Bitte nicht klatschen!

Bitte nicht klatschen!
Sollten wir Facebook „als Staat“ begreifen? Will Theresa May „eine Büchse der Pandora“ öffnen? Ist „House of Cards“ mittlerweile „nur noch banal“? Außerdem: Was die Ermordungen von Journalisten über das zukünftige Repressions-Level eines Landes aussagen. Was Reiseblogger mit Profifußballern gemeinsam haben. Was kirchliche Medien mit Corporate Publishing gemeinsam haben.

Nach dem Anschlag von London ist wieder mal die Frage aufgekommen, wie das Netz bzw. soziale Medien zu regulieren seien. “We need to work with allied democratic governments to reach international agreements that regulate cyberspace to prevent the spread of extremism and terrorism planning”, hat die britische Premierministerin Theresa May gesagt. Und was sagt zum Beispiel Facebook? dpa meldet Folgendes:

„‚Mit einer Mischung aus Technologie und Aufsicht durch Menschen arbeiten wir aggressiv daran, terroristische Inhalte von unserer Plattform zu entfernen, sobald wir von ihnen erfahren‘, erklärte Facebooks Politik-Chef Simon Milner.“ 

Die Meldung griffen unter anderem die Stuttgarter Nachrichten, die FAZ und die Frankfurter Rundschau auf, und mindestens so interessant wie das Zitat, ist die Tatsache, dass sich keiner dieser Verbreiter gefragt hat, ob es sich bei „Politik-Chef“ um eine angemessene Übersetzung handelt für „UK and Ireland Policy Director“. Milner ist, wie man hier nachlesen kann, verantwortlich „for issues such as privacy, safety and advertising policy“. [Nachtrag, 13.34 Uhr: dpa hat den Begriff "Politik-Chef" mitterweile durch eine adäqute Formulierung ersetzt]

Mit einer anregenden Idee zur Regulierung von Facebook, die in keinem  Zusammenhang zu #londonattacks steht, wartet Klaus Schrage im  Nürnberger-Nachrichten-Blog Hirndübel auf:

Begreifen wir Facebook doch einmal als Staat. Es bietet 2,2 Milliarden Menschen eine Heimat, das sind jeweils 800 Millionen Menschen mehr als in China oder Indien. Würden wir dieses Land in die Uno aufnehmen und es (…) auf internationale Verträge verpflichten, ergäbe sich einiger Handlungsbedarf. Wir würden feststellen, dass es an demokratischen Grundregeln fehlt. Ethische Grundsätze oder auch bloß Nutzungsbedingungen regelt letztlich der Chef. Wir würden sehen, dass die Bewohner*innen von Facebook in einer selbst gewählten Sklaverei leben. Mit ihrer Kreativität sorgen sie dafür, dass Milliarden und Abermilliarden verdient werden, bekommen aber selbst für die besten Beiträge keinen müden Cent. Und warum gibt es kein Netzwerk-Gericht, welches Beiträge ab einem gewissen Maß an Idiotie mit der Höchststrafe, nämlich lebenslangem Ausschluss, bestraft?“

Zurück zur eingangs zitieren May-Äußerung. Der Guardian bemerkt dazu:

„When you need a scapegoat, the internet will always be there, as will big internet companies (…) The problem is this: things can be done, but they open a Pandora’s box. The British government could insist that the identities of people who search for certain terror-related words on Google or YouTube or Facebook be handed over. But then what’s to stop the Turkish government, or embassy, demanding the same about Kurdish people searching on “dangerous” topics? The home secretary, Amber Rudd, could insist that WhatsApp hand over the names and details of every communicant with a phone number. But then what happens in Iran or Saudi Arabia? What’s the calculus of our freedom against others’?“

Mehr zu #londonattacks und den Folgen: Die taz, der „Faktenfinder“ der ARD und die FAZ gehen der Unterstellung nach, dass CNN eine Demo muslimischer Anti-Terror-Demonstranten inszeniert habe. Der Vorwurf „rechter Blogger und der AfD“, CNN habe „den Protest von Muslimen gegen den Terror erfunden“, sei „Fake News pur“, schreibt etwa die FAZ. Michael Hanfeld erläutert dort:

„Die Nachfrage dieser Zeitung bei einem Journalisten, der vor Ort war und mit den muslimischen Demonstranten sprach, ergibt (…): Die kleine Gruppe war mit ihren Plakaten unterwegs und suchte selbstverständlich die Aufmerksamkeit von Journalisten. Anzunehmen, es handele sich um bezahlte Statisten oder jemand habe sich die Mühe gemacht, Schauspieler zu engagieren, sei ‚Spinnerei.‘“

[+++] Ein kleiner Schwerpunkt soll hier heute der Bedrohung der Meinungsfreiheit gewidmet sein - und wie sich Betroffene dagegen wehren. Uwe Buse porträtiert für den aktuellen Spiegel (Blendle-Link) Gerald Hensel, jenen Werber, der Ende vergangenen Jahres untertauchen musste, weil seine Meinung lebensgefährlich für ihn geworden war. Hensel hatte im Rahmen der Aktion #KeinGeldfürRechts Unternehmen empfohlen, sich darüber zu Gedanken zu machen, welche Folgen die algorithmisierte Schaltung von Werbung im Netz haben kann (siehe Altpapier).

"Ich lernte in dieser Phase vor allem, dass meine Gegner gut organisiert sind, viel besser als die Aktivisten in der liberalen Mitte Deutschlands“

sagt Hensel gegenüber Buse unter anderem. Aber gibt es eigentlich „Aktivisten“ in der „liberalen Mitte“? Kann es eine Art Antifa mit Rotweinkenner-Antlitz überhaupt geben? Zu den Zielen der von ihm gegründeten Organisation Fearless Democracy (siehe Altpapier von Donnerstag) heißt es:

„Er will dazu beitragen, die ‚liberale Mitte Deutschlands zu verteidigen‘. Sie soll robuster werden, widerstandsfähiger. Hensel ist ein begeisterungsfähiger Mensch, und in diesem Moment ist er euphorisiert von seinem Vorhaben. Wieder wirft er große Worte in den Raum, er will ‚die rechtspopulistischen Akteure im Netz identifizieren und benennen‘ er will ‚deren Strukturen zerschlagen‘, er will ‚Opfern, die unter einem Hatestorm leiden, Hilfe anbieten‘“.

Die Überschrift eines aktuellen Guardian-Artikels lautet:

„Yes, there is a free speech crisis. But its victims are not white men.“

Sondern:

„It’s women and people of color who struggle the most finding a platform – but there is a conspicuous lack of concern about that by free speech crusaders“, 

schreibt Steven W. Thrasher. Unter anderem geht es um Angriffe auf die African-American-Studies-Professorin Keeanga-Yamahtta Taylor.

Derweil hat die in der Türkei inhaftierte deutsche Journalistin Meşale Tolu Çorlu eine Nachricht nach draußen schicken können. Ihr Bruder hat sie dem BR zukommen lassen:

„Genau wie Deniz Yücel, der Türkei-Korrespondent der Welt, wurde ich wie eine ‚deutsche Spionin‘ behandelt. Es wurde behauptet, dass ich für den deutschen Staat arbeite und mich aufgrund dessen in der Türkei aufhalte. Ich weiß, dass es nicht diese unlogischen Behauptungen sind, die mich zur Zielscheibe machten. Der eigentliche Grund ist, dass ich für die sozialistische Presse arbeite, die das Recht der Bevölkerung zum Zugang freier Presse vertritt, entgegen der Zensur durch den Staat.“

Wer seine Bedrückung noch steigern möchte: Zwischen 2002 und 2016 sind weltweit 1.697 Journalisten ermordet worden, davon fast 400 zwischen 2014 und 2016. Darauf gehen Sabine Carey und Anita Gohdes ein in ihrer in der FAS, aber derzeit nicht frei online verfügbaren deutschsprachigen Kurzfassung ihrer im Februar 2017 veröffentlichten Studie "Canaries in a coal-mine? What the killings of journalists tell us about future repression“. Carey/Gohdes schreiben:

„Unsere Studie zeigt, dass die meisten Journalisten in einem Land mit einem mittleren Repressionslevel getötet werden, in denen also politische Gefangenschaft, Mord und Folter vorkommen, jedoch nicht allumfassend auf die Bevölkerung angewendet werden.“

Maßgeblich für die Einschätzung der Tötungen ist, dass in der Regel staatliche Akteure dafür verantwortlich sind:

„Das Commitee to Protect Journalists geht davon aus, dass Mörder in neun von zehn Fällen unbestraft bleiben. Viele der Länder mit den höchsten Zahlen an getöteten Journalisten bringen die Täter nie vor Gericht, darunter Russland, Brasilien, Pakistan, Bangladesch und Mexiko. Es ist unwahrscheinlich, dass es sich bei der Mehrheit der nicht eindeutig identifizierten Täter um kriminelle Banden (oder andere nichtpolitische Akteure) oder nichtstaatliche Akteure handelt.“

[+++] Dass allzu oft wichtige Themen bereits nach wenigen Tagen versanden, ist an dieser Stelle immer mal wieder beklagt worden. Was es aber auch immer noch (oder wieder) gibt: Berichterstattungswellen bauen sich langsam auf. Vor rund einem Monat hat Götz Aly in der Berliner Zeitung erstmals die Weigerung von Arte aufgegriffen, einen vom WDR in Auftrag gegebenen Dokumentarfilm über Antisemitismus („Auserwählt und ausgegrenzt - Der Hass auf Juden in Europa“) auszustrahlen, nachdem der WDR den Film bereits redaktionell abgenommen hatte. Eine Woche später fand der Fall erstmals im Altpapier Erwähnung, in der vorvergangenen Woche erschien in epd medien ein instruktiver Hintergrundbeitrag dazu (der seit vergangener Woche online verfügbar ist, siehe Altpapier), kurz vor dem Pfingstwochenende meldete sich der Boulevard zu Wort und am Wochenende schließlich die FAZ. Des weiteren gibt es seit wenigen Tagen eine an den Arte-Programmdirektor Alain Le Diberder gerichtete Petition. Jan Grossarth schreibt in seinem FAZ-Artikel:

„Der enttäuschte Filmautor Joachim Schröder fragt sich bis heute, wie genau die Anforderung, über den Antisemitismus ‚ausgewogen‘ zu berichten, umzusetzen sei. Er versuchte in den vergangenen Monaten jedenfalls vieles, um sein Werk doch noch öffentlich zu machen. Immerhin 165.000 Euro brutto erhielt seine Produktionsfirma Preview Production von Arte für den Film, der WDR war der Kooperationspartner – versandetes Gebührengeld. Eine Reihe von Gutachten, die der Dokumentarfilmer von wissenschaftlichen und publizistischen Experten einholte, nützte seinem Anliegen nichts. Nicht nur das: die ‚Partner‘ vom WDR und von Arte gingen darauf nicht ein.“

Hervorhebenswert ist, dass Grossarth gebührend auf die erschütternde Haltung des WDR eingeht. Der WDR-Kulturchef Matthias Kremin etwa, so der FAZ-Autor, argumentiere „im Stil eines Handelsvertreters“. Grossarth weiter:

„Bizarr mutet dann (Kremins) Argument an, weshalb denn der WDR den Film nicht zeige: 'Wir können und wollen uns nicht dem Vorwurf aussetzen, auf Kosten von Arte WDR-eigenes Programm zu finanzieren.’“

Darüber habe ich sehr gelacht, denn: Dass jener Teil des Rundfunkbeitrags, den die Bundesbürger für Arte aufbringen, vom ZDF und von den Landesrundfunkanstalten der ARD, die über die Nutzung dieser Gelder entscheiden, auch dafür ausgegeben wird, „eigenes Programm“ bzw. das eigene dritte Programm zu finanzieren, ist business as usual - und bis zu einem gewissen Grad ist diese Art der Querfinanzierung vielleicht sogar legitim. Zur fragwürdigen Rolle des WDR wäre noch eine Passage aus dem schon oben erwähnten epd-medien-Beitrag zu ergänzen. Elisa Makowski zitiert aus einer Mitteilung der WDR-Pressestelle:

"Dass die verantwortliche Redakteurin den Film (…) ohne weitere Abstimmung abgenommen hat, wird im WDR derzeit kritisch diskutiert.“ 

Dass in offiziellen Verlautbarungen eines Senders Redakteure des eigenen Hauses gegrillt werden, muss man wohl als schäbig bezeichnen.

Gerade hat die HR-Redakteurin Esther Schapira an den WDR appelliert, zur Vernunft zu kommen, und auch das zeigt das Ausmaß dieses Falls, denn dass hochrangige Kollegen der einen ARD-Landesrundfunkanstalt einer anderen Landesrundfunkanstalt in einer heiklen Angelegenheit öffentlich Ratschläge erteilen, kommt auch eher selten vor.

[+++] Aufgrund der Affäre um die verhinderte Ausstrahlung von „Auserwählt und ausgegrenzt“ ist ausgerechnet jenes Genre ins Gerede gekommen, das das Programm Arte stärker geprägt hat als jedes andere: der Dokumentarfilm. Aber es gibt bei diesem Stichwort auch Positives zu vermelden. Von Dienstag bis Donnerstag läuft bei Arte ein kleines Dokumentarfestival, Anlass dafür ist das 25-jährige Jubiläum des Senders (siehe Altpapier). Zu sehen ist heute unter anderem „Censored Voices“, ein Film, der einen anderen Blick auf den Sechs-Tage-Krieg liefert, basierend auf vor 50 Jahren unter anderem vom später berühmt werden sollenden Amos Oz eingefangenen O-Tönen. Fritz Wolf - der das deutsche Fernsehen schon etwas länger verfolgt ein Vierteljahrhundert; er wird am Donnerstag 70 Jahre alt - schreibt dazu: 

„(Es) ist ein aufregender Film, nicht nur, weil er einen anderen als den offiziellen Blick auf die Ereignisse des Sechstagekrieges wirft, weil er herausholt, was an menschlichen Empfindungen, Erinnerungen, Tragödien hinter der kanonisierten Geschichtsschreibung steht. (…) ‚Censored Voices‘ ist ein Dokument im klassischen Sinn. Weil Amos Oz und Avraham Shapira sofort nach Kriegsende loszogen, haben sie noch Momente erwischt, in denen wirkliche Erinnerungen noch gegenwärtig waren. Nicht schon von Verdrängung und Beschönigung oder vom Weitererzählen und Ausschmücken umgeformt, noch nicht durch propagandistische Übermalung verändert.“

Der Tagesspiegel stellt den Film ebenfalls vor.

[+++] Jünger als Fritz Wolf, aber älter als Arte ist Radio Dreyeckland. Der freie Radiosender aus Freiburg feierte am Wochenende seinen 40. Geburtstag. Philipp Schnee erinnert bei Deutschlandfunk Kultur daran, dass freie Radios gewissermaßen soziale Medien avant la lettre waren bzw. auch heute noch soziale Medien sind, wenn auch in einem anderen Sinne als dem sonst gemeinten. Schnee wirft unter anderem die Frage auf, „welche Rolle lineares Radio überhaupt in Zeiten des Internets spielt“. Das lineare Radio solle der Kern des Senders bleiben, sagt Pressesprecher Andreas Reimann dazu. Er meint:

„Viel besser als z.B. die vielen Podcaster oder Blogger, die letztlich ziemlich einsam vor sich hin bloggen, ist das freie Radio nach wie vor auch ein sozialer Ort. Wenn man jetzt hier durch die Räume laufen würde, würde man viele Stimmen hören, es ist den Tag über viel los. Man trifft sich, man diskutiert viel. Es kommen Gruppen hier ins Radio rein. Also dieser soziale Austausch, der ist vorhanden, der bietet Chancen. Dadurch ist Radio Dreyeckland auch sehr stark in der Freiburger Stadt verankert und mit vielen gesellschaftlichen Kräften verbunden und ich glaube nicht, dass ein reines Internetmedium so 'ne starke Verankerung haben kann.“

