Das falsche Comeback

Das falsche Comeback
Der Schwarzwald bekommt nach der Klinik den „Tatort“, und Harald Schmidt ist mit an Bord. Der MDR hat nun offiziell zwei Prozent Staatsferne zu wenig. Das Bundeskartellamt hat zu viel, und zwar zu tun, woran sächsische Anzeigenblätter und Berliner Zeitungen mit Schuld sind. Außerdem geht es um Cola-Genuss für den Deutschen Reporterpreis, bedrohte Umweltjournalisten und die vielen Gesichter des Peter Turi.

Die besten Zeiten Harald Schmidts sind vorbei. Zumindest die des Twitteraccounts, der seinen Namen trägt. Da konnte er gestern noch so viel „Das wird der erste #Tatort auf dem #Traumschiff“ oder „#Tatort ist nur der Anfang. Danach mache ich Werbung als Tech-Schmidt für @SaturnDE“ twittern. In der Nachberichterstattung zur Meldung, dass Schmidt nun in Zukunft im neuen SWR-„Tatort“ aus dem Schwarzwald den Chef geben wird, taucht er nicht auf. Dabei lohnt sich das Zitieren zumindest eines Tweets:

„Ich tauge noch immer für eine Premium-Schlagzeile. Grüße bitte aus dem #Tatort-Büro.“

Recht hat er, der Rob Vegas. Mag Schmidt auch schon vor Jahren seine Playmobilfiguren gegen den Kreuzfahrtdirektoren-Smoking sowie Manuel Andrack gegen Inka Bause getauscht haben: Wenn er ein neues Engagement antritt, berichten die Medien.

Der SWR als neuer Arbeitgeber Schmidts hat mit Begriffen wie „Fernsehlegende“ und „wohl das bestgehütetste Geheimnis Fernseh-Deutschlands“ (in Text und Bild hier) gut vorgelegt. DWDL spricht vom „SWR-Coup“; auch der Tagesspiegel meint:

„Dem SWR ist mit dem Engagement von Schmidt ein Coup gelungen - der aber womöglich eine Gefahr birgt. Denn der 58-jährige Entertainer und Schauspieler tummelt sich ungern in der zweiten Reihe.“

(Dem man entgegnen könnte, dass dies wohl der Grund des SWR war, Schmidt zu holen.)

Bei sueddeutsche.de schwelgt man in Erinnerungen und versucht diese auf Schmidts neue Rolle als Kriminaloberrat Gernot Schöllhammer zu projizieren.

„Man hätte sich alles denken können bei Harald Schmidt. Homosexueller Mopsbesitzer, der privat gern im hautengen Latexanzug in Samstagabendshows auftritt. Vom Leben gebeutelter Eigenbrötler, der in seinem kleinen Chateau mit Blick auf den Weinberg Gedichte verfasst. Aber am wenigsten mit einem ,heterosexuellen, katholischen Familienvater’, wie Schmidt auf der Pressekonferenz verkündet. Also das Abwegigste für einen, der in seiner Show gern mal Oliver Pochers Ex-Freundin Monica Ivancan Brause aus dem Bauchnabel leckte oder höchstpersönlich den Glitzeranzug bei ,Wetten, dass..?’ trug. Und genau deshalb kann niemand einen stockkonservativen Familienvater aus dem Badischen brillanter verkörpern als Schmidt. Alles möglich - schließlich muss man bei Harald Schmidt mit allem rechnen. Jetzt, in seiner Spätphase, erst recht.“

In der gedruckten SZ widmet man sich noch einmal dem Auswahlprozess, mit dem der SWR den Schauplatz seines neuen „Tatorts“ bestimmte.

„Ein halbes Dutzend Bewerber gab es für den Mordschauplatz: Freiburg, Baden-Baden, Karlsruhe, Mannheim/Heidelberg, Bad Wildbach und Leutkirch. Mehr als 100 Bürgermeister aus dem Schwarzwald hatten für einen Tatort im gesamten Mittelgebirge unterschrieben: #wirsindSchwarzwald. So soll es jetzt auch kommen.“

Nur in der FAZ ist man enttäuscht.

