Gestern Abend noch bei Ulrike Simon in der Leipziger Volkszeitung gelesen, dass die Verleger und ihr Leistungsschutzrecht von Google gerne sechs Prozent des Umsatzes hätten und gedacht, dass man dem Text durchaus anmerkt, dass er in einem großen, deutschen Verlagshaus entstanden ist. (Ob dieser Eindruck trügt, lässt sich beim Thema LSR stets einfach an der Heftigkeit der Reaktion Stefan Niggemeiers ablesen, der in diesem Fall zum schnellen wie vernichtenden Urteil kam: „.@ulrikesimon Und das, was an dem Artikel nicht falsch ist, ist alt und längst bekannt“, Quelle: Twitter).
Heute Morgen nun zu der Meldung aufgewacht, dass acht europäische Zeitungshäuser, darunter die FAZ und die Zeit, gemeinsam mit Google die „Digital News Inititative“ gründen, in die Google 150 Millionen Euro einbringt, mit denen Ideen für den digitalen Journalismus gefördert werden sollen.
Fehlende Schnelllebigkeit kann man der Branche also nicht vorwerfen.
Doch was bringt die Verlage dazu, in dieser digitalen Nachrichteninitiative mit Google – sonst Datenkraken, nun Partner – zusammenzuarbeiten? Michael Hanfeld erklärt es bei faz.net wie folgt:
„Die ,Digital News Initiative’ zielt nicht auf eine wirtschaftliche Zusammenarbeit der Beteiligten, sondern auf Innovationen im digitalen Journalismus. Das Ziel sei es, ein ,nachhaltiges Ökosystem für Nachrichten’ zu schaffen, durch eine langfristige Zusammenarbeit und ,den Austausch zwischen Medienhäusern, Journalisten sowie Anbietern von Informationstechnologie’. Das Programm soll stetig ausgeweitet werden, ,jeder in der europäischen Nachrichtenbranche’ solle die Möglichkeit haben, ,an einzelnen oder an allen Elementen der Initiative’ teilzuhaben. Eine ,Produktarbeitsgruppe’ aus Vertretern europäischer Zeitungen soll zunächst Arbeitsaufträge formulieren mit Blick auf Nachrichtendienste, kostenpflichtige Angebote, Datenanalysen, Apps, Videos und Werbung. Von der daraus folgenden Entwicklung von Produkten soll ,die gesamte Nachrichtenbranche weltweit profitieren’ können.“
Die auffallende Vielzahl an Zitaten (wobei nicht ganz klar ist, woher sie stammen), mag der Tatsache geschuldet sein, dass der Text gestern Abend noch rasch auf die Seite musste, weil durchgesickert war, was eigentlich erst heute Vormittag verkündet werden sollte. Es könnte aber auch eine Art der Distanzierung sein.
Dafür spricht die schöne Formulierung, die FAZ-Digitalchef Mathias Müller von Blumencron bei Twitter gefunden hat: „Wir sind skeptisch optimistisch“, was klingt, als habe man sie einer bisher unbekannten Strophe dieses Gedichtes entnommen.
Man kann sich halt nicht immer aussuchen, mit wem der eigene Verlag gemeinsame Sache macht.
Dennoch fällt in Hanfelds Text kein negatives Wort über den neuen Partner. Etwas deutlicher gibt man sich bei der Zeit, wo bereits der Einstieg in den rasch aus Agenturmeldungen zusammengeklöppelten Text lautet:
„Der Internetkonzern Google startet einen Versuch, sein angespanntes Verhältnis zur Medienbranche verbessern.“
Was jedoch immer noch harmlos daherkommt im direkten Vergleich zu diesem Artikel von Jane Martinson beim Guardian:
„The Digital News Initiative is likely to be seen as an attempt by the company to improve its image after being accused of distorting internet search results and acting anti-competitively by European regulators two weeks ago. (...) In a speech in London on Tuesday morning, Carlo D’Asaro Biondo, head of Google’s strategic relationships in Europe, is expected to say: ,We recognise that technology companies and news organisations are part of the same information ecosystem and we want to play our part in the common fight to find more sustainable models for news. (...) We firmly believe Google has always aimed to be friend and partner to the news industry, but we also accept we’ve made some mistakes along the way.“
Woran sich zeigt, dass man die Absichten Googles bei der ganzen Sache nennen und dennoch bei der Initiative dabei sein kann.