[+++] Reisejournalismus und Reise-„Journalismus“ sind eher selten Thema hier. Auch jenen, die sich für diese Themen nicht interessierten, sei Robert B. Fishmans Beitrag über Reiseblogger empfohlen. In der taz vom Wochenende konstatiert er, dass „Blogs das Marketing der Tourismusunternehmen und ihrer PR-Agenturen verändert“ haben. Und zwar u.a.. auf folgende Weise: 

„Manche Blogger lassen sich ähnlich wie Profifußballer als ‚Markenbotschafter‘ großer Unternehmen verpflichten. Sebastian Canaves von Off the Path, einem der bekanntesten deutschsprachigen Outdoorreise- und Abenteuerblogs, hat solche Verträge mit vier verschiedenen Marken geschlossen. So wirbt er für einen Rucksack, weil ihn der ‚persönlich überzeugt.‘“

Fishmans Fazit lässt sich dann teilweise auch auf andere journalistische Genres übertragen:

„Die Grenzen zwischen PR, Journalismus und Blogs (verschwimmen). Reisereportagen erschienen in den klassischen Medien immer häufiger in der Ich-Form. Anspruchsvolle Hintergründe blenden die Redaktionen lieber aus und drucken oder senden stattdessen leicht verdauliche Info­häppchen. Radio- und Fernsehbeiträge werden immer kürzer. Artikel enden in der Regel nach spätestens 5.000 Anschlägen. Je schlechter die Verlage ihre Redaktionen ausstatten, desto schneller gelangt interessengesteuerte PR ungeprüft in Zeitungen und Zeitschriften.“

[+++] Ende 2015 hat Ulrike Simon in ihrer Kolumne einmal einen „Weihnachtswunsch“ geäußert:

„Liebe Journalisten, es gehört sich nicht, denen zu applaudieren, über die man schreibt.“

Anlass waren unter anderem applaudierende Journalisten bei einer Pressekonferenz des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger („Beim ersten Mal drehte ich mich noch strafenden Blickes möglichst auffällig nach hinten um, wo ich die Quelle des Applauses vermutete. Beim zweiten Mal gab ich kopfschüttelnd auf“). Zu den Journalisten, die Simons Text damals offenbar nicht gelesen habe, gehören jene, die nun eine Presekonferenz-Performance des Rock-am-Ring-Veranstalters Marek Lieberberg klatschend aufgewertet haben:

„Vor Ort erhielt Lieberberg Applaus (…) - was für eine Pressekonferenz sehr ungewöhnlich ist. Journalisten berichten eigentlich, anstatt Aussagen zu beklatschen“,

bemerkt Spiegel Online. Sooo ungewöhnlich ist das, siehe Simon, nun aber leider nicht, und auch ich kann in diesem Zusammenhang noch etwas Privat-Empirie beisteuern: Bei den Programmpressekonferenzen von Arte zum Beispiel wird regelmäßig geklatscht.  

Man könnte nun monieren, dass PK-Klatscher „ihre professionelle Distanz aufgeben“. Ich finde es aber vor allem aberwitzig, dass Journalisten Institutionen oder Unternehmen dafür applaudieren, dass diese tun, was in ihrem ureigenen Interesse ist, nämlich ihre Sicht der Dinge darstellen, Planungen präsentieren u.ä.

Die von den Journalisten beklatschten Äußerungen Lieberbergs geringfügig umformuliert und ergänzt hat übrigens die Titanic.


