"Gemeinsames Wort": Kirchen äußern Sorge um Demokratie

Der Reichstag in Berlin durch eine Glaskugel betrachtet.
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Was fordert unsere Demokratie heraus und wie können wir vorgehen? Die evangelische und katholische Kirche wollen diese Fragen beantworten helfen.
"Gemeinsames Wort": Kirchen äußern Sorge um Demokratie
In einer gemeinsamen Stellungnahme warnen die beiden großen Kirchen vor einer Erosion der Demokratie in Deutschland und Europa.

"30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges ist unser Blick auf die politische Ordnung von einer neuen Besorgnis geprägt", heißt es in dem am Donnerstag in Berlin vorgestellten "Gemeinsamen Wort" der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Die "Wiederkehr von autoritärem Denken und skrupelloser Machtpolitik" machten deutlich, dass Frieden, Demokratie und die Herrschaft des Rechts keine Selbstverständlichkeit seien, heißt es darin weiter.

Die rund 50-seitige Schrift habe das Ziel, Herausforderungen der Demokratie zu thematisieren und die ihnen zugrunde liegenden Ursachen anzugehen, schreiben der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm und der Bischofskonferenz-Vorsitzende Reinhard Kardinal Marx im Vorwort. Die beiden Kirchen benennen in der Schrift die in ihren Augen vier zentralen Gründe für Verunsicherung und Anfälligkeit für Populismus: Globalisierung, soziale Ungleichheit, Umgang mit Migration sowie Digitalisierung.

In ihrem Vorwort erinnern die obersten Repräsentanten der beiden großen Kirchen an die Demokratie-Jubiläen in diesem Jahr: den 100. Jahrestag der Weimarer Reichsverfassung, den 70. Geburtstag des Grundgesetzes und das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags zur EU-Reform, das sich im Dezember zum zehnten Mal jährt. Allen Rückschlägen zum Trotz sei eine tragfähige und stabile, demokratische, rechtsstaatliche und soziale Ordnung entstanden, schreiben Marx und Bedford-Strohm.

In der von einer ökumenischen Arbeitsgruppe entstandenen Stellungnahme betonen die Kirchen zudem ihr Bekenntnis zum Grundgesetz: "Die rechtsstaatliche Demokratie ist die beste Garantie für die Wahrung der Freiheit, der Würde und der Rechte jedes einzelnen Menschen." Gleichzeitig räumen sie ein, dabei selbst dazugelernt zu haben. Den Ideen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hätten sie lange skeptisch, sogar ablehnend gegenüber gestanden.

Vorsitzende der 20-köpfigen Arbeitsgruppe des Papiers waren der evangelische Theologieprofessor Reiner Anselm und der katholische Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Zu den Mitglieder gehören unter anderen auch der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), Diakoniepräsident Ulrich Lilie und der Rechtswissenschaftler Christoph Möllers, der als Prozessbevollmächtigter den Bundesrat beim NPD-Verbotsverfahren vertreten hatte.