„Das Comeback von Harald Schmidt ist perfekt. Doch hatten wir uns das eigentlich anders vorgestellt. Als versierten Gastgeber und Talkmaster haben wir ihn schmerzlich vermisst. Statt seiner bei der ARD oder Sat.1 läuft allabendlich im Zweiten Markus Lanz. Was für ein Fernsehkulturverlust!“,

schreiben Michael Hanfeld und Ursula Scheer.

„Eine Rolle als beseelter Gast auf dem ZDF-,Traumschiff’ oder kleinere Theater-Auftritte ließen dagegen schon Schmidts neues Rollenprofil erkennen. Und das führt den bekennenden Messdiener a. D. nun zum Hochamt des deutschen Fernsehkrimis – dem ,Tatort’.“

[+++] Eine weitere öffentlich-rechtliche Personalie, die ein wenig Aufmerksamkeit verdient, ist die bereits am Freitag und Dienstag hier thematisierte Wahl des neuen MDR-Rundfunkratsvorsitzenden. Wie erwartet hat Steffen Flath das Rennen gemacht.

„Die Kandidatur von Steffen Flath hatte im Vorfeld für reichlich Kritik gesorgt. Zwar hat Flath seine aktive Politikerkarriere (zuletzt als Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag) vor über einem Jahr aufgegeben – trotzdem betrachten Kritiker die Personalie als unsensibel, weil er als Ex-Minister und Ex-Fraktionschef noch große Nähe zu den aktuellen Entscheidungsträgern haben dürfte“,

fasst der Flurfunk Dresden die Problematik zusammen.

Die FAZ-Medienseite formuliert das heute wie folgt:

„Die Kritik lautet auch darauf, dass die Zusammensetzung des MDR-Rundfunkrats nicht dem Erfordernis der Staatsferne entspricht, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum ZDF-Staatsvertrag formuliert hatte. Demnach darf maximal ein Drittel der Ratsmitglieder der Politik und dem Staat zuzurechnen sein, beim MDR sind es zurzeit 35 Prozent.“

33 oder 35: Hauptsache Italien!?

In der Pressemitteilung des MDR hat man sich entschlossen, den neuen Chef mit diesem denkwürdigen Satz zu zitieren:

„Auch in den nächsten zwei Jahren wird der Rundfunkrat des Mitteldeutschen Rundfunks wichtige Themen zu behandeln haben.“

Woraus wir lernen: Inhaltsferne scheint Steffen Flath keine Probleme zu bereiten. Wie das mit der Politikferne klappt, lohnt sich im Blick zu behalten.  

[+++] Im Blick behalten (letzte schlechte Überleitung für heute, versprochen) muss auch das Bundeskartellamt den Berliner Zeitungsmarkt. Bereits im Sommer war bekannt geworden, dass die drei großen Berliner Zeitungen gerne bei Abo-Geschäft und Anzeigen-Vermarktung zusammenarbeiten wollen. Ähnliche Pläne von Tagesspiegel und Berliner Zeitung hatte das Kartellamt vor zehn Jahren gekippt.

Nun erklärt Christian DuMont Schütte im Interview mit Caspar Busse und Claudia Tieschky sowie seiner Cousine Isabella Neven DuMont auf der SZ-Medienseite:

„Wir prüfen, was politisch und kartellrechtlich möglich ist. Es ist an der Zeit für einen solchen Plan. Das Kartellrecht für Zeitungen stammt aus dem letzten Jahrhundert und blendet die heutige digitale Medienrealität aus. Die Betrachtung orientiert sich ausschließlich an der Zahl der Zeitungsleser und an den Werbemärkten der Vergangenheit. Inzwischen sind aber ganz andere Wettbewerber relevant, denken Sie an Google und Facebook. (...) Eine Lösung, die es allen leichter machen würde, wäre eine Zusammenarbeit beispielsweise in der Technik, beim Anzeigenverkauf und in der Buchhaltung – also überall, nur nicht im Publizistischen, die Redaktionen müssen unabhängig bleiben.“

Die Berliner Zeitung ist längst Teil der DuMont Redaktionsgemeinschaft, die Berliner Morgenpost wird von der Funke Zentralredaktion beliefert. Nur der Tagesspiegel muss seine Zeitung noch alleine füllen (ist damit aber schon in so große Bedrängnis geraten, dass er sich derzeit keine freien Mitarbeiter mehr leisten kann).

