Und nichts als die Wahrheit

Und nichts als die Wahrheit
Die Medien sollen die Klappe halten, meint der Trumpsche Chefstratege. Die Nato zieht von Riga aus in den Kampf gegen russische Trollarmeen. Im rechtsfreien Raum Internet könnte mal jemand ein Schiedsgericht aufstellen. Ein alternatives, türkischsprachiges Medien ist in der Türkei schon wieder offline. Nicht einmal ARD-Buffet, die Zeitschrift, hat eine Zukunft.

Man kann ja pro Tag eigentlich nur eine Information aus dem Reich Trump, des Baumeisters ertragen, möchte man nicht ernsthaft in Betracht ziehen müssen, dass diese Erde bei der Wahl ihrer Bewohner besser mit den Dinosauriern gefahren wäre. (Obwohl...) Ich hatte gehofft, für heute hätten wir es bei diesem Video belassen können, das einem Besuch von ABC im Weißen Haus entnommen wurde und tatsächlich zeigt, dass Trump nicht nur Fotos seiner Vereidigung als Wandschmuck aufhängen ließ, sondern sich auch die Zeit nimmt, dem Reporter zu erklären, wie viele Menschen er darauf sieht („Look how far this is!“).

So enervierend argumentieren sonst nur Achtjährige, die mit der frisch rasierten Nachbarskatze garantiert nichts zu tun haben.

Doch Trumps Chefstratege Stephen Bannon sprach am Mittwoch mit der New York Times, und daher muss nun auch dieses Zitat hier Erwähnung finden:

„,The media should be embarrassed and humiliated and keep its mouth shut and just listen for a while,’ Mr. Bannon said in an interview on Wednesday. ,I want you to quote this,’ Mr. Bannon added. ,The media here is the opposition party. They don’t understand this country. They still do not understand why Donald Trump is the president of the United States.’“

Deutsche Übersetzungen haben Zeit Online und Meedia.

Dass Bannon so denkt, ist nur mittel überraschend. Die Schamlosigkeit, mi der er es ausspricht, irritiert aber doch. Hier hat sich eine Regierung also endgültig dazu entschlossen, die Welt in „Die gegen Uns“ einzuteilen, und wann solche Zuspitzungen zuletzt eine gute Idee gewesen wären, wüsste ich nicht. Doch für Journalisten gehört es zum Job, ihre Berichterstattung ohne Rücksicht auf die Meinungen und Befindlichkeiten amtierender Politiker durchzuziehen. Dass man mittlerweile in Erwägung ziehen muss, dass das in den USA irgendwann nicht mehr möglich sein könnte, ist das eigentlich Verstörende.

Fürs Erste können Medien jedoch davon profitieren, wenn Sie in die Frontenbildung einsteigen, wie die Medienkorrespondenz in ihrer aktuellen Ausgabe meldet:

„Im Vergleich zum Monat Januar 2016, als die Konkurrenz der Kandidaten um das höchste Amt im Staat so richtig in Gang kam, lagen die Einschaltziffern der Nachrichtensender nun während der ersten drei Wochen im Januar 2017 sogar beträchtlich höher. Dabei zeigt sich, dass es sich lohnt, unmissverständlich und pointiert Stellung zu beziehen. Das sonst immer an dritter Stelle stehende Network MSNBC verzeichnete einen Zuwachs um 36 Prozent, gefolgt von Fox News mit 24 Prozent. CNN, das stets um ausgewogene Berichterstattung bemüht ist, profitierte am wenigsten vom großen Interesse der Amerikaner am politischen Geschehen in Washington, legte aber immerhin auch noch um 15 Prozent zu.“

Happy times.

