Kirche muss Missbrauchs-Betroffene angemessen beteiligen

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig
© epd-bild/Christian Ditsch
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sieht bei den Kirchen weiterhin Verbesserungsbedarf bei der Aufarbeitung von Fällen sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Auch der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm ist unzufrieden mit der Aufarbeitung kirchlicher Missbrauchsfälle.
Missbrauchsbeauftragter Rörig
Kirche muss Missbrauchs-Betroffene angemessen beteiligen
Wie stark Betroffene an der Missbrauchs-Aufarbeitung in der evangelischen Kirche künftig beteiligt werden, ist noch unklar. Für den Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung ist das allerdings der zentrale Punkt.

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, dringt auf eine verlässliche Beteiligung Betroffener an der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) habe zwar schon wichtige Schritte hin zur Aufarbeitung unternommen. Aber um unabhängige Aufarbeitung und sensible Betroffenenbeteiligung erreichen zu können, sei ein noch viel stärkeres Engagement erforderlich, betonte Rörig kurz vor Beginn der Jahrestagung der EKD-Synode am 7. November. Seitens der EKD müssten noch mehr Ressourcen und auch Zeit investiert werden.

Für Rörig ist die Klärung der Standards für Betroffenenbeteiligung eine Voraussetzung für die Unterzeichnung einer "Gemeinsamen Erklärung", über die er seit längerem mit der EKD verhandelt. "Sie ist nur dann möglich, wenn die Betroffenenbeteiligung, die für einen erfolgreichen Aufarbeitungsprozess zentral ist, qualitätsgesichert gewährleistet werden kann", sagte Rörig. In einer solchen Erklärung sollen verbindliche Kriterien für eine transparente und betroffenensensible Aufarbeitung in den 20 evangelischen Landeskirchen festgehalten werden.

Im Frühjahr hatte der Rat der EKD den im Herbst 2020 berufenen Betroffenenbeirat ausgesetzt. Grund dafür waren interne Unstimmigkeiten über die Rolle der Betroffenen in der Aufarbeitung und finanzielle Ressourcen. Mehrere Mitglieder waren deswegen zurückgetreten. Die einseitige und überraschende Aussetzung des Betroffenenbeirats habe zu einer enormen Störung der Verhandlungen mit der evangelischen Kirche geführt, sagte Rörig. Er sprach von einer "einseitigen Machtausübung".

"Nicht gelungen, Vertrauen wiederzugewinnen"

Auch der scheidende EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm ist unzufrieden mit dem Stand der Aufarbeitung kirchlicher Missbrauchsfälle. "Wir haben es versucht. Aber ich bin trotz aller Anstrengungen und allem Erreichten nicht zufrieden mit dem Ergebnis", sagte Bedford-Strohm dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland".

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Heinrich Bedford-Strohm ist "trotz aller Anstrengungen und allem Erreichten nicht zufrieden mit dem Ergebnis" der Missbrauchs Aufarbeitung in der Kirche.

Die EKD habe einen elf Punkte umfassenden Plan gegen sexualisierte Gewalt aufgestellt und sei ihn Schritt für Schritt gegangen, erklärte der bayerische Landesbischof. "Dennoch ist es uns nicht gelungen zu vermitteln, dass wir das konsequent tun, und es ist uns vor allem auch nicht gelungen, das Vertrauen wiederzugewinnen, das verloren gegangen ist." Der Umgang mit den Missbrauchsskandalen ist auch Thema bei der EKD-Synode in Bremen, bei der Bedford-Strohm sein Amt nach sieben Jahren abgeben wird.

Rörig betonte, es gebe wohl keine größere Herausforderung für Betroffene von sexuellem Missbrauch, als sich an einem Aufarbeitungsprozess der Institution zu beteiligen, die Traumata verursacht habe und in der ihnen viel Leid zugefügt worden sei. Die Basis für eine gelingende Betroffenenbeteiligung könne daher nur gegenseitiges Vertrauen und eine starke strukturelle und persönliche Unterstützung der mitwirkenden Betroffenen bilden. Rörig, der im kommenden Jahr das Amt als Missbrauchsbeauftragter abgeben wird, schloss sich dem Vorschlag der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt an, einen Unabhängigen Beauftragten zu bestellen, der sich mit einem eigenen Team auf das Gelingen von Betroffenenbeteiligung und Aufarbeitung konzentrieren könne.