Blitzgneißer des Tages

Blitzgneißer des Tages

Ist Michael Bitala, der es in der SZ als Fernsehkritiker versucht. Geht nicht gut. Wie geht's der Huffington Post ab morgen? Auch nicht gut, meinen zwei Blogger-Giganten. Was macht die Fernsehkritk sonst so? Auch nicht gut, sagt ein getroffener Regisseur. WDR muss sparen. Aber garantiert nicht so, wie der Bund der Steuerzahler es rausgefunden haben will.

"Für den einzelnen Journalisten bedeutet das: Auf Hilfe von oben kann man nicht hoffen."

Nehmen wir uns einfach mal als Motto für heute ein Zitat aus dem Vorwort von Constantin Seibts Buch "Deadline", das aus seinem gleichnamigen Blog hervorgegangen ist, weswegen Seibt sich auf dem Weg nach Frankfurt befindet. Dort ist Buchmesse.

Auch wenn die Einleitung ja eigentlich der Anfang von allem ist, liest sie sich eher wie ein Austrudeln. Ob die Idee, das, was man jetzt über geraume Zeit im Internet lesen konnte, noch mal als Buch herauszugeben, marktwirtschaftlich gedacht der Oberhammer ist, würde man dann vielleicht doch bezweifeln – der einzige Grund, das Buch zu kaufen, wäre eigentlich die Sympathie für Seibt.

Zumal er für seine Texte ja auch schon einmal bezahlt worden ist und das nicht schlecht (1800 Franken pro FolgeMonat-sorry for that). Das sind Zustände, von denen die Blogger, die auf die Huffington Post hoffen, bekanntlich nur träumen können. Morgen – man will ja nur noch, dass es endlich vorbei ist, das Gespanntseinmüssen – ist es dann so weit. Heute wird noch mal drüber geschrieben. Und das doch sehr interessant.

Patrick Bahners' Riesenriemen auf der FAZ-Medienseite (Seite 31) wirkt dabei fast am verschüchtertsten, obwohl er Fakten hat, die belegen, dass mit der HuP so unternehmensethisch irgendwas nicht stimmen könnte. Es geht um Plagiatsvorwürfe vor Gericht in den USA:

"Die Kläger legen dar, sie hätten den Beklagten im Herbst 2004 ihr Konzept einer digitalen Sammeladresse für Meinungen und Nachrichten bekanntgemacht. Sie seien aufgefordert worden, einem der späteren Mitgründer der 'Huffington Post', Roy Sekoff, eine detaillierte Ausarbeitung zuzuleiten."

Anregend ist dieser Text, weil er Lust macht auf ein Drehbuch von Aaron Sorkin, das David Fincher dann verfilmen könnte – in der Hauptrolle von Frau Huffington: Meg Ryan, Laura Dern oder Maren Kroymann?, Titel: "The crucial Website" oder so. Das könnte doch eine schön schnell gesprochene dirty Kapitalismus-Parabel werden, wo nicht wichtig ist, wer die Idee hat, sondern wer sie am Ende für 300 Millionen an AOL verkauft – und dabei lauter Leute für umsonst arbeiten lässt. Great Stoff!

Was die Kritik an HuP angeht, ist Rainer Meyer aka Don Alphonso (ebenfalls FAZ S. 31) eine Nummer überzeugender. Hier kann man sehen, dass eine gewisse Arroganz hinreißend sein kann, wenn man hübsch argumentiert.

Das Arbeit-für-Fame-Modell denkt Meyer ein Stückchen weiter – in eine tatsächliche Monetarisierung aka indirekte Finanzierung. Dass Blogger von den Leuten bezahlt werden, über deren Produkte sie schreiben.

"Burda kann ein Lied davon singen: Als der Konzern Unmengen dieser Blogger kostenlos auf seine New-Media- Veranstaltung einladen ließ, kamen sie in Scharen an die Buffets, lobten das Treffen in höchsten Tönen und blieben erst aus, als Burda meinte, bei der Veranstaltung Eintritt verlangen zu müssen."

