Die Frage der Woche, Folge 83: Was kommt 2017 auf uns zu?

Die Frage der Woche, Folge 83: Was kommt 2017 auf uns zu?
2017 wird spannend. Denn es ist ein Wahljahr. Klare Worte sind gefragt.

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

2017 liegt vor uns! Das erste Stichwort, was uns allen dazu einfällt, ist Reformationsjubiläum, für die christlichen Kirchen das Schwerpunktthema schlechthin. Es passiert aber noch eine ganze Menge anderes Spannendes. Denn 2017 ist ein Wahljahr. Die erste Sonntagsfrage des Jahres zeigt, wohin der Wahlkampf gehen wird und welche Themen eine Rolle spielen. Umfragen-Gewinner ist die AfD (15 %), die der SPD (20 %) auf dem zweiten Platz hinter der CDU/CSU (37 %) dicht auf die Pelle rückt. Die wichtigsten Themen für Wähler fasst infratest-dimap so zusammen:

"Die Flüchtlingssituation ist aktuell das mit Abstand wichtigste Thema: Vier von zehn Wahlberechtigen (40 Prozent) sind der Meinung, dass sich die Bundesregierung vorrangig darum kümmern sollte. Die zweithäufigste Nennung betrifft die Innere Sicherheit und die Abwehr der Terror-Gefahr in Deutschland: Rund jeder Zehnte (11 Prozent) nennt dieses Thema. Mit Blick auf die Zuwanderung nach Deutschland ist jeder Zweite (50 Prozent) der Meinung, dass durch die Zuwanderung eher Nachteile entstehen, während jeder Dritte (33 Prozent) darin eher Vorteile sieht."

Wenn das so bleibt - und davon ist mindestens auszugehen - wird der Bundestagswahlkampf relativ klare Fronten aufzeigen: Nämlich zwischen denen, die mit positiven Botschaften über Einwanderung werben und denen, die mit negativen Botschaften über Einwanderung reden. Dabei ist "sich kümmern", wie es infratest formuliert, erstmal nicht wertend belegt: Die Politik kann sich darum kümmern wie die AfD und Grenzschließungen zum Programm machen oder sich darum kümmern wie Angela Merkel und ihren Satz "Wir schaffen das!" mit konkreten Vorschlägen ausfüllen.

Letzteres wird aber die größere Herausforderung für den Wahlkampf. Denn es besteht die Gefahr, dass eine Botschaft aus Menschlichkeit, Solidarität und Nächstenliebe bei den 50 % der Wähler auf Ablehnung stößt, die Zuwanderung jetzt schon nachteilig betrachten. Kann man in Deutschland in diesem Jahr mit Nächstenliebe eine Bundestagswahl gewinnen? Aus christlicher Sicht würde ich mir wünschen, dass die Slogans der Ablehnung, die im vergangenen Bundestagswahlkampf den extremen Rechten (NPD, Republikaner) vorbehalten blieben, nicht ihren Weg zu den Parteien über der Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Das scheint aber angesichts der AfD-Umfragewerte sehr unwahrscheinlich.

Umso wichtiger wird es, dass die Wahlkämpfer in diesem Jahr klar sagen, wofür sie stehen. Die Präsenz der AfD mit ihrem deutlichen Profil zu Heimat und Nationalismus zwingt alle anderen Parteien, nicht nur über Klientelversprechen zu reden, sondern grundsätzlich Position zu beziehen zu Themen wie nationaler Identität, Staatsangehörigkeit, internationaler Zusammenarbeit und Deutschlands Stellung in Europa. Fragen nach Sicherheitspolitik, Überwachung und Unschuldsvermutung werden ebenfalls auf den Tisch der Fernsehtalkshows kommen. Der Wahlkampf 2017 wird den Grundkonsens, unter dem wir in Deutschland leben wollen, neu justieren. Das Ergebnis ist noch offen.

Aber wer sich davor drückt, 2017 klare Position zu beziehen, wird am Ende die wenigsten Wähler von sich überzeugen können. Für die christlichen Kirchen gilt das auch, selbst wenn sie nicht zur Wahl stehen. Wir müssen ebenso klare Positionen beziehen, begründet auf dem Evangelium Jesu Christi und mit festen Blick auf die Lage der Menschen im Diesseits. Im Jahr des Reformationsjubiläums sind klare, begründete Worte so sehr gefragt wie selten. Martin Luther konnte das zu seiner Zeit auch. Der Reformator war kein Freund von Beliebigkeit - und er wollte es nicht allen Recht machen, sondern wusste, wofür er stand (und nicht andes konnte). Dieses Vorbild können die Predigerinnen und Prediger in der evangelischen Kirche erstens selbst beherzigen und zweitens den Politikerinnen und Politikern mitgeben. Wenn der Austausch von Ideen für unsere gesellschaftliche Zukunft klar und deutlich ist, könnten sich mehr Menschen als sonst dafür interessieren. Oder zumindest klar erkennen, welche Folgen der Ausgang der Bundestagswahl 2017 haben wird. In welche Richtung auch immer. Es wird ein spannendes Jahr.

Ich wünsche euch und Ihnen ein gesegnetes Wochenende!


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