[+++] Um das nun in Gang gesetzte Festival der guten Laune gleich fortzuführen: Russische Trollfabriken sind in den Informationskrieg gegen den Westen gezogen, und dieser betreibt in Helms Klamm Riga mit dem „Nato Strategic Communication Centre of Excellence“ das Gegenprogramm, das „feindliche Medienoffensiven“ analysiert und „Regierungen bei der Entwicklung von Gegenstrategien“, berät, wie Cornelius Wüllenkemper heute auf der Medienseite der FAZ (0,45 € bei Blendle) nach einem Besuch vor Ort berichtet.

„Der StratCom liegen nach eigener Darstellung Beweise dafür vor, dass Russland in Deutschland verdeckt und konkret gegen die Bundesregierung agitiert, um etwa einen Kurswechsel bei der Sanktionspolitik der Europäer im Ukraine-Konflikt zu begünstigen. Konkrete Beispiele, in denen eine Beteiligung des Kremls nachgewiesen werden konnte, unterliegen aber leider der Geheimhaltung.“

Wie praktisch, zumal Teile der Antwort die Bevölkerung vermutlich verunsichern würden. Aber zum Glück braucht das dumm gehaltene Volk sich um Details auch gar nicht zu kümmern, denn die StratCom hat längst den Gegenangriff eingeleitet:

„Die Schlacht um die Wahrheit ist längst eröffnet, das legt auch ein Blick auf die Website der StratCom-Zentrale nahe. Dort ist davon die Rede, dass man mit strategischer Kommunikation ,Wahrnehmungen, Einstellungen und Verhalten’ der Öffentlichkeit im Sinne der politischen und militärischen Ziele der Nato beeinflussen wolle. Wo ist da der Unterschied zu den Methoden, die man angreift? (StratCom-Direktor) Janis Sarts hat darauf eine smarte Antwort: ,Der grundlegende Unterschied zwischen Propaganda und strategischer Kommunikation ist, dass unsere Arbeit auf Tatsachen beruht, dass wir ehrlich sind. Wir übernehmen die Verantwortung für das, was wir sagen. Wenn ich behaupten würde, dass wir die Öffentlichkeit nicht beeinflussen wollen, dann wäre das schlicht nicht glaubhaft.’“

Gute Trolle, schlechte Trolle. Müssen wir nur noch klären, wo die Nato eigentlich steht, solange eine USA unter Trump noch zu den Mitgliedern zählt. 

[+++] Mit diesem Wissen im Hinterkopf wirkt es noch ein bisschen niedlicher, dass es in Deutschland nun die doch vergleichsweise kleine Rechercheeinheit Correctiv mit den falschen Nachrichten bei Facebook aufnehmen möchte (zuletzt Altpapier vor einer Woche). Im aktuellen epd Medien (derzeit nicht online) präsentiert Karl-Heinz Ladeur, emeritierter Medienrechtler der Uni Hamburg, aber noch eine andere Idee:

„So wäre zu überlegen, ob nicht die weitgehende Haftungsfreistellung der Serviceprovider für die Verbreitung von Persönlichkeitsverletzungen davon abhängig gemacht werden könnte, dass sie zur Klärung von Rechtsstreitigkeiten zwischen Nutzern und Dritten jeweils einen auf Neutralität angelegten privaten ,Cyber Court’ als eine Art Schiedsgericht einrichten (...). Die ,Cyber Courts’ müssten unter Beobachtung der Resonanz ihrer - außer bei ganz offensichtlichen Rechtsverstößen - knapp zu begründenden Entscheidungen ihr Verfahrensrecht weitgehend selbst entwickeln. Dazu würde sicher auch ein Äquivalent zur einstweiligen Verfügung gehören, das sofort einsetzbar wäre.“

Zentral ist dabei für Ladeur, dass die Entscheidungen im Netz veröffentlicht und diskutiert würden:

„Das ist der eigentliche Witz des hier vorgetragenen Gedankens: Es muss nicht nur frei öffentlich kommuniziert werden können, sondern auch die Grenzen der Kommunikation müssen Gegenstand öffentlicher Verhandlung werden. Das ist auch in den klassischen Medien der Fall. Sonst würde ein Problem durch die Schaffung eines neuen Problems gelöst.“

Sollte der vermeintlich rechtsfreie Raum des Internets etwa dadurch entwildwestert werden, indem man dort ein Gericht aufstellt? Verrückte Idee. Doch auch bei ihrer Weiterverfolgung bliebe die Herausforderung, dass das Symptom Falschmeldung nicht in den Griff zu bekommen ist, solange die Ursache munter brodelt.

