Draußen vor dem Café Übrig in der Altstadt von Freising steht eine Tafel in der Sonne. Darauf ist das heutige Angebot zu lesen: Börek-Torte und Apfelkuchen. Wer das Lokal betritt, trifft auf Jens Aschenbroich, der im Vorstand des Vereins "übrig e.V." sitzt. Der zählt rund 150 Mitglieder und betreibt die Gastronomie.
"Uns geht es darum, die Einstellung zu Lebensmitteln zu verändern", sagt der 32-Jährige. Das Café Übrig ist den Angaben zufolge das erste Foodsharing-Café in Bayern, das Speisen aus geretteten Lebensmitteln umsonst anbietet.
Lebensmittelrettung ist keine neue Idee. Schon 2012 wurde in Berlin der Verein "Foodsharing" gegründet, der verhindern will, dass Nahrungsmittel weggeschmissen werden. "Jedes Jahr landen in Deutschland etwa 18 Millionen Tonnen Lebensmittel in der Tonne. Das entspricht 571 Kilogramm Lebensmitteln, die pro Sekunde verloren gehen", rechnet die Deutsche Umwelthilfe vor. Auch in Privathaushalten werde nicht alles Eingekaufte tatsächlich verzehrt: Etwa 78 Kilogramm pro Person und Jahr würden weggeworfen.
Tafeln geben 265.000 Tonnen Lebensmittel weiter
Seit Jahrzehnten sind auch die Tafeln bemüht, möglichst viele Lebensmittel zu verwerten. Rund 960 deutsche Tafeln versammeln 60.000 Ehrenamtliche hinter sich, die jährlich 265.000 Tonnen Lebensmittelspenden an sozial Benachteiligte ausgeben.
Die Foodsharing-Plattform, zu der auch das Café Übrig gehört, hat nach eigenen Angaben über 200.000 Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mittlerweile gibt es nicht nur sogenannte "Fairteiler"-Stellen, wo man die geretteten Lebensmittel abholen kann, sondern sie werden zu Speisen verarbeitet und umsonst angeboten - wie eben in Freising. "Dabei steht an erster Stelle das Ziel, die Verschwendung von Lebensmitteln bis zum Jahr 2030 zu halbieren und in der Folge zu beenden", heißt es auf der Homepage.
Verteilstelle im Café
Im Vorraum des Freisinger Cafés befindet sich ein Tresen, und dahinter stehen Uta und Karsten, die hier ehrenamtlich arbeiten, Kaffee kochen und das Tagesgericht ausgeben. Im hinteren Teil wartet ein gemütlicher Raum, an der Wand hängt ein Gemälde mit dem Maskottchen des Vereins: Eine maskierte Karotte, die auf einem Fahrrad Lebensmittel transportiert.
Der Verein arbeitet mit Supermärkten, Kantinen und Betrieben zusammen und holt die noch verwertbaren Waren ab. Die Lebensmittel werden an einer Verteilstelle im Café aufbewahrt und jeder kann sich einen Blumenkohl aus dem Regal oder einen Joghurt aus dem Kühlschrank holen. - ohne Nachweis der Bedürftigkeit.
Neu am Café Übrig, das seit Januar 2023 existiert, ist, dass die geretteten Lebensmittel zu Speisen verarbeitet werden. "Wir wollen die Idee, Lebensmittel mehr wertzuschätzen, damit in die Gesellschaft tragen", erklärt Jens. Er arbeitet im kaufmännischen Bereich und ist vor fünf Jahren aus dem Norden nach Freising gezogen. Seit zweieinhalb Jahren sitzt er im Vorstand des Vereins. Das Projekt finanziert sich aus Spenden, Fördergeldern und den Einnahmen aus dem Cafébetrieb.
Richtpreise für Getränke
Im Café selbst arbeiten vier Angestellte, drei davon auf Minijobbasis. Jeweils dienstags steht ein Koch am Herd und verarbeitet die Lebensmittel. Dazu gibt es auch Getränke. Ein aus vergorenem Brot gebrautes Bier etwa, oder einen "Kräuterspritz" mit Holundersirup, und natürlich auch Kaffee. Für die Getränke gelten Richtpreise, aber die Gäste können auch weniger oder eben mehr zahlen.
Das Café Übrig ist nicht der einzige Akteur in Freising, der überschüssige Lebensmittel verwertet. Auch in der Domstadt gibt es eine "Tafel", die von rund 90 aktiven Ehrenamtlern getragen wird. Der Verein existiert seit 2004 und versorgt wöchentlich bis zu 1.200 Menschen. Wer hier Lebensmittel abholen will, braucht allerdings einen Berechtigungsausweis. Konkurrenz zum Café Übrig gebe es nicht, sagt Jens Aschenbroich. Die Tafel habe bei der Verteilung übrig gebliebener Lebensmittel stets Vorrang.



