Frage der Woche, Folge 118: Was kommt nach Cambridge Analytica?

Frage der Woche, Folge 118: Was kommt nach Cambridge Analytica?
Das angebliche "Datenleck" auf Facebook war nur ein konseqentes Nutzen der Möglichkeiten, die Facebook selbst angeboten hat. Kann Facebook trotzdem das Vertrauen seiner Nutzer*innen zurückgewinnen?

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

der Skandal um die Nutzung von Facebook-Daten durch die Firma Cambridge Analytica im US-amerikanischen Wahlkampf hat in der vergangenen Woche viele Leute fragen lassen: Sollte ich mein Facebook-Profil nutzen? Meine Antwort darauf ist: Nein, aber die Berechtigungen der eigenen Handy-Apps einmal genau überprüfen - und zwar aller Apps, nicht nur Facebook.

Die aus meiner Sicht besten deutschen Analysen zu Cambridge Analytica kamen in dieser Woche von Sascha Lobo auf spiegel.de:

"Genau genommen weiß nicht einmal Facebook selbst, wie Facebook wirkt. Und das ist die Gefahr, die das soziale Netzwerk für die Demokratie darstellt, das große Versäumnis, das man Facebook ankreiden muss. Die Menschen-Megamaschine wurde unglaublich perfektioniert, was Werbung angeht - aber alles andere inklusive der sozialen Wirkung auf die Welt war nachrangig."

Und von Michael Seemann (@mspro) auf t-online:

"Statt mehr Datenschutz durchzusetzen, sollte die Politik dafür sorgen, dass sich die Plattformen wieder öffnen. Erst wenn wir verstehen, was da vor sich geht, können wir Lösungen für die unvorhergesehenen Effekte der neuen digitalen Öffentlichkeiten finden. Weil die Debatte falsch geführt wird, passiert jetzt erstmal das genaue Gegenteil."

Ich habe selbst in Redaktionsrunden schon gesagt: Wir müssten mehr wie die Russen im amerikanischen Wahlkampf sein in unserer konkreten Zielgruppen-Auswahl auf Facebook. Die haben - genau wie Cambridge Analytica - einfach unglaublich viele verschiedene Sachen ausprobiert und ständig darauf hin optimiert, was am meisten Resonanz bekam. Das Problem an der russischen Operation ist, dass sie dabei jeglichen Anklang von Wahrheit und Wahrhaftigkeit ignoriert haben. Das können und wollen wir natürlich nicht.

Das Problem an Cambridge Analytica ist, dass die Daten, die Facebook für den akademischen Gebrauch freigegeben hatte, anschließend für politische Werbung weiterverwendet haben. Das angebliche Grundproblem, dass die Datensätze überhaupt existieren, ist nicht das Problem. Das analysiert Michael Seemann im oben verlinken Artikel sehr gut, dem ist nichts hinzuzufügen.

Die Frage ist aber, wie es weitergeht. Erstens sorgt die kommmende EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für neue Aufmerksamkeit und Anforderungen beim Thema "privacy by default", dass also alle Datenabfragen nur das minimal nötigste enthalten dürfen und grundsätzlich immer das Einverständnis von Nutzer*innen notwendig ist. Was Facebook noch zum Verhängnis werden könnte, ist erstens die Umsetzung dessen - denn das wird das Geschäftsmodell von Facebook, mit möglichst genauen Daten Werbung möglichst passgenau zu verkaufen, eher erschweren.

Zweitens aber, und das wiegt noch schwerer, ist das Vertrauen in Facebook noch weiter erschüttert. Das war noch nie richtig hoch, in Deutschland jedenfalls nicht. Aber für die Anbieter von Inhalten auf Facebook - wie evangelisch.de - gibt es keine Möglichkeit, auf Facebook eigenes Vertrauen aufzubauen. Wir können das nur über die Art von Inhalten tun, die wir anbieten: Wenn das Leuten gefällt, bekommen sie mehr davon und wollen es auch. Aber wir haben keine Möglichkeit, auf Facebook selbst "privacy by default" anzubieten. Das kann nur Facebook selbst. Wenn die Nutzer*innen der gesamten Plattform nicht vertrauen, können wir als kleine Seite darin kein darüber hinausgehendes Vertrauen aufbauen. Trotzdem ist Facebook immer noch ein Ort, an dem wir einfach viele Menschen erreichen können - und das ist Teil unserer Aufgabe.

Facebook muss sich jetzt überlegen, wie sie selbst Verantwortung übernehmen für die Inhalte auf ihrer Plattform und den Umgang damit. Das kann eine der größten Webseiten der Welt nicht mehr von sich wegschieben und auf die einzelnen Nutzer und Anbieter innerhalb ihres relativ geschlossenen Systems verlagern. Facebook wird allein durch die öffentliche Reaktion in den USA dazu gezwungen, irgendwie zu reagieren. In jedem Fall kommt dabei mehr Verantwortung für den Plattformbetreiber bei zustande. Wie Facebook das dann ausfüllt, wird sich zeigen.

Ich wünsche euch und Ihnen einen guten Start in die Woche!


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Ich werfe an dieser Stelle mehr oder weniger regelmäßig einen Blick auf die vergangene Woche und beantworte außerdem Ihre Fragen zu evangelisch.de, so gut ich kann. Ich wünsche euch und Ihnen einen gesegneten Start ins Wochenende!

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