Die allerlässigste Betrachtung am – Guido-Knopp-Gedächtnis-Trommelwirbel – Vorabend des Sie-wissen-schon kommt aber von Frank Lübberding auf wiesaussieht.de. Für solche Texte ist das Wort Abstraktionsvermögen erfunden wurden. Lübberding reißt mal eben einen Finde-entscheidende-Unterschiede-Vergleich zwischen der US-Medienlandschaft und der deutschen runter. Dort powerfules Privatfernsehen und -radio, was Folgen für die überregionalen Zeitungen hat:

"Sie waren zwar für die politische Debatte wichtig, aber in ihrer ökonomischen Bedeutung als Marktteilnehmer nicht mit Deutschland vergleichbar. Die Printmedien standen in den USA schon immer in der Konkurrenz zu kommerziellen Radio- und Fernsehstationen. In Europa, etwa bei uns Bild, nutzten diese Lücke die Boulevardzeitungen. Es ist fraglich, ob sie unter amerikanischen Bedingungen so erfolgreich gewesen wäre."

In diesem kommerziellen Umfeld war der Erfolg für die HuP leichter, hier konnte so was bislang nicht gelingen, wie Lübberding meint, weil das Informationsniveau immer noch vom einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den überregionalen Zeitungen geprägt wird. Was die Bloglandschaft abbildet:

"Der Bild Blog braucht allerdings weiterhin die Bild, ansonsten wäre er nicht existenzfähig. Die Nachdenkseiten die Kritik an den etablierten Medien für ihr Konzept der Gegenöffentlichkeit. Thomas Knüwer die These von der Blödheit der anderen. Die Huffington Post braucht nicht die New York Times oder USA-Today. Thomas Knüwer wahrscheinlich auch nicht."

In diesen Zusammenhang gehört in gewisser Weise Bernhard Hübners Text in der Süddeutschen über Claudia Schiffers Sendung "Fashion Hero", die im Tagesspiegel von Sonja Álvarez eher medienimmanent als Heidi-Klum-Klon gelesen wird. Hübner geht es um mehr:

"Fashion Hero ist der bisherige Höhepunkt in einer rasanten Entwicklung: Die Fernsehsender entdecken den Handel als engen Partner und als neues wirtschaftliches Standbein. Sei es für Produktplatzierungen wie bei Pro Sieben oder gleich mit einem eigenen Versandhandel."

In Konkurrenz auch zu den Zeitungen.

[+++] Worauf der Journalist nicht hoffen kann: von Kritik verschont zu werden. Nicht immer wird sie allerdings so entschieden elegant geäußert, wie in dem seit ein paar Tagen kursierenden Post von Jay Rosen, in dem eine BBC-Interview mit Glenn Greenwald zerpflückt wird.

"No, your job as a journalist is to decide which of the common criticisms have merit, and ask about those, leaving the meritless to chatrooms. It is also to synthesize new criticisms, and ask about those. It is to advance the conversation, not just replay it. "People say these bad things about you– what is your response?" is outsourcing the work to other interested parties."

####LINKS####

Nice said. Merkwürdige Fragen finden sich sogar in Gesprächen, in denen es eigentlich um die Mechanismen des Journalismus gehen sollte – in diesem schon älteren Mitschnitt vom latest Reporterforumforum will etwa Spiegel-Focus-Frau Ulrike Demmer von Sahra Wagenknecht wissen (ab 11.56 min), welche Frage sie noch nie gestellt bekommen habe, aber gerne mal gestellt bekommen wolle. Nichts für ungut, aber da Constantin Seibt in Frankfurt weilt, können wir auch auflösen: Diese Frage ist eine Schülerzeitungsoriginalitätsfiktion. Erstens sagt Wagenknecht da zum Beispiel, dass sie gern zu ihren Themen befragt werde. Zweitens weiß da niemand eine kluge Antwort drauf. Und drittens ist das auch so outsourcing von eigener Arbeit.