So groß, wie DuMont Schütte vermitteln will, ist die Medienvielfalt also nicht.

Wie das Kartellamt das Berliner Begehr einschätzt, vermag ich nicht abzuschätzen. Dass man dort den angesprochenen Medienwandel samt neuer Player durchaus wahrnimmt, ist dem Interview zur Arbeit des Kartellamtes bei Medienthemen zu entnehmen, das Stefan Laurin und Gunther Fessen für kress.de mit Kartellamts-Chef Andreas Mundt geführt haben. +++

[+++] Hinter die Kulissen der Jurysitzungen für den Deutschen Reporterpreis zu gucken, klingt verlockend. Bis man hinter die Kulissen der Jurysitzungen für den Deutschen Reporterpreis geguckt hat. Für kress.de durfte das Tania Witte, und zurückgekommen ist sie mit der Erkenntnis, was die Jurymitglieder anhatten („Die Herren trugen mehrheitlich Anzug, die Damen, was sie wollten.“), was sie aßen („Coke-light, Kaffee und Miniburger. (...) auf dem Servierwagen kalte Currywurst in weißen Kaffeetassen. Schmecke ein bisschen wie Tomatenmarmelade, witzelte einer.“) und wie schlecht geheizt ihre Räumlichkeiten waren („viel Raum und wenig Heizung“).

Um die Sitzungen selbst geht es in ihrem Text natürlich auch. Schließlich was das das Ziel der ganzen Aktion: Transparenz in den Preisvergabeprozess bringen.

Well:

„Die Reibung kam später, als es daran ging, Überzeugungsarbeit zu leisten. Es gewann der Text mit der größten Überzeugungskraft - qua Sprache, qua Inhalt, qua Handwerk. Es gewann der beste Text oder der, der am dichtesten an gut heranreichte. Eine feine Linie und Trost für die Jurymitglieder, die nicht ganz mit der demokratischen Mehrheit d'accord gingen.“

So ging es bei der Sitzung der Jury für Kulturkritik, Essay und Interview zu. Meanywhile, back at the Reportagen:

„Die Diskussionen weniger hitzig als bei den Kollegen des roten Raumes, dafür eine Messerschärfe, die für Gelächter sorgte. Der vorherrschende Pragmatismus half bei der einen oder anderen Entscheidung, besonders, als Verfechter der Ich-Reportagen auf LiebhaberInnen rechercheintensiver universaler Beobachtungen trafen. Am Ende blieb der Nachhall des Wortes ,Gesundheitsselfie’.“

Ohne exakt verstanden zu haben, was da genau ablief: Ich glaube, es war nicht allzu spannend. Und ich weiß, dass das Soho-Haus nichts mit „martialisch anmutender DDR-Architektur“ zu tun hat. Außer, man verortet die DDR in den 1920ern.

But that’s just me, klugscheißing.


Altpapierkorb

+++ Die taz hat etwas für die Frauenquote getan und als Stellvertreterinnen des neuen Chefredakteurs Georg Löwisch zwei Damen berufen. „Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, Barbara Junge und Katrin Gottschalk für die taz zu gewinnen (...). Wir drei sind ähnlich genug und wir sind unterschiedlich genug. Es passt genau“, zitiert diesen das taz-Hausblog. +++

+++ Da es um ein ernstes Thema geht, sehen wir mal über den fiesen Wortwitz hinweg, den die Reporter ohne Grenzen ihrem neusten Bericht „Feindseliges Klima für Umweltjournalisten“ gegeben haben. „Seit 2010 wurden nach Recherchen der Organisation zehn Umweltjournalisten ermordet, acht davon in Südostasien und Indien. In vielen Ländern nehmen Repressalien, Drohungen und Gewalt gegen Reporter zu, die etwa über illegale Rodungen, Umweltverschmutzung oder die Folgen von illegalem Rohstoffabbau berichten.“ Zitat und Bericht finden sich hier. +++

