Die tote Tante Trude trägt tolle Tomaten

Beerdigungskultur
Die tote Tante Trude trägt tolle Tomaten
Auf einem Wiener Friedhof wächst seit einiger Zeit Gemüse.

Der Friedhof. Ein Ort der Stille, der Trauer. Aber auch ein Ort der Natur. Nicht nur Moos auf den Steinplatten, nein: Viele Gräber sind bewachsen von den unterschiedlichsten Pflanzen. Manche sind fein säuberlich geometrisch angeordnet, kein Blatt wächst da am falschen Platz. Andere sind überwuchert von Grün. „Ungepflegt“ würden manche sagen – die anderen nennen es vielleicht ein Zeichen des Lebens, das über den Tod siegt. Und natürlich Vögel, Insekten, viele andere Tiere: Sie alle finden sich ein an diesen grünen, stillen Orten. Friedhöfe: Paradoxerweise sind sie oft Oasen des Lebens mitten in der Stadt.

In Wien aber werden Sie möglicherweise Ihren Augen nicht trauen oder wahlweise glauben, Sie hätten Tomaten auf denselben. Denn hier wachsen sie: Die Tomaten. Oder Erdbeeren. Kohlrabi. Petersilie. Oder mal ein Salat.

Ja, warum auch nicht? Vor fünf Jahren begann Walter Pois, gelernter Gärtner und Leiter des evangelischen Friedhofs Matzleinsdorf, derzeit noch leer stehende Grabflächen für den Anbau von Gemüse zu vergeben. Erst mal bekamen die Mitarbeitenden jeweils zwei aufgelassene Gräber zur Verfügung. Das Ganze machte Schule: Einige Angehörige begannen damit, auch auf ihren Gräbern Gemüse und anderes anzupflanzen. Andere mieteten Gräber nur zum Zweck, um dort etwas anzubauen. Schrebergärten auf dem Friedhof.

Ziemlich gewöhnungsbedürftig im ersten Moment. Aber dennoch: Ich finde das ein wunderschönes Bild: Auf den Gräbern, Orten des Todes und der Trauer, wachsen im wahrsten Sinn des Wortes Lebens-Mittel. Tod wird zum Leben. Und gemeinsames Essen schweißt zusammen.

Was für Gespräche am Grab da entstehen können ...

„Ach, mein Erwin, fünf Jahre ist er jetzt schon tot.“ „Ja, Frau Müller. Schauen Sie mal, meine Erna hat mir ein paar Möhren geschenkt. Möchten Sie eine probieren?“ „Sehr gerne! Hier, ein paar Erdbeeren von Erwin.“ Und schon sind die beiden mitten im Gespräch über ihre verstorbenen besseren Hälften, derweil Tante Trude im Grab gegenüber die Tomaten reifen lässt.

Wohl bekomms!

 

weitere Blogs

Welche besonderen Fragen werfen Sterben, Tod und Trauern bei queeren Menschen auf? Ein einführender Einblick von Katharina Payk
Mathematik ist eine der schönsten Beschäftigungen mit dem Wunder der Zahlen - aber auch wenn man sich nicht für Pi oder Phi begeistern kann, kann man eine ganz große Nummer sein...

Vieles, was vor Jahren noch Utopie zu sein schien, ist heute Realität. Doch längst nicht alle Queers fühlen sich in der aktuellen Community geborgen. Christliche Queers könnten dazu beitragen, dies zu verändern.