Schweifen wir ab?

Journalistenbeschimpfung, einen Gang höher: In Blickpunktfilm wendet sich Hansjörg Thurn, der Regisseur des RTL-"Helden"-Films vom 3. Oktober (siehe Altpapier), in einem Offenen Brief (der in der dank der restriktiven Policy des Branchenblatts allerdings nur Abonnenten zur Verfügung steht) an seine Kritiker. Dass ihn die Verrisse getroffen haben, nimmt für ihn ein (das macht sicher kein gutes Gefühl). Der Versuch zurückzuschießen, kommt allerdings als so billiges Ich-hab-den-größten-Spaß-Vorgezeige daher –

"Ich bezweifle, dass auch nur ein einziger der Kritiker, die ihre Häme in die MacBooks oder Vaios getippt haben, bei seiner Arbeit auch nur einen Fingerhut voll von dem Spaß hatte, der uns alle getrieben hat. Vielleicht ist das der Grund für ihren eigenartigen Zorn. Ich möchte wirklich nicht mit ihnen tauschen" –,

dass man Stefan Winterbauer auf Meedia.de nur beipflichten kann:

"Die einfache und naheliegende Erklärung, dass der Film dramaturgisch, schauspielerisch, inszenatorisch Mist war, kommt dem Schöpfer des Streifens nicht in den Sinn."

Da Constantin Seibt immer noch in Frankfurt ist, kann man auch hier anfügen, was Thurn empirisch vermutlich gar nicht interessiert: Das Verreißen macht naturgemäß die größte Freude in den einsamen oder auch öden Stunden vor dem Rechner.


Altpapierkorb

+++ Dabei gibt es durchaus Grund, sich über Fernsehkritiker aufzuregen. Blitzgneißer des Tages: Michael Bitala in der SZ, der über Wolfgang Murnbergers ARD-Film "Wer hat Angst vorm weißen Mann?" schreibt. Wie will jemand die Darstellung von Rassismus beurteilen, der selbst gar nicht weiß, was das ist beziehungsweise völlig darin gefangen ist? "Das alles erinnert an die französische Komödie 'Ziemlich beste Freunde', wo ebenfalls ein Schwarzer einem behinderten, schlecht gelaunten Weißen die größte Hilfe sein muss", schreibt Bitala munter an seiner Ignoranz entlang, die eben verhindert, in anderen Menschen mehr zu erkennen als den einen offensichtlichen Unterschied zum Selbst. So wie Bitala "Ziemlich beste Freunde" auffasst, müsste man eigentlich mit totalseriösen Studien aus dem 19. Jahrhundert arbeiten, dass der Schwarze eben deshalb unterprivilegiert ist, weil Vermessungen an seinem Hirn ergeben haben – Mann, Mann, Mann, wie kann man im 2013 trotz Büchern, Internet und noch existierenden Zeitungen nur so dreisten Unsinn schreiben und Leuten die schwachsinnigsten Bezeichnungen zuweisen wollen, wo das doch ganz normale Menschen sind wie alle anderen auch. Warum machst du so was, SZ? Seufz. Die anderen Kritiken in der Reihenfolge in ihrer Peinlichkeit (abnehmend): Heike Hupertz in der FAZ, Jens Müller in der TAZ, Klaudia Wick in der Berliner. Deutsche Medien und Rassismus – don't try this at home. +++ Apropos totalseriöse Studien: Stefan Niggemeier nimmt die Bund-der-Steuerzahler-"Studie" zum Kürzungspotential bei ARD und ZDF auseinander, die wir gestern ganz unten und schmallippigst aber immer noch vermeldet hatten. "Heute erkläre ich Ihnen, wie ARD und ZDF eine halbe Milliarde Euro jährlich einsparen können. Achtung: Indem sie das Geld einfach nicht ausgeben. Ta-daa!" Wie Niggemeier das darlegt, hat für diese "Studie" mal jemand ein wenig gegoogelt: "Was man auf diese Weise sparen könnte? Die 'Studie' weiß es — wie so oft — auch nicht, glaubt aber einfach mal — wie so oft — dem ausgewiesenen Medienexperten Hans-Peter Siebenhaar vom 'Handelsblatt'." +++

