Der Blick schweift von hier oben in die Weite, bis ans Meer reicht er. Die ordentlich angelegt und gepflegten Beete laden zum Sortieren der Gedanken ein: Seit rund 400 Jahren kommen Päpste nach Castel Gandolfo, rund 30 Kilometer südöstlich von Rom in den Albaner Bergen gelegen, um hier die Sommerfrische zu genießen. Papst Franziskus verzichtete auf den Urlaub außerhalb Roms und hatte andere Pläne für die Gärten auf dem extraterritorialen vatikanischen Gelände. Nach seinen Wünschen wurde hier ein Ort für Nachhaltigkeit, Bildung und Verbindung zur Natur geschaffen.
Sein Amtsnachfolger, Papst Leo XIV., wird das "Borgo Laudato si’" am Freitagnachmittag feierlich eröffnen. Im zehnten Jahr nach der Veröffentlichung der gleichnamigen Umweltenzyklika aus Franziskus’ Feder, in der der am Ostermontag gestorbene Papst die ökonomische und moralische Dimension des Klimawandels thematisiert. Das Öko-Zentrum soll in erster Linie als Ausbildungs- und Arbeitsstätte für benachteiligte Menschen dienen. Aber nicht nur. Borgo, das bedeutet im Italienischen "Dörfchen". "Dieser Ort soll ein greifbares Vorbild sein", sagt Pater Emanuel Dorantes. Der gebürtige Mexikaner kommt von der Erzdiözese Chicago und ist der Verwaltungsdirektor des Projekts. "Das Borgo Laudato si’ möchte ein konkretes Zeichen der ökologischen Umkehr für die Menschheitsfamilie sein."
Im unteren Bereich des rund 55 Hektar großen Staatsgebiets des Vatikans wurde dafür nun eine Art Bildungszentrum errichtet. Ein kreisförmiger flacher Glasbau dient als Gewächshaus und bietet gleichzeitig Platz für Vorträge und Konferenzen. Die Schüler, Studierende oder Top-Manager aus aller Welt sollen hier lernen, was es heißt, verantwortungsvoll mit den Ressourcen der Erde umzugehen. Dafür wird das eigentlich dem katholischen Kirchenoberhaupt vorbehaltene Gelände weiter geöffnet.
Ausbildung zur ganzheitlichen Ökologie
Was die Besucher erwartet, ist auch von den Verantwortlichen nur schwer in Worte zu fassen. Kardinal Fabio Baggio erhielt von Papst Franziskus Anfang 2022 den Auftrag, sich ein Konzept zu überlegen. Kurz vor der öffentlichen Einweihung steht der Kardinal in dem sonnendurchfluteten Gewächshaus und fasst das Komplexe, so gut es geht, zusammen: Das Kerngeschäft sei das Zentrum für höhere Bildung, in der eine Ausbildung zur ganzheitlichen Ökologie angestrebt werde. Bereits 500 Kinder aus der Grund- und Mittelstufe haben in diesem Jahr verschiedene Workshops getestet.
"Hier im Gewächshaus erklären wir zum Beispiel, was eine widerstandsfähige Pflanze ist", sagt Baggio. Auch andere Aspekte wie das Thema Wasser und Wasserschutz könne man hier anschaulich machen. "Oder Fragen wie: Was ist Fotosynthese und warum ist sie wichtig? Was leistet die Pflanze in meinem Leben? Sprechen Pflanzen mit uns?" Kurse zur Pflege von Grünflächen zum Beispiel sind sogar Teil einer praktischen Berufsausbildung: 42 Personen hätten diese bereits durchlaufen und würden nun bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützt.
"Das sind vorrangig Menschen, die Erfahrungen mit häuslicher Gewalt oder mit Krieg gemacht haben, Menschen, die im Leben nicht viel Glück hatten, ihren Arbeitsplatz verloren und bereits ein Alter erreicht haben, in dem es schwierig ist, einen neuen zu finden", sagt Baggio. Auch ehemalige Drogenabhängige oder Häftlinge bekämen im Borgo eine neue Chance. Aber auch die Gewinner der Gesellschaft sollen in dem Konzept vorkommen. Manager sollen in Schulungen oder "Retreats" erfahren, wie im Borgo nachhaltige Wirtschaft gelebt wird und wie sich daraus Lehren für den Rest der Welt ableiten lassen.
Der zweite Schwerpunkt des Borgo, der mit dem ersten zusammenhängt, ist "die Schaffung einer generativen, zirkulären Wirtschaft", wie der Kardinal erklärt. So werde auf dem eigenen Weinberg bald der erste Vatikan-Wein produziert, auch Olivenöl und Kräutertees soll es geben. Ein Restaurant, das diese Produkte verarbeitet, soll entstehen und für alle offen sein. Auf 20 der 55 Hektar des Castel Gandolfo wird schon länger Landwirtschaft und Tierhaltung betrieben. Bislang waren die dort produzierten Lebensmittel dem Papst vorbehalten. Nun sollen alle nach Castel Gandolfo kommen und davon kosten können.