Ich schreibe diesen Blog von unterwegs. Der letzte Tag meines Urlaubs, bevor das Semester wieder losgeht. Ich habe nun fast zwei Wochen einige liebe Menschen mit dem Zug in ihren Städten, ihrem Zuhause und in ihren Kirchen besucht. Wir haben Wiedersehensfreude gefeiert. Erinnerungen geteilt. Kleine Abenteuer erlebt.
Ich habe Gebrechen gesehen und Sorgen gehört, eine Trennung begleitet und zwei neue Erdenbewohnerinnen begrüßt. Außerdem einen Gottesdienst mitgefeiert. Und einen queeren Gottesdienst besucht. Pfarrerin on the road.
Zwischendrin habe ich immer wieder innegehalten – denn dafür ist Urlaub ja auch da. Ich habe in mich gehorcht: Was und wer begegnet mir da gerade? Wo führt Gott mich hin? Was nehme ich mit? Was brauche ich gerade? Wozu diese Reise?
Gerne nehme ich auf Reisen einen ganz bestimmten Bibeltext mit, der mich begleitet. In Köln durfte ich mit einem Pfarrkollegen in seiner Gemeinde Gottesdienst feiern. Als Lesung wählte ich meinen Reisetext, aus dem 2. Buch Mose, passend zum Thema "Unterwegs sein":
„Der HERR zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie auf dem Wege zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. Die Wolkensäule wich nie von dem Volk bei Tag, noch die Feuersäule bei Nacht." (Verse 21–22)
Die zentrale theologische Botschaft von Exodus 13 ist: Alles Leben gehört Gott. Und Gott führt und begleitet sein Volk (Israel) sichtbar, auch auf Umwegen.
Unterwegs ist man ja fast immer im Leben, nicht nur, wenn man auf Reisen ist. Selten nimmt man dabei den direkten Weg. Und so hat Gott sein Volk nicht auf der kürzesten Route geführt – aus Sorge nämlich, dass sie sonst umkehren würden. Umwege schützen, auch wenn sie mühsam sind. Sie geben uns Zeit und zeigen uns vielfältige Perspektiven auf.
Für queere Menschen ist das Reisen oft doppelt codiert: als Sehnsucht nach Freiheit und als Suche nach sicheren Räumen. Exodus 13 erzählt von Zeichen, die daran erinnern, dass Befreiung möglich ist – Wolke am Tag, Feuer in der Nacht. Vielleicht brauchen wir heute solche Zeichen auf unseren Wegen: dass wir gesehen sind und begleitet sind – nicht allein sind.
"Unterwegs sein" bedeutet für viele queere Menschen, das Leben als Weg zu erfahren: nicht festgelegt, nicht immer angekommen, sondern im Werden, im Suchen, im Hoffen. Die Bibel erzählt immer wieder davon, dass Gott Menschen nicht im Stillstand, sondern auf dem Weg begleitet.
Das Volk Israel zieht durch die Wüste, ohne Landkarte, ohne sicheren Plan – aber mit der Zusage: Gott ist da. In der Wolkensäule am Tag, im Feuer bei Nacht. Das heißt: Gottes Nähe ist nicht an einen Tempel, an ein bestimmtes System oder eine fertige Identität gebunden. Gott zeigt sich unterwegs und zwar sehr eindeutig und sichtbar.
Für queere Menschen ist das eine befreiende Botschaft: Gott erwartet nicht, dass wir "fertig" oder "eindeutig" sind, bevor wir geliebt werden. Im Gegenteil: gerade in der Bewegung, im Suchen, im Mut, nicht den einfachen Weg zu wählen, zeigt sich Gottes Treue.
Vielleicht gleicht Gottes Begleitung eher einem queeren Regenbogen, der uns Licht schenkt inmitten der Wüstenwege, als einem fixen Gebäude, das uns einengt. Unterwegs-Sein bedeutet: Wir sind nie allein – und unser Werden ist kein Mangel, sondern ein heiliger Prozess.
Meine Urlaubsreise war toll. Gleichzeitig freue ich mich nun auf mein Zuhause in Wien. Meine (queere) Community. Und all die schönen Begegnungen, die ich in der Kirche im neuen Semester machen werde. Im Geiste also immer "unterwegs".