Der Vollständigkeit halber sei dann noch die Meinung von jemandem zitiert, der sich wirklich an der Zusammenarbeit erfreut: Jeff Jarvis, der jedoch zu Beginn seines Artikels bei medium.com offenlegt, dass er Guardian und Google auf dem Weg zur Partnerschaft beraten hat.
Zu den vielen Vorteilen, die Jarvis in dem Pakt sieht (Google interessiert sich nun auch für die Inhalte, die es sonst nur blind verteilt/Google hilft den schnarchigen europäischen Verlagen auf die Sprünge/die wiederum ihre panische Angst vor Google überwinden etc.), gehört auch dieser hier:
„Google establishes new best practices — models for Facebook, Twitter, Amazon, et al to follow — in creating products that bring news publishers what they really need: not more anonymous traffic, but more information — more data — about their users and their content. The training I want to see from Google would educate not just journalists but also commercial staff in how to use that data to build and improve their services and their businesses, because that is Google’s real expertise.“
Das Unternehmen soll sich also bei den Firmen, die dem Datenkraken sonst Datenkrakenhaftigkeit vorwerfen, beliebt machen, indem es diese von den gesammelten Daten profitieren lässt.
Dass das im schnarchigen, datenschutzversessenen Europa wirklich als die Errungenschaft gefeiert wird, als die ein amerikanischer Googleversteher sie sieht, möchte man gerne verneinen. Doch es kann wohl nicht ausgeschlossen werden, dass die Verlage, die auf Medienseiten und vor Gericht Google bekämpfen, eben diesen Ansatz verfolgen.
[+++] Um an die Themen Google und Geld anzuschließen: Auf Seite 21 im Wirtschaftsteil der FAZ findet sich einer dieser Texte, den man dem Einstieg nach schon zu oft gelesen hat, weil er die Welt der Youtube-Stars als Paralleluniversum beschreibt. Doch danach geht es um das Millionengeschäft, das sich hinter vermeintlichen Homevideos mit Schminktipps und Computerspiel-Tests versteckt. Die Autoren Michael Ashelm und Julia Löhr haben dazu eine ganz spannende Theorie:
„Noch werfen die Online-Netzwerke keine Renditen ab. Die Frage ist auch, ob sie nach der intensiven Investitionsphase überhaupt in den schwarzen Bereich kommen. Trotzdem könnten sie als Geschäftsmodell funktionieren, wenn die Netzwerke vor allem als Träger für Bekanntheit genutzt und die Erlöse dann im Fernsehen, Kino oder woanders abgeschöpft werden.“
So viel Geld wie beim Fernsehen wird man bei Youtube nie verdienen können? Interessante These in Hinsicht auf die gestrige Meldung, dass die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung in Zukunft auch die Abrufzahlen bei Youtube bei ihrer Quotenmessung berücksichtigen möchte (wie das technisch funktionieren soll, steht bei DWDL) und die Schlussfolgerung, die Julia Weigl heute auf der Medienseite der SZ zieht:
„Für die AGF-Vorstandsvorsitzende Karin Hollerbach-Zenz ist die ,Einbeziehung von Marktteilnehmern jenseits der TV-Sender’ wichtig, um der ,Komplexität unseres Marktes gerecht’ zu werden und ,die Werbetransparenz weiter’ zu erhöhen. Es passt zu dem anderen aktuellen AGF-Vorhaben, auch Migranten als Mediennutzer zu erfassen. Dabei geht es jeweils um viel Geld: Im Jahr 2014 betrug der TV-Werbungsumsatz gut vier Milliarden Euro. Ob das so bleibt oder mehr von dem Budget in das Internet geht, dürfte auch von den neuen Messzahlen abhängen: von der neuen Bewegtbild-Währung.“
Vorsicht, Überleitung: Ein Sender, dessen Quoten auch ohne Konkurrenz aus dem Netz völlig baden gehen, ist Sat1. Auf der FAZ-Medienseite arbeitet sich heute Michael Hanfeld an einem völlig uninspirierten Programm ab.
