass es "eigentlich nur noch um die AfD" gehe. Fakt sei aber, dass "am Ende des Tages knapp 87 Prozent der Bevölkerung andere Parteien gewählt haben".

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, gibt sowohl den etablierten Parteien als auch den Medien eine Mitschuld am starken Abschneiden der AfD. Manches, "was im Wahlkampf von den demokratischen Parteien zu hören war - wenn auch geschickter und versteckter - war AfD-Rhetorik und damit der Kotau vor diesen Ideologen", schreibt Mazyek in einem am Montag veröffentlichten Gastbeitrag auf "tagesspiegel.de" Der Einzug der AfD in den Bundestag sei eine Zäsur.