Miriam Nantcha ist katholisch aufgewachsen, hat sich aber nie wirklich für den Papst interessiert. Nur ihre Oma sprach ständig über ihn. Das hat sich geändert, als die jetzt 23-Jährige als Ministrantin nach Rom reiste: Der damalige Papst Franziskus sprach Italienisch, "ich habe kaum etwas verstanden und trotzdem hat es mich sehr beeindruckt, ihn auf dem Papamobil zu sehen." Sie begann, sich näher mit dem Kirchenoberhaupt zu befassen. "Ich wusste als Kind gar nicht, dass er der Nachfolger Petrus ist, der die Menschen Richtung Jesus, Gott und Kirche bringen soll." Mittlerweile halte sie den Papst als unentbehrlich für die Einheit der römisch-katholischen Kirche.
Seit 8. Mai ist der aus den USA stammende Leo XIV. Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken weltweit. Nun reisen die wenigsten jungen Katholiken nach Rom. Das Papstamt bleibt für viele unnahbar. Laut der sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) durch die Evangelische Kirche in Deutschland - an der sich auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz beteiligte - wählen nur sechs Prozent der katholischen Kirchenmitglieder das Papstamt als die kirchliche Ebene, mit der sie sich am stärksten verbunden fühlen.
Das betrifft nicht nur die jüngeren Generationen. Jedoch werde in ihnen die Distanz zur Kirche immer größer, sagt der Theologe Tobias Kläden von der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral. "Religion und Kirche haben immer weniger Bedeutung für die Menschen im Alltag. Gerade junge Menschen beten weniger, lesen weniger in der Bibel und gehen seltener in den Gottesdienst."
Es gebe jedoch einen Gegentrend, so Kläden. "Das Konklave in diesem Jahr hat meiner Erinnerung nach noch mehr und noch positiveres Interesse hervorgerufen als 2013 zur Wahl von Papst Franziskus. Vielleicht ist es gerade das Geheimnisvolle, das Nicht-Transparente im Ritual des Konklaves, das auch junge Menschen als interessant empfinden, als Gegenströmung zur modernen Rationalität und Nüchternheit."
Mara Klein, U-30 Mitglied des Synodalen Ausschusses im katholischen Reformprozess Synodaler Weg, vermutet ebenfalls, dass der momentane Zeitgeist, auch unter jungen Menschen, eine Sehnsucht nach festen Ritualen auslöst: "Diese Eindeutigkeit ist für viele sehr attraktiv in einer Zeit, in der alles so unsicher ist." Zudem stünden die katholische Kirche und das Papsttum auch für Werte, für die sich vor allem junge Menschen einsetzten, wie Frieden, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit.
"Ein absoluter Monarch"
Dennoch handle es sich bei dem Papst um einen absoluten Monarchen, kritisiert Klein. "Das Fehlen von Gewaltenteilung und Transparenz ist reformbedürftig." Von Papst Franziskus sei Klein, trotz dessen moderaten Kurses, auch enttäuscht gewesen. "Er hat zutiefst queerfeindliche Aussagen getätigt."
Der ehemalige Papst bezeichnete die "Gender-Theorie" als ideologischen Kolonialismus. "Das ist extrem gefährlich für viele Menschen überall in katholischen Gebieten, weil das eine Rechtfertigung für weiterführende Gewalt ist." Klein setzt sich als nichtbinäre trans* Person für die Rechte von queeren Menschen in der katholischen Kirche ein: "Vom neuen Papst wünsche ich mir mehr Bewusstsein für die Lebensrealität queerer Menschen, damit sie sicher und gleichberechtigt an Kirche teilnehmen können."
Auch Nantcha hat Erwartungen an den neuen Papst Leo XIV.: "Dadurch, dass Prevost zwar US-Amerikaner ist, aber auch Peruaner, hoffe ich, dass er nicht nur eine europäische und westliche Kirche vertritt, sondern auch eine der anderen Hälfte der Welt." Die Eltern der 23-Jährigen kommen aus Kamerun, "deshalb ist es mir wichtig, dass der Papst zum Beispiel auch Afrika nicht aus den Augen verliert".
Mit Gleichaltrigen spreche Nantcha kaum über das Kirchenoberhaupt. Das könnte sich durch Leo XIV. ändern. Prevost sei wegen seines Hintergrunds für junge Menschen zugänglicher als seine Vorgänger. "Dass sein Bruder ihn öffentlich neckt, damit kann ich mich identifizieren. Das zeigt, dass er ein normaler Mensch ist, einer von uns."