Ab in die Tonne - Containern

"Containern" aus Mülltonnen
© epd-bild/Valeska Rehm
Beim "Containern" kann man Lebensmittel retten, die oft noch in einem guten Zustand sind. Doch die Rettungsversuche sind nicht legal.
Verschwendung von Lebensmitteln
Ab in die Tonne - Containern
Lebensmittel werden teurer, dennoch landen jährlich elf Millionen Tonnen im Müll. Aktivist:nnen wollen mit "Containern" Lebensmittel retten. Die Ware sei oft noch in einem guten Zustand - doch die Rettungsversuche sind nicht legal.

Spät abends, wenn es dunkel ist und die Supermärkte bereits geschlossen haben, kommen sie zum Vorschein: die selbst ernannten "Lebensmittelretter". Ihre Aktivität ist als "Containern" bekannt.

Containern kommt aus dem Englischen und beschreibt das Entwenden von Lebensmitteln aus Mülltonnen von Einkaufsläden. In der Gesellschaft stoßen die "Tonnentaucher" weitgehend auf Akzeptanz: Bei einer Umfrage des Meinungsforschers Civey gaben 81 Prozent der Befragten an, dass ihrer Meinung nach das Containern straffrei sein sollte.

Nach Angaben des Bundesernährungsministeriums werden in Deutschland jedes Jahr elf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Dabei entstehen sieben Prozent des Abfalls im Handel.

Gerade in Zeiten steigender Lebensmittelpreise und überlasteter Tafeln sehen sich viele Menschen regelrecht zum Tonnentauchen aufgefordert. Eine von ihnen ist Stella. Die 26-jährige Filmstudentin betreibt das Containern seit zwei Jahren. "In meiner neuen WG hat man mir den Tipp gegeben, dass man beim Großmarkt hier um die Ecke mittwochs und samstags so viel holen könne, dass sich damit gut kochen lasse", sagt sie.

Die Münchnerin erzählt von ihren Streifzügen: "Die Ausbeute war teilweise riesig. Von trockenen Sachen wie Mehl und Marken-Müslis, über teuren Kaffee-Sirup bis hin zu frischem Gemüse in rauen Mengen." Man müsse lediglich ab und zu eine faule Stelle wegschneiden. Das Gemüse waschen sie zu Hause in der Badewanne.

Die beste Ausbeute bisher war "eine ganze Kiste voller reifer Avocados". Durch das Containern kann die Filmstudentin auch Lebensmittel probieren, die sie sich sonst nicht leisten könne, wie Ingwer-Shots oder teure Smoothies. "Vor einem Jahr haben wir 20 Säcke Gourmet-Kaffeebohnen gefunden. Wir mussten bis heute keinen Kaffee mehr für die WG kaufen", sagt sie.

Auch Rentnerinnen containern

Durch ihr Hobby lernt sie Gleichgesinnte kennen. "Ich treffe hier ab und zu auf eine Gruppe von Rentnerinnen, die ebenfalls containern. Das ist immer wieder eine lustige Begegnung."

Das Containern sei eine richtige WG-Tradition geworden. "Wenn wir Auberginen und Paprika haben, kochen wir am nächsten Tag Ajvar ein. Wenn wir ein paar Packungen Toastbrot finden, machen wir ein großes Frühstück." In ihrem Umfeld containern viele, sagt Stella.

"Man kommt in einen richtigen Rausch"

In den zurückliegenden Monaten sei das jedoch schwieriger geworden. Der Supermarkt in München, bei dem sie immer containert hat, lässt neuerdings nach Ladenschluss sofort die Tonnen leeren. "Früher hatten sie immer die Tore offen. Wir hatten nie das Gefühl, dass eine Anzeige gestellt werden könnte, da nichts abgeschlossen war. Alles sah sehr offen und einladend aus."

Stella sagt: "Man kommt in einen richtigen Rausch, weil man sich sagt: Ich habe gerade Hunderte von Euro an Lebensmitteln gerettet." Im Laden denke sie sich oft: "Und dafür soll ich Geld ausgeben, wenn ihr das heute Abend doch eh' wieder rausschmeißt?"

Containern ist nach Paragraf 242 Strafgesetzbuch strafbar. Das Bundesjustizministerium erklärte jedoch auf Anfrage: "Lebensmittel aus Müllcontainern zu nehmen, ist nach geltender Rechtslage nur in seltenen Fällen eine Straftat." Zudem würden Diebstähle geringwertiger Sachen in der Regel nur nach einem Strafantrag verfolgt.

Ein Sprecher von Edeka Südwest sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), schon aus wirtschaftlichen Gründen habe das Großhandelsunternehmen Interesse daran, die Menge überschüssiger Lebensmittel so gering wie möglich zu halten. "Trotzdem kommt es vereinzelt vor, dass Lebensmittel entsorgt werden müssen." Die Abfallcontainer der Edeka-Märkte seien in der Regel abgesperrt und nicht öffentlich zugänglich.