Leichte Sprache, keine leichte Sache

Nicole Papendorf ist Testleserin im Bremer "Büro für Leichte Sprache" und liest darin mit  mit den Behindertenpädagogen Petra Schneider und Volker Uhle
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Nicole Papendorf ist Testleserin im Bremer "Büro für Leichte Sprache" und liest darin mit mit den Behindertenpädagogen Petra Schneider und Volker Uhle. (Archivbild)
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Leichte Sprache, keine leichte Sache
Wie lässt sich Gottes Wort so übersetzen, dass wirklich alle es verstehen – ohne die Tiefe der biblischen Botschaft zu verlieren? In ihrem Blogartikel nimmt uns Britta Lauenstein mit in das Spannungsfeld zwischen Sprache, Theologie und Inklusion – und zeigt, warum Leichte Sprache nicht nur für Menschen mit Beeinträchtigungen, sondern für uns alle ein Gewinn sein kann.

Vor etwa 15 Jahren erschien "Die Weihnachtsgeschichte in Leichter Sprache", herausgegeben von der Lebenshilfe Bremen. Leichte Sprache, eine leicht verständliche Varietät der deutschen Sprache, war damals erst seit ein paar Jahren in Deutschland bekannt und wurde zunächst vor allem in der Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen angewendet. Das Ziel: maximale Verständlichkeit durch Reduktion der Wort- und Satzlänge, Verzicht auf Fach- und Fremdwörter und ein möglichst geringes vorausgesetztes Wissen. Schon bald merkten auch Menschen in kirchlich-diakonischen Arbeitsfeldern: Maximale Verständlichkeit – das wäre auch für Bibeltexte eine gute Idee. Der Deutsche Evangelische Kirchentag begann ab 2013, die Texte des Kirchentags nicht nur in einer Kirchentagsübersetzung, sondern auch in Leichter Sprache zu veröffentlichen. Weitere größere und kleinere Projekte unterschiedlicher Träger folgten bis hin zum Katholischen Bibelwerk mit seinen umfassenden Projekten "Evangelium in Leichter Sprache" und "Altes Testament in Leichter Sprache".

Ich selbst habe die Leichte Sprache durch den Kirchentag 2013 in Hamburg und meine ehrenamtliche Mitarbeit in einem der ständigen Ausschüsse des Kirchentags kennengelernt und war sofort fasziniert. Was für ein verlockender Gedanke, Bibeltexte allen verständlich zu machen! Doch schnell war klar: Gute Bibeltexte in Leichter Sprache sind keine leichte Sache. Mein Forscherinnendrang war geweckt und mündete nach zehn Jahren intensiver Recherche und Forschung in meiner Promotion an der Universität Paderborn.

In meiner Forschung habe ich untersucht, was dabei herauskommt, wenn besondere Texte wie Bibeltexte, Gotteswort in Menschenwort, überliefert, voller theologischer Implikationen, mit langer Tradition und Wirkungsgeschichte auf eine künstlich vereinfachte Version der deutschen Sprache mit festen Regeln und der Verpflichtung zu Einfachheit und Eindeutigkeit trifft.

Doch zunächst stellt sich die Frage: Warum sollte man sich dieser Aufgabe überhaupt zuwenden?

Der Gedanke, das Wort Gottes zu allen Menschen zu bringen, ist nicht neu (vgl. Psalm 147,15 und Apg 2,4). Von Anfang an war klar: Es ist notwendig und gewollt, Bibeltexte zu übersetzen. Das Evangelium der guten Geschichte Gottes mit den Menschen will und muss kommuniziert werden. Bibelübersetzungen bewegen sich dabei in jeder Variante (nicht nur in Leichter Sprache) zwischen den Polen Treue und Freiheit und sind – durch ihre menschlichen Übersetzenden und Überliefernden – immer auch fehlbar. Dem unverfügbaren Geist Gottes wird aber zugetraut, dass er die Wirkmächtigkeit des Wortes und den Offenbarungscharakter des Bibeltextes in jeder Sprache erhält.

Teilhabe am Evangelium als (Bildungs-)Aufgabe

Ernst Lange und Christian Grethlein prägten den Begriff der Kommunikation des Evangeliums in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts als zentrale Aufgabe der Verkündigung. Verbindet man die Kommunikation des Evangeliums mit "Teilhabe", dem wichtigsten Begriff aus der Inklusionsdebatte, ergibt sich der Begriff (und der Auftrag zur) "Teilhabe am Evangelium". Diese Teilhabe, die übrigens schon Paulus fordert (1 Kor 9,22.23), hat nicht nur biblische Wurzeln, sondern (er)fordert räumliche und verstehensmäßige Barrierefreiheit und sorgt durch Bildung für religiöse Sprach- und Entscheidungsfähigkeit. Sie ermöglicht Gemeinschaft und Raum für Spiritualität und lebt davon, dass alle daran mitwirken und nicht nur selbstbestimmt teilnehmen, sondern auch teilgeben. Bei all diesen Dimensionen der Teilhabe am Evangelium spielen Bibeltexte eine Rolle, im Besonderen in Bezug auf Bildung, Gemeinschaft und Spiritualität.

Um Bibeltexte allen Menschen nahebringen zu können, braucht es bei der Übersetzung eine Zielgruppenorientierung. Eine Methode, um auch Menschen zu erreichen, denen die Bibel neu ist oder deren Aufnahme- und Verstehensfähigkeiten begrenzt sind, ist die Elementarisierung. Das bedeutet, die Texte müssen auf ihre zentralen Wahrheiten hin befragt und auf das Wesentliche heruntergebrochen werden, um sie für die jeweilige Zielgruppe dann lebensrelevant in einem passenden Setting mit geeigneten Methoden zu vermitteln.

Leichte Sprache als Schlüssel

Leichte Sprache kann hier ein Schlüssel sein, Bibeltexte verstehbar und lesbar zu machen auch für Menschen, die bisher keine Chance hatten, mit der guten Botschaft, dem Evangelium und seiner Kraft in Berührung zu kommen. Leichte Sprache ist dabei kein Allheilmittel, sondern – nicht mehr aber auch nicht weniger – eine mittlerweile erprobte Möglichkeit, Menschen mit der Bibel neu oder endlich verständlich zu erreichen, zusätzlich zu den traditionellen Übersetzungen.

Die Antwort auf meine Forschungsfrage ist – alles andere als leicht: Es ist immer wieder eine Herausforderung, die Ansprüche, die sich aus der Besonderheit biblischer Texte und den Anforderungen an eine angemessene Übersetzung für die Zielgruppe ergeben, im Blick zu behalten. Bibeltexte in Leichter Sprache bewegen sich immer in Spannungsfeldern und Dilemmata zwischen Paternalismus und Partizipation, zwischen Treue und Freiheit, zwischen Wissen und Noch-Nicht-Wissen, zwischen Vereinfachung und Zumutung, zwischen Sonderwelt und Inklusion, zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Hört sich kompliziert an, aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Es ist herausfordernd, spannend, es macht Spaß und eröffnet neue Welten auch denen, die nicht zwingend auf Leichte Sprache angewiesen sind.

Bibeltexte in Leichter Sprache sind immer eine Einladung zum Gespräch – Ausprobieren lohnt sich!

PS: Dieser Text ist leider nicht in Leichter Sprache. Bei Interesse an einer Version in Leichter Sprache bitte bei der Redaktion melden.

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