Heinrich: Kirche muss aus Kurschus-Rücktritt Lehren ziehen

Anna-Nicole Heinrich
© epd-bild/Stefan Heinze
Gut zwei Wochen nach dem Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus kommt die Synode der EKD zu digitalen Beratungen zusammen. Anlass ist jedoch nicht der Rücktritt, sondern die zuvor bereits geplante Fortsetzung der am 15. November in Ulm unterbrochenen Jahrestagung.
Fortsetzung der EKD-Synode
Heinrich: Kirche muss aus Kurschus-Rücktritt Lehren ziehen
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) muss nach Ansicht von Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich Lehren aus dem Rücktritt der früheren Ratsvorsitzenden Annette Kurschus ziehen. Kurschus' Nachfolgerin Kirsten Fehrs spürt eine starke Verunsicherung in der Kirche.

Das Thema der sexualisierten Gewalt werde "uns immer wieder mit Widersprüchen konfrontieren und an institutionelle und persönliche Grenzen führen", sagte Heinrich am Dienstag zum Start einer digitalen Tagung der EKD-Synode. Man werde einen Weg finden müssen, "mit möglichen Vorwürfen dieser Art angemessen umzugehen", sagte sie und fügte hinzu: "Das wird nicht einfach."

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Die Präses der Synode ging in ihrer Eröffnungsrede auch auf Vorwürfe ein, Kurschus habe in den Leitungsgremien der evangelischen Kirche nicht genügend Rückhalt erfahren. Sie bedauere es, wenn bei manchen Personen der Eindruck entstanden sei, "die Synode, der Rat der EKD oder ich selbst haben sich unzureichend solidarisch mit Annette Kurschus gezeigt", sagte Heinrich. Für sie sei eine Atmosphäre des Vertrauens und der Ehrlichkeit wichtig. Heinrich betonte die Bedeutung der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche. Für sie sei dabei "handlungsleitend, dass betroffene Personen und die Aufarbeitung an erster Stelle stehen müssen".

Annette Kurschus war am 20. November vom EKD-Ratsvorsitz und als Präses der westfälischen Kirche zurückgetreten. Ihr wird vorgeworfen, mit einem mutmaßlichen Fall sexualisierter Gewalt nicht ausreichend transparent umgegangen zu sein. Der Fall reicht in die 90er Jahre zurück, Beschuldigter ist ein ehemaliger Kirchenmitarbeiter aus Kurschus' früherem Arbeitsumfeld in Siegen, den sie laut eigener Aussage sehr gut kennt. Er soll junge Männer sexuell bedrängt haben.

Die "Siegener Zeitung" hatte unmittelbar vor und während der EKD-Synodentagung Mitte November in Ulm darüber berichtet. Die EKD-Jahrestagung war wegen des bundesweiten Bahnstreiks am Morgen des 15. November unterbrochen worden und sollte am Dienstag digital abgeschlossen werden.

Fehrs sieht "große Verunsicherung" in der EKD

Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, sieht im Zusammenhang mit dem Rücktritt ihrer Vorgängerin Annette Kurschus eine "große Verunsicherung" in den EKD-Leitungsgremien. "Es geht um Vertrauen und um Glaubwürdigkeit", sagte die Hamburger Bischöfin Fehrs am Dienstag bei einer digitalen Sitzung der EKD-Synode. "Da liegt noch ein gutes Stück Weg vor uns. Und diesen Weg gilt es nun mit Übersicht, mit Klarheit und mit Feingefühl zu gehen", sagte die bisherige Stellvertreterin der Ratsvorsitzenden.

Fehrs sprach von einer "geradlinigen und konsequenten Entscheidung" Kurschus' zum Rücktritt. Davor habe sie "echte Hochachtung". Sie empfinde es als schmerzhaft, dass der Umgang mit den Ereignissen in Siegen zum Rücktritt geführt hat.

"Für mich kommt es jetzt darauf an, verlorenes Vertrauen wieder herzustellen", sagte Fehrs. In der vergangenen Woche habe es intensive Beratungen mit den Betroffenen-Vertretern im EKD-Beteiligungsform Sexualisierte Gewalt gegeben. Mit leitenden Geistlichen, Vertretern der Landeskirchen und Ratsmitgliedern seien Treffen geplant. Zudem bot Fehrs an, den synodalen Gruppen für Gespräche zur Verfügung zu stehen.

Dass Betroffenen-Vertreter in den Auseinandersetzungen um den Rücktritt von Kurschus "enormem Druck" und "Anfeindungen" ausgesetzt worden seien, empfinde sie als beschämend. Der Rat der EKD werde "mit aller Konsequenz" den eingeschlagenen Weg bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt fortsetzen. Dabei gehe es um eine "klare Ausrichtung auf Betroffene" und darum, Grenzverletzungen und Gewalt in der Kirche zu verhindern sowie Vorfälle aufzuklären.