Queerer Superintendent in Österreich legt Amt nieder

epdÖ/M.Uschmann
Lars Müller-Marienburg
Evangelische Kirche in Österreich
Queerer Superintendent in Österreich legt Amt nieder
Lars Müller-Marienburg engagiert sich in Kirche und Gesellschaft für queere Anliegen. Nun legt er sein Amt als Superintendent für Niederösterreich aus persönlichen Gründen nieder.

Lars Müller-Marienburg, seit sieben Jahren im Amt des Superintendenten für Niederösterreich, legt nun überraschend sein Amt nieder – aus „persönlichen Gründen“, so heißt es in der offiziellen Meldung. Dies wurde am 9. Oktober öffentlich bekannt. Als Superintendent war der 46-Jährige zuständig für die haupt- und nebenamtlichen Mitarbeitenden in seiner Diözese. Ein Superindentent hat die Dienstaufsicht über die Pfarrer:innen und ist gleichzeitig der „Seelsorger der Seelsorger:innen“ sowie Repräsentant der Diözese in der Öffentlichkeit. Lars Müller-Marienburg ist darüber hinaus mit seinen zahlreichen Begabungen in verschiedenen Bereichen engagiert, so etwa auch in der Kirchenmusik.

Lars Müller-Marienburg trat als erster offen schwul lebender Superintendent im Herbst 2016 sein Amt als geistlicher Leiter der Diözese Niederösterreich an. Er ist in unserer österreichischen evangelisch-lutherischen Kirche bisher der einzige Inhaber eines Amtes in der mittleren Führungsebene oder darüber, der sich öffentlich für die Rechte und gegen die Diskriminierung von Menschen im LGBTIQ-Spektrum eingesetzt hat. Er ist zudem der erste offen queere Mensch, der in eine solch hochrangige Position in der evangelischen Kirche in Österreich gewählt wurde.

Mich erreicht die Nachricht in den sozialen Medien vorletztes Wochenende, als ich gerade mit meinen Wiener Kolleg:innen auf Pfarrtagung in München bin. Ich bin traurig und beeindruckt zugleich. So schreibt Lars Müller-Marienburg auf Facebook: „Wer werde ich sein, wenn ich einmal nicht mehr 'Herr Superintendent' bin? Unfreiwillig musste ich das in den letzten Monaten ausprobieren, als wegen Burnout und Depression das Superintendentsein einfach nicht mehr ging.“

Lars Müller-Marienburg, der gebürtig aus Ansbach in Deutschland ist und für das Amt des Superintendenten die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen hat, spricht damit gleich zwei wichtige und oft tabuisierte Punkte an. Amt und Titel nehmen in Österreich eine große Rolle im beruflichen Miteinander ein. Nicht nur in unserer immer kleiner werdenden Kirche (weniger als 300.000 Menschen in Österreich gehören zu einer der drei evangelischen Konfessionen) müssen Ämter und Hierarchien eventuell neu verhandelt werden.

Dass der scheidende Superintendent dabei seine psychische Verfassung öffentlich macht, zeigt einmal mehr Stärke und ist augenöffnend und empowernd zugleich. Denn gerade in der Kirche muss klar sein: Egal auf welcher Ebene – wir leiten, wir führen, wir führen aus, wir arbeiten, wir helfen, wir engagieren uns, wir feiern gemeinsam: als Menschen. Wir sind dabei fehlbar, verletzlich und in einem gewissen Ausmaß auch unverfügbar.

Bei vielen Menschen in der österreichischen evangelischen Kirche hat die Nachricht von Lars Müller-Marienburgs Abschied Traurigkeit und Bedauern ausgelöst. In den sozialen Medien erntet der Theologe, der nach seinem Studium in München nach Österreich ging, um dort als Pfarrer offen schwul leben zu können, unzählige wertschätzende und hochachtungsvolle Kommentare sowie gute Wünsche. Die niederösterreichische Superintendentialkuratorin Gisela Malekpour bedauert seinen Rücktritt und hebt gegenüber dem Evangelischen Pressedienst seine „hervorragende Führungskompetenz und seine Motivationsfähigkeit“ hervor. Auch der Bischof der Evangel.-lutherischen Kirche in Österreich, Michael Chalupka, sowie die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner bedanken sich bei Lars Müller-Marienburg und drücken ihre Wertschätzung für dessen Verdienste aus. „Insbesondere sein Einsatz gegen jegliche Form der Diskriminierung in der Gesellschaft bleibt vorbildhaft“, so Bischof Chalupka. Dieser Einsatz wird sicherlich auch den vielen marginalisierten Menschen in unserer Kirche fehlen.

Die positive Komponente seines Rücktritts beschreibt Lars Müller-Marienburg aber gleich selbst in seinem Facebook-Post: „Es hat sich gezeigt: Nur Larssein ist schön – und gar nicht beängstigend. Jetzt, da es mir viel besser geht, habe ich beschlossen, auch in Zukunft nur Lars zu sein.“

Trotz meines weinenden Auges: Chapeau und Glückwunsch zu diesem Schritt - und die allerbesten Wünsche. Nicht nur, aber vor allem auch die queeren Menschen werden Deine Kompetenz, Deinen Einsatz und Deine Menschlichkeit in diesem führenden Amt vermissen, lieber Lars.

weitere Blogs

Eine Ordensschwester im Kongo wurde wieder freigelassen – weil der Bandenchef keinen Ärger wollte.
Ein spätes, unerwartetes Ostererlebnis der besonderen Art
Nach 15.000 Kilometern und fünf Monaten ist Leonies Reise vorbei. Was bleibt? In ihrem letzten Blogbeitrag schaut sie auf ihre Erfahrungen zurück.