Altpapierkorb

+++ In der SZ vom Wochenende fällt Sacha Batthyany kein freundliches Urteil über die fünfte Staffel von „House of Cards“: „Je mehr die Drehbuchschreiber versuchten, die Geschehnisse in Amerikas Hauptstadt einzubauen, desto eher distanzierten sie sich von ihr und desto dünner wurden ihre Geschichten. Nach vier Jahren und fünf Staffeln ist House of Cards nicht Washington, sondern nur noch banal (…) Überhaupt denkt man oft, dass die täglichen Schlagzeilen aus dem Weißen Haus unterhaltender sind als die Serie ‚House of Cards‘. Das wirft kein gutes Licht auf Trump und sein Kabinett, aber ein noch viel schlechteres auf die Macher der Fernsehserie.“

+++ Stefan Koldehoff hat für das DLF-Magazin „@mediasres“ mit dem Mediendirektor des Erzbistums Köln, dem früheren Computer-Bild-Redakteur Ansgar Mayer, gesprochen. Auf Koldehoffs Frage, „wieviel Autonomie“ lokale Kirchenzeitungen und Gemeindeblätter hätten und ob es „Tabuthemen“ gebe, also etwa „Homosexuellen-Ehe, Abtreibung, Missbrauch in der katholischen Kirche“, sagt Mayer: „Es darf bei der Themenauswahl - und das leben wir auch so - keine Tabus geben. Da gibt es auch nichts, wovon wir die Finger lassen würden. Aber es gibt umgekehrt natürlich eine katholische Lehrmeinung, die auch nur zu Teilen hier in unserem Erzbistum entsteht, sondern natürlich in der katholischen Kirche zentral geregelt ist (…) Im weitesten Sinne, ist das, was wir tun, und was auch ein Gemeindeblatt tut, neudeutsch gesprochen: 'Corporate Publishing'. Das hat schon einen klaren Absender und einen klaren Auftraggeber und findet dann natürlich auch in dem Rahmen statt.“

+++ Robert Probst würdigt auf der Seite „Politisches Buch“ in der SZ Magnus Brechtkens Biographie „Albert Speer. Eine deutsche Karriere“, die beschreibt, wie sich der einstige Rüstungsminister zum „größten Märchenerzähler über die NS-Zeit“ (Probst) entwickelte: „Vor allem hatte er ein bereitwilliges Publikum, das gerne glauben wollte, was er ihm zu erzählen hatte - und durchaus unkritische Medien, die es gar nicht so genau nahmen mit der Wahrheit. Und nicht zuletzt hatte Speer bei der Abfassung seiner ‚Erinnerungen‘ zwei Mitstreiter, deren Rolle laut Brechtken gar nicht überschätzt werden kann: den Verleger Wolf Jobst Siedler (damals Ullstein Propyläen) und als eine Art Mitkomponisten den Publizisten Joachim C. Fest. Mit Bezug auf Brechtken schreibt Probst des weiteren: „Die Erkenntnisse über Speers Verbrechen kamen vor allem durch Doktorarbeiten ans Licht. Doch erst durch Heinrich Breloers TV-Vierteiler ‚Speer und Er‘ (2005) sei die Wahrheit über Albert Speer einem breiten Publikum bekannt geworden.“ 

+++ Der Einfluss der russischen Auslandsmedien RT und Sputnik werde oft als zu hoch bewertet, meint die NZZ. Jedoch:Auch wenn RT und Sputnik nicht überschätzt werden sollten, verfügen sie in gewissen Regionen dennoch über Einfluss. So ist Sputnik etwa der wichtigste News-Produzent auf dem Balkan.“

+++ Die Frankfurter Rundschau berichtet von der Trauerfeier für ihre frühere Redakteurin Jutta Stössinger, die im Mai gestorben ist. Zitiert wird unter anderem die Schriftstellerin Ulrike Kolb, die bei der Trauerfeier sagte, Stössinger habe einst „aus den FR-Wochenendseiten ‚Zeit und Bild‘ etwas ganz Besonderes (gemacht), einen Ort für Zeitung und Literatur zugleich. Dieser Ort verschwand dann aber, als, wie es neulich in einem FR-Nachruf hieß, „Anfang der 2000er das Rundschau-Schiff in schwere See geriet und das Konzept der Wochenendprodukte umgekrempelt wurde“.

Neues Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.

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