Tot, aber online

Tot, aber online

Auch wenn Sie vielleicht immer noch der Meinung sein sollten, Sie seien die rühmliche Ausnahme: Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass auch Sie eines Tages sterben müssen. Wie alle Menschen, wenn man mal von Perry Rhodan und seinen Freunden absieht. Selbst Jesus ist gestorben, aber wieder auferstanden.

Wenn Sie diesen Blogeintrag lesen, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass Sie zu der Sorte Mensch gehören, die schon nach spätestens zehn Minuten ohne Internet-Anschluss kribbelig wird und eine Stunde später hektisch anfängt, das Smartphone in alle Richtungen zu halten, um irgendwo noch ein Fitzelchen Empfang zu finden. Zwei Tage ohne – Die Hölle! Nun stellen Sie sich mal vor: Ewiges Leben – aber kein Internet! Das ist ja wohl keine Perspektive für die Zukunft.

Nun aber können Sie vorbeugen. Endlich ist es da: Das Grab mit Internet-Anschluss! Ein einfacher QR-Code genügt, und schon ist das Grab virtuell verbunden mit einer Trauerseite im Internet. Grüße auf der Seite hinterlassen, etwas über die Person und ihr Leben erfahren, eine virtuelle Kerze anzünden. Eigene Erinnerungen beittragen. Vielleicht sogar die Beerdigungsansprache zum Nachlesen und/oder als Podcast. Eigentlich keine schlechte Idee, finde ich. Aber noch ein wenig inkonsequent umgesetzt. Was da noch alles möglich wäre. Früher ließen sich besonders Vorsichtige angeblich ein Telefon ins Grab legen – heute wäre vielleicht ein LAN-Kabel das Medium der Wahl. Oder gleich ein WLAN-Hotspot im Grab? Ob man den, da ja auch gewissermaßen nicht-stofflich, mitnehmen kann ins jenseitige Leben?

Auch über weitere Features am Grab könnte man nachdenken. Foursquare-Checkins? Aber der/die Verstorbene müsste aus Pietätsgründen irgendwie Mayor des eigenen Grabes bleiben. Aus der letzten Ruhestätte wird so der letzte Checkin. Ein Twitter-Account, der – ähnlich dem twitternden Baum – mitteilt, wenn es lange nicht geregnet hat und jemand zum Blumengießen vorbeikommen sollte. Oder wenn sowieso lange niemand mehr da war. Eine Webcam. Eine eigene Postleitzahl.

Vielleicht ist aber auch nur meine Fantasie mit mir durchgegangen. Denn die Grundidee, Orte zum gemeinsamen Trauern zu finden: Die ist wirklich gut. Da kann das Internet helfen. Also warum nicht einen QR-Code am Grab. Die Kunst wird neue Wege gehen und diesen Code immer geschmackvoller integrieren.

Wichtig ist mir aber: Nicht nur die Erinnerung hochzuhalten. Sondern auch die Hoffnung. Darauf, dass da wirklich etwas ist, nach dem Tod. Darum hier mein ganz eigener Beitrag zu dem Thema. Sollte es, wenn ich eines Tages sterbe, noch QR-Codes geben, darf der gerne an mein Grab.

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