„Lang ist das her, auch die beiden letzten Originale mit Identifikationspotential – Henning Baum in ,Der letzte Bulle’ und Annette Frier als ,Danni Lowinski’ – haben sich schon im vergangenen Sommer verabschiedet. Neue, andere Serien hat Sat.1 zwar produziert, aber schnell wieder aus dem Programm katapultiert oder erst gar nicht an den Start gelassen. So wurde das Loch groß und größer – in dem auch gerne die Geschäftsführer verschwanden. Doch wenn gar nichts mehr funktionierte, dann gab es ja immer noch die amerikanischen Serien.“
Dass nun ausgerechnet die FAZ sich darüber echauffiert, das Programm mit amerikanischen Serien aufzufüllen, nehmen wir mal als Schlusspointe. Weiter geht es mit dem
+++ Eine Frage, die wir uns, wie es aussieht, in den kommenden Jahren noch öfter stellen müssen: Sind Großereignisse in Staaten mit totalitärem Regime tatsächlich gut für die örtlichen Menschenrechte und die Pressefreiheit, so wie es Funktionäre und Politiker hierzulande gerne behaupten? Das Beispiel Baku beweist das Gegenteil, schreibt Stefan Niggemeier bei den Krautreportern. +++
+++ Von der Online-Serie „Do not track“ war hier schon die Rede. Heute erscheint die neuste Folge über Facebook, weshalb auf der Medienseite der FAZ Mit-Autor, Netzaktivist und Datenhandelsexperte Wolfie Christl zum Thema schreiben darf. Dass Facebook Daten sammelt, wissen die meisten. Dass man die Nutzer auch über Geräte-Grenzen hinweg verfolgt und es durch geschicktes Kombinieren von Cookies, Facebookaccounts und Kundenkarten gelingt, eindeutige Nutzerprofile anzulegen, schreibt Christl. „So entsteht ein weltweites Netzwerk an Datensammlern, dem wir fast nicht mehr entkommen können. Ob online oder offline, ob mit dem Computer oder dem Smartphone, ob Studentin oder Rentner – Facebook weiß, was wir machen, und macht dieses Wissen zu Geld. Und ob es nur bei personalisierter Werbung bleibt?“ +++
+++ Zwischen viel Text versteckt wagte sich die türkische Tageszeitung Cumhuriyet, Mohammed-Karikaturen abzudrucken, um ihre Solidarität gegenüber den Kollegen von Charlie Hebdo auszurücken. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten, schreibt Cigdem Akyol heute in der NZZ: „Weil ein wütender Mob in die Redaktion eindringen wollte, mussten die umliegenden Strassen tagelang abgesperrt werden. Heute noch bewachen schwerbewaffnete Sicherheitsleute das mit einem Zaun gesicherte Gebäude. Nun drohen Karan und Çetinkaya bis zu viereinhalb Jahre Haft.“ +++
+++ Außerdem heute in der NZZ: Der Wunsch nach Eskapismus ist so weit gediehen, dass die Nachfrage nach Ausmalbüchern für Erwachsene steigt. +++
+++ Dass Zeitungen dienstags ihre Leser zur Kasse bitten, hat mittlerweile Tradition. Damit die Offenlegung, die an dieser Stelle nun fällig wird, in angemessen offensichtlicher Art und Weise daherkommt, müsste man sie eigentlich in Großbuchstaben verfassen. Doch da ich niemanden anschreien möchte, heißt es nun bloß: Die Prenzlauer Berg Nachrichten, um die es nun gehen wird, habe ich mitgegründet. Nun wechseln sie das Erlösmodell. Was gestern schon hier und am Wochenende im Tagesspiegel angeklungen ist, kann man sich nun auch auf der dazugehörigen Kampagnenseite anschauen: Statt Werbekunden sollen in Zukunft die Leser die Redaktion finanzieren. Ob’s klappt, wissen wir am 29. Mai. +++
