Barfuß in die kommende Welt

Barfuß in die kommende Welt
Das Jüngste Gericht ist nicht des Teufels, es ist Licht!

Wenn einer urplötzlich aus dem Leben gerissen wird und man alles, wirklich alles sichten, abwickeln und beenden muss, was ihm und zu ihm gehörte, von den Boxershorts bis zum letzten Bankauszug, schaut man auf einmal ganz anders auf die eigene Existenz.

Also weg mit altem Zeug, aufs Wesentliche konzentrieren, den Kern, die Mitte. Um beweglicher zu werden. Ballast abwerfen. Damit niemand eine Last damit hat. Und der Weg zum Himmel leichter wird.

Was macht mich denn aus? Was bin ich - und wer? Was ist wichtig und was zählt? Hab und Gut vielleicht? Was nützen all die Briefe, die Tagebücher von einst? Und wem, außer Voyeuren? Wozu die alten Fotos aufbewahren, von Menschen, die andere nicht kennen, von Menschen, die mir wichtig sind?

Ich möchte nicht, dass andere Bilanz über mein Leben ziehen, das doch meines ist und nicht ihres.

Ich habe genug hier auf Erden, an Dingen, an Büchern, an Spielen und Bildern. Ich bin ein glückliches Kind meiner Zeit. Ich brauche das meiste nicht mehr, die Gegenstände, die meinem Leben entgegenstehen.

Ich habe auch genug von Dingen, die bloß Dinge sind. Und von Wahrheiten, die keine sind. Ich habe genug von Regeln, die nicht Gott dienen, sondern der Kirche. Ich habe genug von Menschen, die so tun als ob. Die versprechen, da zu sein und es nicht sind. Die behaupten zu sehen und blind sind. Die meinen zuzuhören und doch nichts verstehen. Ich habe genug hier auf Erden.

So wie ich bin und auf leisen Sohlen will ich den Weg gehen in die kommende Welt. Barfuß, wenn’s geht, denn barfuß laufe ich am liebsten. Ich habe auch keine Angst vor dem jüngsten Gericht, von dem die Menschen so viel zu wissen meinen, so viel Furchterregendes zumal, von dem die Bibel aber sagt:

Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren.

Licht wird das Gericht bringen! Und nicht Finsternis.

Das letzte Gericht ist nicht des Teufels, ist weder Drohung noch Bedrohung. Ich fürchte mich nicht davor. Denn das letzte Gericht ist die Erlösung von der Furcht.

Kein Mensch, sondern der barmherzige Gott wird am Ende Bilanz über mein Leben ziehen. Ein Gott, der seine Versprechen hält, der da ist und zuhört und sieht, im Himmel und auf Erden. Sein Gericht wird zurechtrichten, was schiefgelaufen ist, wird geraderichten, was gebeugt wurde, wird aufrichten, was gebrochen ist.

Gott wird mich aufrichten.

Aufrechten Gangs und ohne Ballast will ich in die kommende Welt gehen, zu Gott, ins Licht. - Und auf einmal bekommt das Leitwort meines Lebens eine ganz neue Bedeutung: Mache dich auf, werde licht!

Dabei bin ich längst auf dem Weg. Aufrecht - und barfuß.

 

weitere Blogs

Eine Ordensschwester im Kongo wurde wieder freigelassen – weil der Bandenchef keinen Ärger wollte.
Ein mysteriöser Todesfall, das Mauern der Einheimischen und eine latente Homophobie begegnen einer lesbischen Pastorin bei ihrer Ankunft in einer ostdeutschen Kleinstadt. Aus der Großstadt bringt sie zudem ihre persönlichen Konflikte mit. Beste Zutaten für den Debütroman „In Hinterräumen“ von Katharina Scholz.
Nach 15.000 Kilometern und fünf Monaten ist Leonies Reise vorbei. Was bleibt? In ihrem letzten Blogbeitrag schaut sie auf ihre Erfahrungen zurück.