„Das Problem lässt sich nicht dadurch lösen, indem man Fake-News mit dem Staubsauger filtert und dabei riskiert, auch Satire und missliebige Meinungen zu entsorgen, sondern indem man Politik in einen Raum zurückführt, in dem der Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge sowohl sprachlich als auch inhaltlich geschärft wird. Trumps Aussagen sind als das zu begreifen, was sie sind: Fiktion“,

schreibt dazu Adrian Lobe in der Medienwoche.

Blöd nur, dass gerade keine moralische Autorität zur Hand ist, der wirklich alle die Unterscheidung von Wahrheit und Lüge abnähmen.

[+++] Um vor dem Korb nicht gänzlich unversöhnlich zu schließen, sei hier noch erwähnt, dass zumindest ein Medium dieser Tage einen Lauf hat: Meedia, auch bekannt als investigativer, Titelseiten-scannender Newsbreaker von Interviews der Illustrierten Stern (Altpapier am Mittwoch und Donnerstag). Dort hat man es gestern in bewundernswerter Art und Weise geschafft, das persönliche Thema der Woche immer weiterzudrehen, ohne sich vom Medien- zum Politikportal wandeln zu müssen.

Wir dokumentieren den zeitlichen Ablauf:

10.35 Uhr: „,Martin Schulz wird nicht Kanzler werden’: die Pressestimmen zum neuem Merkel-Herausforderer“

11.48 Uhr: „Der Hype um SPD-Hoffnungsträger Martin Schulz als Herdentrieb: Fehlt vielen Medien professionelle Distanz?“

11.52 Uhr: „,Ich war ein Sausack’: Kann Kanzlerkandidat Martin Schulz zur Überflieger-Marke werden?“

12.47 Uhr: „Populärster deutscher Politiker auf Twitter: Martin Schulz, der Social-Media-Kanzlerkandidat“

16.16 Uhr: „,Können Sie Kanzler?’: Martin Schulz bekommt großem Solo-Auftritt bei ,Anne Will’“

Die einen haben das RTL-Dschungelcamp. Meedia hat Martin Schulz.

Ich wünschte, wir lebten in Zeiten, in denen wieder solche Sachen Medienmedienprobleme wären.


Altpapierkorb

+++ Kaum online, schon bei seiner Zielgruppe in der Türkei nicht mehr erreichbar: So ergeht es dem Correctiv-Projekt Özgürüz (Altpapier am Dienstag), twitterte Markus Grill, schreibt Spiegel Online: „Der Journalist Dündar twitterte nach der Sperrung, er habe sich bereits gefragt, wann die Seite blockiert werde.“ +++

+++ Bei iRights info fügt Till Kreutzer der Klage von Springer gegen Focus Online wegen Abschreibens bei bild.de (Altpapier) noch eine neue Ebene hinzu: „Es sollte zudem nicht vergessen werden, dass sich auch Burda stark gemacht hat für das deutsche Leistungsschutzrecht für Presseverleger, das angeblich den Qualitätsjournalismus schützen sollte. Wenn dieses Recht so funktionieren würde, wie es die beteiligten Verlage ursprünglich einführen wollten, dann würde der Burda-Verlag mit seinen Übernahmen reihenweise dagegen verstoßen.“ +++

