Wie Petrus

Getty-images/iStock/Carther/evangelisch.de/privat (M)
Spiritus Blog mit Beatrice von Weizsäcker
Geistvoll in die Woche
Wie Petrus
„Verstorben“, „humanitäre Katastrophe“, „Drecksarbeit“, „Zirkuszelt“ – auch unsere Sprache verrät uns

Dreimal hat Petrus Jesus verleugnet. Der ersten Magd, die sagte: Auch du warst mit diesem Jesus aus Galiläa zusammen, antwortete er: Ich weiß nicht, wovon du redest. Bei der zweiten Magd schwor er: Ich kenne den Menschen nicht. Als schließlich andere sagten: Du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verrät dich, fing er an zu fluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht. Da krähte ein Hahn, und Petrus erinnerte sich der Worte Jesu: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er weinte bitterlich. – Es ist herzzerreißend.

Gewiss, es ist eine Ostergeschichte, die nicht zur Jahreszeit passt. Doch verrät uns unsere Sprache etwa nicht? Verschleiern wir nicht, was wahr ist? Missachten wir die Sprache nie? 

Ein harmloses Beispiel ist das Wort „verstorben“. Verstorben soll gefälliger klingen. Weniger hart. Dabei ändert sich nichts. Man muss nicht verstorben sein, um tot zu sein. Es reicht zu sterben. Die Vorsilbe „ver“ bagatellisiert die Wahrheit. Der Unsinn hat inzwischen sogar die Amtssprache erreicht. Zwar heißt der gerichtsfeste Nachweis über den Tod eines Menschen „Sterbeurkunde“. Aber in der steht: „verstorbene Person“. Den Verantwortlichen empfehle ich, die schöne Erklärung für das Verhältnis der Begriffe versterben, sterben und tot sein im Wörterbuch der sprachmeisterlichen Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm zu lesen: „Meist bezeichnet ‚verstorben‘ den Augenblick des Abscheidens, bisweilen aber die abgeschlossene Handlung: wenn einer verstorben (gestorben) ist, da ist er wohl ganz und gar verstorben (tot).“ Oder, um es mit den Worten meines (toten) Arzt-Bruders Fritz zu sagen: „Tot ist tot.“ – In der Bibel „verstirbt“ übrigens kein Mensch, weder bei Luther noch in der katholischen Einheitsübersetzung, auch wenn unablässig jemand stirbt. Es gibt auch keine „Verstorbenen“, obwohl es in der Heiligen Schrift von Toten nur so wimmelt. Aber das nur nebenbei.

Weniger harmlos ist die Wendung „humanitäre Katastrophe“. So werden Katastrophen genannt, die Leben bedrohen oder zerstören. Zum Beispiel durch Kriege. Oder durch Hunger. So schrieb kürzlich die EKD: „Die humanitäre Katastrophe in Gaza hat ein unvorstellbares Ausmaß erreicht.“ Was, bitte, ist an der Katastrophe „humanitär“? Humanitär kommt vom lateinischen „Humanitas“, Menschlichkeit. Humanitär bedeutet wohltätig, selbstlos. Humanitär ist die Hilfe für Menschen, die leiden. Katastrophen wie Kriege und Hunger sind zwar menschengemacht, und sie betreffen Menschen. Humanitär, menschlich, sind sie nie. Darum war es besonders absurd, dass der Bundeskanzler jüngst die hohe Zahl Geflüchteter im Jahr 2015 als „humanitäre Katastrophe“ bezeichnete. Als seien die Menschen nicht wegen des Krieges in Syrien geflohen, sondern aus Daffke.

Ganz und gar nicht harmlos sind auch andere Beispiele, die Friedrich Merz liefert. Erst nannte er den Angriff Israels auf den Iran „Drecksarbeit“, worauf man erst einmal kommen muss, wenn Menschen um ihr Leben fürchten müssen. Dann sprach er in der Debatte über die Regenbogenflagge auf dem Reichstagsgebäude von einem „Zirkuszelt“ - womit er die gesamte queere Community diffamiert.

Nun wird vermutlich niemand wegen solcher Sprachverirrungen weinen, wie Petrus es tat. Doch auch unsere Sprache verrät uns. In einem Fall verrät sie, wie schwer es uns fällt, die Dinge beim Namen zu nennen. Im anderen, wes Geistes Kind wir sind. Wer aber die Augen vor der Wahrheit verschließt oder die Wirklichkeit verhöhnt, ist schnell versucht, sich seiner und ihrer Verantwortung zu entziehen. 

Die bezieht sich auch auf unsere Sprache. Denn wie sie uns verrät, verraten wir sie. Das gilt selbst für einen Bundeskanzler.

weitere Blogs

Wagen von Amnesty International auf der Pride in Budapest
evangelisch.de-Blogger Christian Höller hat zum ersten Mal eine Straftat begangen. Denn er nahm mit 200.000 Menschen an der verbotenen Budapester Pride teil - eine beeindruckende Demonstration, die in die Geschichte eingehen wird, ist Höller überzeugt.
Die Regenbogenflagge ist ein starkes Zeichen für eine starke Demokratie - und gehört damit während der Pride-Week auch an den Bundestag, ist Wolfgang Schürger überzeugt.
Instagram Post als Werbung für das Papst Eis "Papaleta"
Papst Leo XIV gibt es in Peru nun auch in Eisform – für einen guten Zweck