+++ Bundeskartellamt zum Dritten: „Den Verlagen war bewusst, dass die koordinierte Stilllegung der Anzeigenblätter als sogenannter Abkauf von Wettbewerb kartellrechtlich verboten ist. Durch die Einstellung von jeweils einem der konkurrierenden Anzeigenblätter wurden die Verbreitungsgebiete Dresden und Chemnitz untereinander aufgeteilt. Die Unternehmen wollten so den bislang untereinander bestehenden Wettbewerbsdruck umgehen.“ So zitiert das Amt in einer Pressemitteilung seinen Chef Andreas Mundt, nachdem das Amt drei Herausgeber von Anzeigenblättern in Sachsen wegen verbotener Absprachen zu 12,44 Millionen Euro Strafzahlungen verdonnert hat. +++

+++ Im Tagesschau-Blog erzählt Isabel Schayani, wie es ist, wenn sie als „Kind des Friedens“ Flüchtlinge interviewt. „Gehe zu einer Erstaufnahmeeinrichtung, drehen dort etwas für die Tagesthemen, frage höfliche Afghanen: Könnte es sein, dass unter Euch Flüchtlingen auch Terroristen sind? Sie bewahren die Form, aber sie sind über diese Frage verwundert. Klingt wohl naiv in ihren Ohren. ,Ja natürlich, kann das sein. Terroristen können alles tun, wenn sie wollen. Deshalb sind sie ja Terroristen.’ Stimmt.“ +++

+++ Die taz-Kriegsreporterin arbeitet sich heute an Bayern ab. +++

+++ Auf der Medienseite der FAZ widmet sich Jörg Seewald Reinhard Scolik, der am 1. März BR-Fernsehdirektor werden wird. „Weggefährten stellen Reinhard Scolik ein hervorragendes Zeugnis aus. Die Lücke, die er beim ORF hinterlässt, sei gar nicht zu schließen, heißt es. (...) Scolik habe mit überholten Formaten aufgeräumt, Moderatoren ausgetauscht und einen neuen Chefredakteur bestellt. Das sei nur möglich gewesen, weil Scolik unabhängig und mutig sei, keiner Partei, dafür aber zu hundert Prozent dem Unternehmen verpflichtet.“ +++

+++ Außerdem auf der Seite: Mona Jaeger rezensiert die 3sat-Doku „Unsichtbare Hände. Wie Arbeitssklaven unseren Wohlstand schaffen“, Matthias Hannemann „Der verlorene Bruder“. Der Spielfilm läuft heute Abend im Ersten. Für die SZ schreibt David Denk: „Auf der Flucht aus den Ostgebieten mussten Ludwig und Elisabeth Blaschke ihren Erstgeborenen Arnold zurücklassen und leben mit dieser Leerstelle wie mit einer chronischen Erkrankung. Der Krieg ist lange vorbei, das Wirtschaftswunder hat den Blaschkes erst einen Ford Taunus, dann einen Opel Olympia und schließlich einen Opel Kapitän beschert, aber der materielle Wohlstand kann nicht über die seelische Wunde hinwegtäuschen.“ +++

+++ Wenn Sie hier klicken, können Sie lesen, was Peter Turi bei Turi2 zu Peter Turis neuestem Projekt Turi2 edition zu sagen hat. +++

+++ Für den Berliner Tagesspiegel hat Barbara Junge Javier Lesaca getroffen. Der Wissenschaftler analysiert die Propaganda des IS. Online steht jedoch nur ein Auszug des Textes. Wer mehr wissen will, wird zu Blendle geschickt (wo man der farbenfrohen Werbeshow entgeht, die tagesspiegel.de so mit sich bringt; siehe zum Thema auch diesen und diesen Tweet.) +++

+++ Wer gerne immer neue Video-Streaming-Dienste ausprobiert, kann bei DWDL nachlesen, ob sich Sky Online für ihn lohnt. Alternativ kann man auch Geld für den Pay-TV-Sender History ausgeben. Was dort im kommenden Jahr zu erwarten ist, steht ebenfalls bei DWDL. +++

Neues Altpapier gibt es morgen wieder. 

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