Lesestoff für die Ewigkeit

Friedhofskultur
Lesestoff für die Ewigkeit
Schon wieder Wien: Auf dem Friedhof gibt’s auch Platz für Bücher

Es tut mir wirklich leid: Derzeit ploppt ständig irgendwas mit Friedhöfen in Wien hier auf. Erst vor wenigen Tagen hatten wir die Pilzsärge, vor ein paar Wochen die Sache mit den Gemüsebeeten auf dem Friedhof. Scheint, als hätten die Menschen in Wien wirklich erkannt, dass ein Friedhof ein Ort des Lebens und der Begegnung sein kann. Ich finde, das sollte auch entsprechend gewürdigt werden.

Darum nun also schon wieder Bestattungs- oder vielmehr Friedhofskultur. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber die Zahl der Bücher, die ich in meinem Leben bereits gekauft habe, weil ich sie „iiirgendwann mal lesen will“, ist mittlerweile so groß, dass ich wahrscheinlich noch Jahre nach meinem Tod damit beschäftigt sein werde, sofern ich ab sofort nichts Neues mehr kaufe, was natürlich auch praktisch ausgeschlossen ist.

Ja, ich weiß, das mit dem „das lese ich dann, wenn ...“ funktioniert eigentlich so gut wie nie. Hat schon nach dem Abi nicht geklappt, als der Stapel der Bücher, die ich mir für diese Zeit zurückgelegt hatte, einfach überhaupt nicht kleiner werden wollte. Heutzutage sind die Bücher zumindest weniger stapelig, da reicht ein kleines Kästchen namens Tolino (meinetwegen auch Kindle, aber der kommt mir nicht ins Grab!), etwas Strom und WLAN. Auch zu letzterem am Grab hatten wir mal was hier im Blog. Wenn Sie wirklich gut ausgestattet Ihre letzte Reise antreten wollen, sollten Sie vielleicht einfach die letzten 13 (!) Jahre „Stilvoll Glauben“ nach den Stichworten „Sarg“, „Grab“ oder „Friedhof“ durchforsten, da werden Sie so einiges finden.

Also, wo waren wir ... ach ja, Bücher. Wieder mal in Wien. Auf dem Matzleinsdorfer Friedhof (sie erinnern sich: Der mit dem Gemüse auf den Gräbern) stehen nun auf aufgelassenen Gräbern ... nun ja, nicht gerade Bücherregale, eher Büchersteine. Also Grabstein-ähnliche Steine mit Aussparungen, in denen Bücher stehen. Nahe dabei: Sitzgelegenheiten, um die Bücher genießen zu können. Fünf solche „Büchergräber“, jedes anders gestaltet, warten auf die Besucherinnen und Besucher. „Ein Friedhof ist nicht nur ein stiller Ort. Es findet Begegnung statt, man hilft sich gegenseitig", meint Friedhofsleiter Walter Pois. Ich finde das schön. Der Tod wird wieder ins Leben einbezogen. Der Friedhof wird zu einem Ort der Gemeinschaft, der Begegnung. Zu einem Ort, an dem nicht nur die Lebenden ihre Toten betrauern, sondern wo sich die Lebenden begegnen. Und damit sind übrigens nicht nur Menschen gemeint: Ein paar Bienenvölker sind auch noch hier zu finden, ein Bienenlehrpfad entsteht gerade, Honig können Sie schon kaufen. Igel, Falken, Hamster, Füchse treffen Sie hier. Ja, auf dem Friedhof. Da, wo das Leben spielt.

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