Geschützter Wohnraum

Geschützter Wohnraum
Foto: Queer Base
Menschen auf der Flucht erleiden oft (Re-)Traumatisierungen. LGBTI-Geflüchtete sind dabei besonders vulnerabel. Katharina Payk sprach mit Marty Huber von "Queer Base", einem Verein, der Wohnraum für schwuLesBische und trans* oder intergeschlechtliche Geflüchtete erkämpft und anbietet.

Katharina Payk: LGBTI-Menschen, die verfolgt wurden und geflüchtet sind/auf der Flucht sind, gehören laut EU-Verordnung – anders als beispielsweise behinderte und schwangere Menschen - nicht in die Gruppe der „besonders schützenswerten“ Flüchtlinge. Sie leiden aber oft unter besonders schwerwiegenden Belastungen. Was ist die besondere Situation von geflüchteten Menschen, die inter*, trans*, lesbisch, schwul oder bi* sind?

Marty Huber: Für viele endet die Flucht nicht, wenn sie es nach Europa geschafft haben, denn oft wohnen sie in Asylunterkünften wieder mit Menschen aus ihren Herkunftscommunitys, vor denen sie geflohen sind, zusammen. Dies bedeutet, dass LGBTIQ-Geflüchtete wieder gezwungen sind, über ihre sexuelle Orientierung zu schweigen und ihre Geschlechtsidentität zu verbergen. Gerade für Transpersonen kann es zu massiven Problemen kommen, allgemein gesagt, gibt es immer wieder Mobbing, Übergriffe, Gewalt. Aufgrund homo- und transphober Übergriffserfahrungen haben viele Angst vor Behörden, Polizei und insbesondere vor Übersetzer_innen aus ihren Herkunftsländern. Eine große Sorge ist, dass diese die Geflüchteten in ihren Communitys outen.

Die "Queer Base - Welcome and Support for LGBTIQ Refugees" unterstützt LGBTI-Flüchtlinge u. a. damit, dass ihnen Wohnraum und eine Einbindung in die Community vor Ort gegeben wird. Was sind die besonderen Herausforderungen beim Finden von Wohnraum für diese Menschen?

Für LGBTIQ-Geflüchtete, die sich im Asylverfahren befinden, organisieren wir in Kooperation mit "Lares Wien", einem Wohnprojekt des Flüchtlingsdiensts der Diakonie, Wohnplätze in Wohngemeinschaften, die auf diese Gruppe ausgerichtet sind. Diese kleineren Wohneinheiten sind besonders wichtig, um einen gewissen Schutzraum unter Gleichgesinnten zu ermöglichen. Mit "Lares" haben wir derzeit ungefähr siebzig Plätze. Gemeinsam mit dem Verein "Tralalobe", der  u. a. unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten Schutz und Unterstützung bietet, betreiben wir zwei weitere Wohnungen für je fünf Personen. In diesen spezifischen Unterbringungen können Menschen, die durch Flucht und LGBTIQ-Zugehörigkeit besonders vulnerabel sind, ankommen und eine gewisse Sicherheit erlangen. Die Sicherheit, in der eigenen Sexualität oder Geschlechtsidentität nicht in Frage gestellt zu werden und sich nicht mehr verstecken zu müssen.

Wie finanziert sich das Projekt und wer macht alles mit?

Wir bekommen drei Vollzeitstellen, die auf fünf Personen aufgeteilt werden – finanziert durch den Fonds Soziales Wien. Ohne die kräftige Unterstützung unserer Spender_innen und aus der Community würden wir jedoch kein so vielfältiges Angebot bereitstellen können. Viele LGBTIQ aus der Community – manche mit und manche ohne Fluchterfahrung – engagieren sich freiwillig, kontinuierlich z. B. als Dolmetscher_innen, Rechtsberater_innen, Buddys, manche bieten Deutschkurse an, andere organisieren Solipartys oder Schwimm- und Basketballkurse usw.

Ihr arbeitet eng mit der Diakonie Österreich zusammen. Empfindest Du die Zusammenarbeit mit einer evangelischen Organisation irgendwie anders als z. B. mit städtischen Stellen?

In den letzten zwei Jahren haben wir einiges an verschiedenen Arbeitsweisen und Ansätzen kennengelernt und die Queer Base ist sicherlich auch eine sehr spezielle Organisation. Wir haben nach gegenseitigen strukturellen "Alphabetisierungen", im Austausch über verschiedene Arbeitsweisen, festgestellt, dass es um einen wichtige, verantwortungsvolle Erweiterung des Arbeitsfeldes geht. Dieses Verantwortungsbewusstsein ist bei fast allen Organisationen zu spüren, die in diesem Bereich tätig sind. Ich würde nicht sagen, dass es bei unseren Kooperationspartner_innen einen Unterschied macht, ob sie städtisch oder kirchlich organisiert sind. In Zusammenarbeit mit der Diakonie, Sozial- wie auch Rechtsberatung, haben wir festgestellt, dass es neben dem generellen Engagement eine hohe Bereitschaft gibt, sich auf neue Anforderungen einzulassen. Etwa anzuerkennen, dass sicherer Wohnraum für unsere Klient_innen bedeutet, erstmals in ihrem Leben einen Ort zu haben, wo sie Sexualität ausleben können.

Welche Rolle spielt Religion in eurer Arbeit? – Bei den geflüchteten Menschen, bei den Unterstützer_innen…?

Wir sind nicht nur vielfältig, was Sprachen und Herkunftsländer betrifft, sondern auch die Frage nach Religiosität, Religionsfreiheit und Freiheit von Religion spielt eine gewichtige Rolle. Kurz gesagt, es gibt nichts, was es nicht gibt: überzeugte Atheist_innen, Konvertit_innen, Frömmigkeit und regelmäßige religiöse Praxis ebenso wie eine bewusste Abwendung von Religion. Manchmal entsteht dadurch eine Konfliktzone, weil geopolitisch-religiöse Konflikte, moralische Vorstellungen, Anforderungen der Herkunfts-, Religions- und LGBTIQ-Communitys sich widersprechende Positionierungen einfordern. Z. B. unterstützen wir eine Transfrau aus Syrien, die ihren Hijab trägt, um einerseits ihrer Religiosität Ausdruck zu verleihen und eindeutig als Frau* wahrgenommen zu werden. In der LGBTIQ-Community stößt sie jedoch durch diese Sichtbarmachung als Muslima immer wieder auf Unverständnis. So bedeutet das Kopftuch für sie zum einen Schutz und zum anderen aber auch Exponiertheit. Wie wir damit umgehen, was wir lernen und was wir zu vermitteln versuchen, ist ein Grundverständnis für eine erwünschte und gefeierte Diversität, das Feiern von Weihnachten und Ramadan gehört ebenso dazu, wie die Queer Base auf der Regenbogenparade.

Kontakt: queerbase.at

 

Dr. Marty Huber ist Mitbegründer_in und Mitarbeiter_in der Queer Base.
Die Queer Base wurde mit dem Bruno Kreisky Preis für Verdienste um die Menschenrechte 2017 (Verleihung siehe Foto) sowie dem Dr. Alexander Friedmann Preis 2017 ausgezeichnet.

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