Kirche, Caritas, Diakonie: Gute oder schlechte Arbeitgeberinnen für queere Menschen?

Kirche, Caritas, Diakonie: Gute oder schlechte Arbeitgeberinnen für queere Menschen?
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Sind Kirche, Caritas und Diakonie gute oder schlechte Arbeitgeberinnen für queere Menschen?
Kirchliche Einrichtungen müssen mehr für LGBTIQ-Menschen tun. Ergebnisse aus einer neuen Studie in Württemberg.

22 Interviews mit lesbischen, schwulen und trans Absolvent_innen und aktuell Studierenden der Evangelischen Hochschule (EH) Ludwigsburg hat Monika Barz, mittlerweile emeritierte Professorin der Sozialen Arbeit und Frauen- und Geschlechterforschung, nun in einer Studie zusammengefasst und veröffentlicht. „Die zentrale Frage der Studie ist, warum sich lesbische, schwule und transsexuelle Fachkräfte für kirchlich geprägte Anstellungsträger*innen entschieden haben, was sie dabei für Erfahrungen machen und welche Erfolgsfaktoren bei ihrem Berufseinstieg von Bedeutung waren.“

An der EH Ludwigsburg werden Studiengänge wie Diakoniewissenschaften, Soziale Arbeit und Religionspädagogik unterrichtet. Die Hochschule befindet sich inmitten des kirchlich-konservativen Terrains Württemberg, wo es in Gesellschaft und Landeskirche Progressive und LGBTIQ nicht gerade leicht haben, denn konservative, evangelikale bis fundamentalistische Strömungen sind hier sehr verbreitet.

Menschen, die eine tiefe Bindung zu Kirche und Glaube haben, wählen oft gerne Kirche, Caritas und Diakonie oder andere kirchliche Arbeitgeber_innen für den Berufseinstieg aus. Ist das aber eine gute Idee, wenn man schwul, lesbisch oder trans ist? Wie offen können sich schwule, lesbische und trans Menschen (LGT) in ihrer ganzen Persönlichkeit bei Kirche, Diakonie und Caritas zeigen? Welche Wünsche haben sie und was raten sie nachfolgenden Generationen? Diese Fragen wirft die Fallstudie auf. Es geht dabei auch um ihre Wünsche zur Verbesserung sowie die Ratschläge, die sie nachfolgenden Generationen geben. Auch die Frage, warum sich andere für öffentliche und private Arbeitgeber_innen entschieden haben, ist zentral in der Studie. Monika Barz will mit der Studie aufzeigen, was Erfolgsfaktoren sind, die bei der Gewinnung von qualifizierten Fachkräften für die Soziale Arbeit wirksam sein können.

Ausschlaggebend für die Fallstudie, die bereits 2011 begonnen wurde, waren die Berichte und Erfahrungen von Studierenden und Absolvent_innen von Diskriminierung, Ausgrenzung und Feindlichkeit gegenüber ihrer sexuellen Orientierung und/oder ihrer Geschlechtsidentität.

Die Studie weist tatsächlich einige Unterschiede zwischen kirchlichen und öffentlichen oder privaten Trägern nach. Zwar sind beide Gruppen im Bewerbungsverfahren schweigsam über ihre Lebensrealität als L/G/T, doch fühlen sich diejenigen, die in öffentlichen oder privaten Einrichtungen arbeiten, sicherer bezüglich ihrer Rechte und Anerkennung: „Für Absolvent*innen, die dort beschäftigt sind, scheint kaum die Notwendigkeit zu bestehen, sich am Arbeitsplatz zusätzlich ehrenamtlich für gleiche Rechte zu engagieren.“

Erfolgsfaktoren, die dazu führen, dass qualifizierte LGT-Fachkräfte sich in den jeweiligen Einrichtungen wohlfühlen, müssen von den Arbeitgeber_innen wohl noch herausgearbeitet werden, denn die Studienteilnehmer_innen fühlten sich in ihrer Identität und Lebensweise nicht genug akzeptiert. Lediglich queere Rolemodels wie geoutete Kolleg_innen und Chef_innen wurden als förderlich genannt.

Im kirchlich-geprägten Bereich zu arbeiten bedeutet für die Studienteilnehmer_innen überwiegend Anstrengung und Verunsicherung und damit psychische Belastung. Dennoch bleiben einige ihrer Arbeitgeberin treu.

„Hinter verschlossenen Türen sagen mir Kolleg*innen sie unterstützen mich“ – so lautet das Zitat einer Person, die an der Studie teilgenommen hat. Wahre Offenheit und Unterstützung sieht anders aus!

Zur Verfasserin: Monika Barz ist eine der großen Vorkämpferinnen für die Sichtbarkeit und Rechte lesbischer Frauen in Kirche, Theologie, Politik und Gesellschaft. Sie engagierte sich u.a. gegen Gewalt gegen Frauen, ab 1993 hatte sie einen Lehrstuhl an der FH Reutlingen und später an der EH Ludwigsburg. Mit dieser Studie hat sie wie mit vielen anderen Publikationen zuvor einen wichtigen Beitrag zur Gleichbehandlung von schwulen, lesbischen und trans Menschen beigetragen. Auch Personen in anderen Landeskirchen können diese Broschüre als Motivation zur Verbesserung von Sichtbarkeit und Rechten von LGBTIQ-Menschen zur Hand nehmen.

Zwei kritische Anmerkungen zur Broschüre: Obwohl zwischendrin immer wieder das Akronym LSBTTIQ verwendet wird, das neben lesbischen, schwulen und trans Menschen u.a. auch bisexuelle und intergeschlechtliche inkludiert, geht es in der Studie nur um die erstgenannten drei. Warum genau deren Diskriminierungserfahrungen, nicht aber die der anderen beforscht und ausgewertet wurden, wird im Auszug nicht erläutert. Ausgerechnet bisexuelle und intergeschlechtliche Menschen werden schließlich oft ausgeklammert als Teile der queeren Community. Auch mit der Auswahl der Begriffe hätte man beim Verfassen der Broschüre sensibler hantieren können: Begriffe wie transsexuell oder intersexuell werden zwar von manchen trans und inter Menschen verwendet, die meisten Communitys wünschen sich allerdings andere Begriffe (trans, transident, transgender / inter, intergeschlechtlich)1. Das sollte unbedingt berücksichtigt werden.

Barz, Monika (2020): Lesbisch, schwul, transsexuell …Fallstudie über Erfolgsfaktoren bei der Berufseinmündung sozialer Fachkräfte in Kirche, Diakonie und Caritas. Evangelische Hochschule Ludwigsburg (Hg.)

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1 Die Begriffe transsexuell und intersexuell kommen ursprünglich aus dem Englischen, wo „sex“ ein Wort für Geschlecht (Geburtsgeschlecht) ist. Im Deutschen klingt es dann, als gehe es dabei um Sexualität.

Außerdem werden die Begriffe transsexuell und intersexuell im medizinischen Bereich verwendet, in welchem viele trans und intergeschlechtliche Menschen traumatisierende Erfahrungen machen.

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