+++ Sparen muss Tom "Ich liebe meinen Laden" Buhrow beim WDR. Das bringt ihm, hört, hört, Wohlwollen bei dem beliebten ÖR-Kritiker Michael Hanfeld in der FAZ (Seite 31) ein: "Und im Vergleich zur Zahl von rund viertausend Festangestellten nimmt sich der Abbau auch nicht so dramatisch aus, wie es bei Buhrow klingt. Doch ist der Bewusstseinswandel, für den er steht, schon bemerkenswert in einem öffentlich-rechtlichen System, das Einsparungen, wie sie der Rest der Welt kennt, stets zu vermeiden wusste." +++ Hans "Süffi-Sir" Hoff ist in der SZ nicht so leicht zu überzeugen: "'Das ist ein gigantischer struktureller Abgrund', sagt Buhrow am Dienstagnachmittag. Am Vormittag hat er bereits die Mitarbeiter informiert, dass die anstehenden Zeiten keine rosigen werden. 'Ende 2014 haben wir noch genau eine Million und gehen dann ab 6. Januar in den Keller', prophezeit er den Abstieg in die roten Zahlen. Eine richtig drastische Strukturreform traut er sich dann aber trotzdem nicht zu." +++ Thomas Gehringer erwähnt im Tagesspiegel unter der schönen Überschrift "Bilderstürmer Buhrow" (die WDR-Kunstsammlung wird vertickt) über gleichzeitige Neuerungen: "Vorerst hat er den drei Millionen Euro großen, von Monika Piel geschaffenen 'Innovationstopf“ des WDR in einen 'Verjüngungstopf' umbenannt. Außerdem will der Sender mit einem neu zugeschnittenen 'Kreativ-Volontariat' den 'positiv Verrückten ein Forum bieten, um beim WDR anzudocken'." +++ Am allerausgewogensten vermittelt Christian Meier auf Meedia.de zwischen Springer und dessen Betriebsrat, geht um Kürzungen in der Fläche: "Das Bild von der Abrissbirne stimmt nicht, selbst ein börsennotiertes Medienunternehmen hat keinen Anlass, seine bisherige Cashcow abzuschlachten. Doch die Sorgen und Einwände treffen auch wunde Punkte in der Springer-Strategie." +++

+++ Ex-MDR-Unterhaltungschef Udo Foht steht wegen Korruption und Betrugs vor Gericht. (TSP) +++ Die TAZ-Kriegsreporterin meldet heute unter anderem: "Wohl nix mehr werden wird es mit Focus. Das Blatt lässt zwar etliche seiner Redakteure ihre Koffer packen, um von Berlin statt von München aus über die Bundespolitik zu schreiben, kommt aber über das geistige Niveau des Betreuungsgeldes nicht hinaus: 'Will Hannelore Kraft die neue Mutti der Nation werden?', fragt es und beantwortet mit diesem zur Schau gestellten Geistesradius auch die Frage, wer auf immer das peinlichste Blatt der Nation bleiben wird."

Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder.

weitere Blogs

Symbol Frau und Sternchen
Geschlechtsneutrale oder geschlechtssensible Sprache erhitzt seit Jahren die Gemüter. Nun hat die Bayrische Landesregierung das Gendern verboten. Die Hessische Landesregierung will das Verbot ebenfalls einführen.
Eine Ordensschwester im Kongo wurde wieder freigelassen – weil der Bandenchef keinen Ärger wollte.
Ein spätes, unerwartetes Ostererlebnis der besonderen Art