+++ Das ARD-Buffet-Magazin hat nach einer Klage des Bauer-Verlages und einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs keine Zukunft. „Die redaktionelle und wirtschaftliche Verantwortung für das Magazin liegt bei Burda. Der SWR hat aber über ein zwischengeschaltetes Tochterunternehmen die Markenlizenz an den Verlag vergeben. So ist auf dem Cover der Zeitschrift etwa das Logo des Ersten abgebildet. So entstehe dem Burda-Verlag ein unzulässiger Vorteil, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Büscher“, erklärt die dpa/Tagesspiegel. Auch DWDL und SZ berichten. +++

+++ Die Tatsache, dass am Mittwoch Frank Schirrmachers Twitter-Account ein Eigenleben entwickelte und u.a. einen Mariah-Carey-Remix retweetete, nutzt Johannes Drosdowski in der taz, um sich über Social Media nach dem Tod Gedanken zu machen. +++

+++ „Mit der „Emma“ verhält es sich so wie mit ihrer Chefin. Man liebt sie oder man hasst sie. Es gibt nicht viel dazwischen.“ Anne Burgmer im Kölner Stadt-Anzeiger zu 40 Jahren Emma. +++ Auf welcher Seite sich Teresa Bücker, Antje Schrupp oder Lady Bitch Ray wiederfinden, hat die taz abgefragt. +++

+++ Warum der spanische Medienkonzern Prisa (u.a. El País, insgesamt rund 10.000 Angestellte) den Internetverlag Titania (El Confidencial, 150 Angestellte) verklagt, und was die Panama-Paper und die Verstrickung des Prisa-Chefs darin damit zu tun haben, erklärt auf der Medienseite der SZ Thomas Urban. +++

+++ Dass die meisten Kommentare in den „Tagesthemen“ im vergangenen Jahr von Sigmund Gottlieb stammten, hat Anfang des Monats schon Übermedien festgehalten. Die aktuelle Ausgabe der Medienkorrespondenz ergänzt, dass 40,5 Prozent der zum Einsatz gekommenen 74 Personen weiblich waren, womit die höchste Frauenquote sei Beginn der Wetteraufzeichnungen erreicht wurde. +++ Des weiteren in der Medienkorrespondenz: Altpapier-Kollege René Martens über die diesjährigen Pläne von Arte: „Als eines der ambitioniertesten Arte-Projekte seit langem darf das werktägliche Reportage-Format ,Re:’ gelten, das ebenfalls am 13. März startet (Sendezeit: 19.45 bis 20.15 Uhr). ,In das Leben der Europäer eintauchen’ wolle man mit den ,Re:’-Reportagen, sagte Arte-Präsident Peter Boudgoust“. +++

+++ Einen Blick auf die Art und Weise, wie das Fernsehen in der Vergangenheit Zukunftsvisionen in Fiktion und Wissenschaft vermittelte, wirft im aktuellen epd medien (derzeit nicht online) Klaudia Wick, Leiterin der Abteilung Fernsehen in der Deutschen Kinemathek, wo derzeit eine Ausstellung über Science Fiction im Film läuft. +++

+++ „Weltmeister-Sein kann schon ein Fluch sein. Naserümpfen hin, Menschenwürde her, man kann das schon auch würd(i)gen: Thomas Häßler hat sich mit der Entscheidung für das Dschungelcamp seine eigene Form der Emanzipation von der weltmeisterlichen Fußballerkarriere gesucht.“ Ah ja, so kann man das also auch sehen. (Markus Ehrenberg/Tagesspiegel). +++

+++ Aus Wien kommt ein neues, vierteljährliches Gesellschafts-Magazin namens Punkt auch auf den deutschen Markt, über das es im österreichischen Standard so schön heißt: „Angesiedelt sei es zwischen den Magazinen ,Datum’ und ,Fleisch’.“ Die Verbreitung erfolgt gedruckt, doch eine schicke Website gibt es trotzdem. +++

+++ Über die Themenvielfalt Schweizer Medien schreibt beim EJO der Sozialforscher Jörg Schneider. +++

Das nächste Altpapier erscheint am Montag. 

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