+++ Wer immer schon mal wissen wollte, wie amerikanische Comedians es schaffen, lustige Fernsehausschnitte zusammenzustellen: Sie haben digitale Hilfe in Form einer Suchmaschine, die das Fernsehprogramm nach Begriffen scannt, schreibt Hakan Tanriverdi auf der SZ-Medienseite. +++
+++ Am Wochenende wurden in Amsterdam die World Press Photo Awards verliehen. Gunda Schwantje portraitiert heute in der taz mit Mads Nissen einen der Gewinner und dokumentiert dabei auch gleich die Veränderungen in der Branche. „,Wir nutzen alles, was wir zur Verfügung haben, um visuelle Geschichten zu erzählen: iPhones, traditionelle Hasselblad-Kameras, Video, Audio. Wir recherchieren unsere Themen selber, schreiben selbst und wir fotografieren, in Schwarz-Weiß oder in Farbe.’ Fotografen wie Nissen arbeiten immer öfter auch in eigenem Auftrag.“ +++
+++ Zum 20. Geburtstag schenkt sich SuperRTL ein Kinder-Netflix. Davon – und vom Kinderfernsehen im Wandel der Zeit – erzählt Geschäftsführer Claude Schmit im Interview mit Thomas Gehringer im Tagesspiegel. Auch mit DWDL hat er darüber gesprochen. +++
+++ „Dass aus geschriebenen Worten im Netz schnell Taten werden können, erlebte auch ein Nutzer von tagesspiegel.de, der dort häufig Artikel kommentierte und mitdiskutierte. Für seine politische Einstellung wurde er auch in anderen Online-Foren beschimpft und beleidigt. Vor einigen Wochen kam er nach Hause, seine Wohnungstür war mit einer politischen Parole beschmiert – wohl von denselben Leuten, die ihn zuvor auch im Netz beschimpft hatten.“ Mehr über das, was wir mal als Trollen kannten und heute offenbar als Hate Speech firmiert, schreibt Maria Fiedler im Tagesspiegel. +++ Wo man ebenfalls erfährt, dass nach den Politikern auch Menschen mit religiösem Hintergrund raus aus den ZDF-Fernsehrat sollen – zumindest, wenn es nach der Umfrage der (was es alles gibt) Forschungsgruppe Weltanschauungen geht. +++
+++ Der Springer-Verlag hat sich für seine B.Z. einen kleinen, animierten Erklär-Bär zugelegt, der mit gruseliger Elektrostimme z.B. die Pflanzung von zwei Bäumen in Berlin kommentiert. Solche verzweifelten Versuche, Anschluss an das Internet zu bekommen, erwartete man sonst eher von einem abgeschiedenen Kleinstverlag im Schwarzwald. Wer, wie ich, eine Zeitlang die dadaistischem Pressemitteilungen der Berliner Piraten unter der Führung Christopher Lauers gelesen hat (“Ich fordere die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag hiermit auf, den Bundesnachrichtendienst unverzüglich aufzulösen.”), kann darin aber auch einen ersten ironischen Aufschlag des neuen Chefs für strategische Innovationen erkennen. +++
+++ Das Red Bull Media House verlängert sein Fernsehmagazin „Bergwelten“ mit einem gleichnamigen Magazin an den Kiosk. Karoline Meta Beisel hat es für die SZ gelesen und meint: „Ob es all das nun wirklich braucht auf dem an Angeboten eh schon nicht armen Zeitschriftenmarkt für Bergsportler? Vermutlich nicht. Andererseits: Die Nacht im müffelnden Schlaflager braucht eigentlich auch niemand. Und trotzdem sind die Hütten plötzlich brechend voll.“ +++
Neues Altpapier gibt es morgen wieder.