Zwei Pfarrer - zwei Wege zum Frieden

Ein Kruzifix auf dem Altartisch
Jens Schulze/Fundus
Zwischen Kreuz und Konflikt: Während das Kruzifix für viele Pfarrer untrennbar mit pazifistischem Glauben verbunden ist, sehen andere auch die militärische Verteidigung als vereinbar mit ihrem Amt.
Friedensethik und Wehrhaftigkeit
Zwei Pfarrer - zwei Wege zum Frieden
Sie sind beide Pfarrer - doch ihre sicherheitspolitischen Positionen liegen weit auseinander: Wolfram Theo Fucker würde als Marine-Reservist im Kriegsfall Deutschland mit der Waffe verteidigen. Dietrich Becker-Hinrichs beharrt auf Pazifismus.

Der Blick aus Pfarrer Wolfram Theo Fuckers Arbeitszimmer im nordbadischen Meckesheim (Rhein-Neckar-Kreis) fällt auf den evangelischen Kindergarten gegenüber. Eine Obstbaumwiese säumt den Weg zum Pfarrhaus. "Jeder kennt jeden, als Pfarrer bin ich eine öffentliche Person", sagt Fucker im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst.

So wissen in dem Ort mit rund 5.000 Einwohnern auch alle, dass der Pfarrer Reservist bei der Marine ist. Weil er 1992 geboren wurde, bezeichnet sich der Theologe als ein "Kind des Friedens". Krieg habe er als Jugendlicher nur aus den Erzählungen des Vaters gekannt, der Zeitsoldat bei der Marine war.

Mit der russischen Annexion der Krim 2014 habe sich sein Weltbild und damit auch sein Sicherheitsgefühl verändert, so Fucker: "Ich habe meine eigene Rolle gesucht, falls es auch hier zu einem Krieg kommt." Die Haltung der Politik sei ihm damals zu "zögerlich" gewesen. "Für mich war klar, dass ich Verantwortung übernehme, sollte es zu einem bewaffneten Konflikt kommen", sagt er. "Wenn es hart auf hart kommt, möchte ich die Menschen, die ich liebe, beschützen können. Und auch die anderen."

Nach der Schule entschließt er sich für das Studium der evangelischen Theologie, "um diese Welt ein bisschen besser zu machen". Gleichzeitig reift in ihm der Entschluss, freiwillig zur Bundeswehr zu gehen und Wehrdienst zu leisten, der 2011 von der Politik ausgesetzt worden war. Berufsbegleitend ließ sich der angehende Pfarrer bei der Marine als Reserveoffizier ausbilden.
Den Vorschlag von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zum Wehrdienst halte er für "sinnvoll", so Fucker: Aufstocken der Bundeswehr zunächst auf dem Freiwilligkeitsprinzip, im Zweifelsfall verpflichtend.

Pfarrer Wolfram Theo Fucker zeigt seine Urkunde, die ihn als Reservist bei der Marine auszeichnet.

Eine andere Haltung vertritt der Theologe Dietrich Becker-Hinrichs aus Lahr (Ortenaukreis). Der evangelische Pfarrer im Ruhestand erlebte in Kindheit und Jugend die Spannungen durch den Kalten Krieg - eine Zeit, in der sich Kriegsdienstverweigerer wie Becker-Hinrichs 1976 noch einer "Gewissensprüfung" stellen mussten. Der Zivildienst bei der Evangelischen Jugend wurde wegweisend für sein weiteres Leben, Friedensethik zum Schwerpunkt im Studium und ein Anliegen bis heute.

Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht lehne er ab, sagt Becker-Hinrichs. "Allerdings hätte die Einführung den Vorteil, dass sich viele junge Menschen ernsthaft mit der Frage befassen müssten, ob sie bereit wären, Deutschland militärisch zu verteidigen und dafür auch ihr Leben einzusetzen", gibt er zu bedenken. Umfragen zeigten, dass viele junge Menschen dann den Kriegsdienst verweigern würden.

Der Dienst an der Waffe käme für ihn auch heute nicht infrage, sagt der Friedensaktivist und beruft sich auf die Bibel. "Mein christlicher Glaube lässt einen Frieden durch Waffengewalt nicht zu. Ich halte mich hier an die Bergpredigt, in der Jesus aufzeigte, wie ein Zusammenleben in Frieden möglich ist", betont Becker-Hinrichs. Waffenlieferungen an die Ukraine lehne er ebenfalls ab, "weil sie den Frieden nicht befördern". Stattdessen setzt er auf Diplomatie. Ihm sei bewusst, dass er damit in der Evangelischen Kirche zu einer kleinen Minderheit gehöre.

Für Frieden betet auch Pfarrer Fucker. Das Gebot "Du sollst nicht töten" gelte auch für ihn, sagt er. Der Marine-Reservist beruft sich auf die Bibel. Er zitiert Lukas 22,36, wo Jesus diejenigen, die keinen Geldbeutel oder keine Tasche haben, auffordert, ein Schwert zu kaufen. "Der christliche Glaube ist auch wehrhaft und steht für unsere freiheitliche Art zu leben."

Die freie Meinungsäußerung, der Schutz vor staatlicher Willkür und dass jeder so leben darf, wie er geschaffen ist, seien christliche Ideen. Wehrhaft zu sein, um Frieden zu sichern: So lässt sich nach dieser Lesart christlicher Glaube und Militärdienst an der Waffe vereinbaren. Zum Militärdienst überreden würde er jedoch niemanden. "Meine Aufgabe als Pfarrer ist es nicht, anderen Menschen meine Haltung vorzugeben, sondern andere Menschen darin zu unterstützen, eine eigene Haltung zu finden", sagt Fucker.