Papst kritisiert Gleichgültigkeit von Christen gegenüber Armen

Papst Leo XIV.
Domenico Stinellis/AP/dpa/Domenico Stinellis
In einem vom Vatikan veröffentlichten Papier kritisiert Papst Leo XIV. die Gleichgültigkeit von Christen gegenüber armen Menschen.
Vatikan publiziert "Dilexi te"
Papst kritisiert Gleichgültigkeit von Christen gegenüber Armen
In seinem ersten größeren apostolischen Schreiben knüpft Papst Leo an den Schwerpunkt seines Vorgängers Franziskus an und stellt die Nächstenliebe gegenüber armen Menschen in den Fokus. Viel Raum widmet das Kirchenoberhaupt dem Thema Migration.

Papst Leo XIV. hat in seinem ersten größeren apostolischen Schreiben eine Gleichgültigkeit mancher Christen gegenüber den Armen und Ausgeschlossenen beklagt. In einigen christlichen Bewegungen und Gruppen lasse sich ein "mangelndes oder gar fehlendes Engagement für das Gemeinwohl der Gesellschaft und insbesondere für die Verteidigung und Förderung der Schwächsten und Benachteiligten" feststellen, schreibt der Papst in dem Dokument "Dilexi te" ("Ich habe dich geliebt"), das der Vatikan am Donnerstag veröffentlichte.

Weiter betont der Papst die "untrennbare Verbindung zwischen unserem Glauben und den Armen". Auch Christen ließen sich oft von "weltlichen Ideologien oder politischen und wirtschaftlichen Orientierungen" anstecken, die zu ungerechten Verallgemeinerungen und abwegigen Schlussfolgerungen führten, kritisiert er.

Die päpstliche Ermahnung (Exhortation) über die Liebe zu den Armen wurde noch von Papst Franziskus begonnen. Sein Nachfolger Leo hat sie nun fertiggestellt. "Dilexi Te" ist die Fortsetzung von "Dilexit Nos" ("Er hat uns geliebt"), der letzten Enzyklika des zu Ostern gestorbenen argentinischen Papstes über das Herz Jesu.

Papst Leo mache "mit diesem Dokument deutlich, dass er den von seinem Vorgänger eingeschlagenen Weg der Kirche einer verstärkten Zuwendung hin zu den Armen und Benachteiligten weitergeht", erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, in einer ersten Reaktion. Dennoch habe der neue Papst die Ausführungen mit entscheidenden Akzenten und einer eigenen Handschrift versehen. "Ich bin Papst Leo dankbar für seine deutlichen Worte, in denen ich sowohl seine US-amerikanische Herkunft als auch Einflüsse aus seinem Wirken in Lateinamerika und Rom und seine monastische Prägung als Augustiner erkenne."

Auf den 30 Seiten von "Dilexi Te" analysiert der gebürtige US-Amerikaner Robert Francis Prevost, der am 8. Mai zum Nachfolger von Papst Franziskus gewählt worden war, die "Gesichter der Armut". Zu Beginn des 121 Punkte umfassenden Textes wird ein "Mentalitätswandel" gefordert. Die Illusion, dass ein Leben in Wohlstand glücklich macht, führe viele Menschen zu einer Lebenseinstellung, die auf Reichtum und sozialen Erfolg um jeden Preis ausgerichtet sei, "auch wenn dies auf Kosten anderer geschieht", schreibt Papst Leo.

"Regierungserklärung auf der Seite der Armen"

Viel Raum widmet Leo dem Thema Migration. Die Kirche begleite wie eine Mutter jene, die unterwegs sind. "Wo die Welt Bedrohungen sieht, sieht sie Kinder; wo Mauern gebaut werden, baut sie Brücken", heißt es in "Dilexi Te". Die Kirche wisse, dass "in jedem zurückgewiesenen Migranten Christus selbst an die Türen der Gemeinschaft klopft".

Bätzing sieht in den Ausführungen Leos keine Einmischung in konkrete politische Fragen. "Weder kritisiert er expressis verbis einzelne nationale Maßnahmen, die getroffen werden, um Migranten abzuweisen oder abzuschieben, noch empfiehlt er bestimmte Vorgehensweisen", sagte der Limburger Bischof.

Als einen "politischen Text", der sehr konträr zur aktuellen US-amerikanischen Politik sei, interpretiert hingegen die Reformbewegung "Wir sind Kirche" das päpstliche Schreiben. Der Text stelle eine "herausfordernde Grundlage für die vielen anstehenden und synodal zu treffenden Richtungsentscheidungen" dar, "vor der nicht nur der Papst, sondern die gesamte römisch-katholische Weltkirche, ja die Menschheit steht", heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) bezeichnete das Schreiben als eine "Regierungserklärung auf der Seite der Armen". "Papst Leo schärft das Programm für sein Pontifikat", sagte die Präsidentin der Laienorganisation, Irme Stetter-Karp. "Ich erwarte, dass er damit sehr konkret auch jene Hälfte der Menschheit stärken wird, die in der Kirche noch immer auf Gleichberechtigung wartet: die Frauen."