Knapp daneben ist auch vorbei

Segnung homosexueller Paare in der römisch-katholischen Kirche
Knapp daneben ist auch vorbei
Ein Kommentar zur Öffnung der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in der römisch-katholischen Kirche von Katharina Payk.

„Längst überfällig“, „bei Weitem nicht genug“, „Segen zweiter Klasse“ … so oder so ähnlich lauteten viele Reaktionen in meinem Bekanntenkreis auf die Lockerung der Segnungsregelung der römisch-katholischen Kirche, die Mitte Dezember durch den Vatikan veröffentlicht wurde. Während das Papier Fiducia supplicans, übersetzt „das Flehende Vertrauen“, von den einen als Vorstoß in Richtung Gleichberechtigung angesehen wird, prangern die anderen die erneute Diskriminierung in dieser offiziellen Erklärung an.

Und leider zu Recht. Nachdem man 2021 von Rom aus noch einmal betont hatte, dass Homosexualität eine Sünde sei und jeglicher Segen für gleichgeschlechtliche Paare ausgeschlossen sei („Gott segnet nicht die Sünde und er kann sie nicht segnen.“), erklären die Männer im Vatikan nun ihren Gläubigen und der Welt, es gäbe zwei Formen des Segnens: von Gott persönlich und von Mensch zu Mensch. Dieser zweite, als Dank und Lobpreis beschriebene, Segen „von unten“ dürfe jetzt auch gleichgeschlechtliche Paare berühren. Nett ist das schon – und freilich ein Schritt, der die römisch-katholische Kirche einigen Zank und Zunder kostet. Die ersten hohen Geistlichen bemühen sich nämlich sogleich um ein erneutes Verbot der Segnung, so etwa der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der es sich nicht hat nehmen lassen, in der britischen Presse Jesus Christus als Homofeind zu inszenieren. Jesus wäre heutzutage für ein Eheverbot für Schwule und Lesben und würde dafür sogar ins Gefängnis gehen. Gegenüber solchen altväterischen Stimmen erscheint Fiducia supplicans natürlich wie ein Segen itself. Doch der Wortlaut des Papiers entlarvt die erneute Herabwürdigung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und queeren Lebens.

Denn homosexuelle Paare, selbst wenn sie staatlich verheiratet sind, werden nicht als ehewürdig angesehen und ihre Beziehung wird von der Kirche weiterhin als sündhaft verurteilt. Der Akt des Segnens gleichgeschlechtlicher Partnerschaften darf nämlich „von den kirchlichen Autoritäten nicht rituell festgelegt werden“, „um keine Verwechslung mit dem, dem Ehesakrament eigenen, Segen hervorzurufen“ und „nicht Teil eines liturgischen Ritus sein“ - beides wäre, so das Dokument, eine „schwerwiegende Verarmung“ des Segnens. Im Folgenden wird dann vor allem von Sünde und menschlichen Verwirrungen gesprochen – Begriffe, die schmerzlicherweise immer schon von Kirchen gerne in Verbindung mit gleichgeschlechtlicher Liebe und Sexualität gebracht wurden.

Fragt sich, ob das „flehende Vertrauen“ eine Anspielung auf den Wunsch der Kirchenmänner ist, dass sich die verirrten Homos durch das Gebet zu Gott nicht doch wieder auf den richtigen Weg bringen lassen?

Auch die Aussage des Papstes, dass das Papier vor allem dazu da sei, Homosexuelle in der Kirche willkommen zu heißen, ist beschämend – schließlich liebt oder lebt bereits ein großer Teil der römisch-katholischen Kirche homosexuell. Gut gemeint ist leider meist nicht gut gemacht. Ich hätte meinen katholischen Geschwistern einen größeren Move gewünscht. Letztlich führen „die guten Geistlichen“ die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare im seelsorglichen Rahmen ohnehin schon länger durch. Wozu gab es schließlich die Bewegung #segenfueralle.

Bei aller Freude über kleine Schritte sollte man jedenfalls die großen verletzenden Worte der Kirche(n) hinsichtlich der Verurteilung und Abwertung von homosexuell Liebenden nicht ignorieren oder gar wegreden. Knapp daneben ist nämlich auch vorbei.

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