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Döpfners Springer-Offerte stiftet Unruhe unter den WAZ-Gruppe-Gruppen. FAZ und Berliner kommen derweil mit neuem Internetauftritt daher

FAZ und Berliner Zeitung haben das verlängerte Wochenende genutzt, um ihren überarbeiteten Internetauftritt an den Start zu bringen. Wobei man im Falle der Berliner leider sagen muss, dass "überarbeiten" vielleicht das falsche Wort ist – weil es voraussetzt, dass da vorher etwas war.

Wem das jetzt zu defätistisch oder gar gemein klingt: Natürlich hatte die Berliner einen Internetauftritt, der in seiner Vernachlässigung Kontinuität die konservativen Gefühle jedes vernunftbegabten Menschen gewinnen musste. Nur wirkt der Sprung jetzt ein wenig groß, wenn es zur Erklärung des neuen Auftritts heißt:

"Mehr Kommentare, mehr Struktur, mehr Bilder, mehr Nachrichten."

Denn wenn mit den "Kommentaren" auch "Leserkommentare" gemeint sein sollten, was zumindest nicht ausgeschlossen wird, dann darf doch daran erinnert werden, dass es die bislang nicht gab.

Die Leser, die jetzt von der neuen Möglichkeit Gebrauch machen, sind fürs erste begeistert:

"Hey, sieht super aus"

Schreibt etwa "mannipulator3". Dabei ist der Sprung real eher klein: Die Onlineversion der Berliner sieht aus wie die der FR, bloß in blau. Dazu passt, dass die Texte der Printversion (ein beim alten Auftritt ein, von konservativen Lesern, geschätztes Plus) nicht eigens ausgewiesen werden.

Und so, und das stimmt dann nachdenklich, wenn nicht betrüblich, wirkt das Ganze eben weniger wie der Versuch, als Tageszeitung im 21. Jahrhundert etwas mit dem Internet anfangen zu wollen. Sondern eher wie eine Pflicht, die die Lieblosigkeit, mit der dieses Projekt vom Verlag betrieben wird, eher mittel bemäntelt. Schon im Relaunch-Erklärungstext findet sich der Abschnitt übers Archiv doppelt – offenbar ein Fehler der supportenden Technik.

Dass die Berliner online nicht wie state of the art wirkt, liegt natürlich auch daran, dass die FAZ auf diesem Feld andere Akzente setzt. Dreispaltiger, zeitungsnaher Aufbau, da ist Meedia.de des Lobes über den Eigenwillen voll:

"Das Besondere an dem Relaunch von Faz.net ist vor allem der Mut, auf ein völlig individuelles Layout umzustellen. Je mehr Vielfalt es im deutschen Web gibt, umso besser."

Der Hinweis eines FAZ-Kommentators (deren Mehrzahl die Kommentarbewertung als sinnvolles Tool vermisst – man muss beobachten, was draus wird), die FAZ habe die Zeit.de kopiert, geht ins Leere – als Vorbild könnte nytimes.com gedient haben, wo der stolze Namenszug ebenfalls so zentral und präsent erscheint, weil die Beiträge das Aufmachernewsgeschrei etwa von SpOn nicht mitmachen.

Das einzige, was einen beim FAZ-Auftritt nachdenklich hinterlässt, ist die Erklärung dafür (vielleicht ist die Werbeprosa einfach unvermeidlich, wobei sich der Text im Blatt zum Thema auf Seite 34 als Tagesablaufsbericht schon angenehmer liest) – vor allem in dem dazugehörigen Video, dessen Sprecher ("DieFAZimInternet") irgendwie nicht so klingt, wie man sich die eigene Eleganz und das Geschmacksbewusstsein der Zeitung akustisch vorstellt.

Es gibt noch mehr wie Relaunches auf der Welt.

Die Springer-Offerte an die WAZ-Gruppe-Gruppen beschäftigt die Berichterstatter. Man muss nicht Steffen Grimberg heißen, um darin in der TAZ eine Form von Wettbewerbspolitik zu entdecken. Kann aber:

"Da erinnert der Springer-Chef und Musikwissenschaftler Mathias Döpfner plötzlich an Uli Hoeneß: Ungeniertes Einschüchtern, Säbelrasseln. Mit seinem 1,4 Milliarden-Angebot zur Übernahme des WAZ-Konzerns lässt Springer die Muskeln spielen: "Wir könnten, wenn wir wollten." Natürlich macht ein Döpfner das nicht mit hochrotem Kopf und aufbrausendem Organ. Man sieht ihn förmlich lächeln bei der Abfassung seines leicht vergifteten Angebots."

Für die Details, zu denen die Aussichtslosigkeit gehört, die Regionalzeitungen der WAZ im Westen oder in Thüringen gehört, gibt es einen Grimberg-Text auf der Medienseite.

Dass Springer um die Aussichtslosigkeit weiß, weiß die FTD:

"Schon strategisch passt die Offerte nicht zu Springer. Döpfner setzt auf Online first und das Ausland."

Über Springers Schachzug heißt es weiter:

"Dass hier Döpfner Unfrieden säen will, ist offensichtlich. So kann er den Preis für die Funke-Erben treiben und sie finanziell wie strategisch schwächen. Die feine Art mag das nicht sein, legitim und clever ist es."

Interessant für eine Wirtschaftszeitung ist, dass die FTD die Gefahren des Wettbewerbs beschreibt: die Konkurrenten zu verärgern oder unglaubwürdig zu werden bei künftigen Geschäften.

Grimberg erkennt dagegen in der Offerte auch eine bewusste Attacke aufs Kartellrecht:

[listbox:title=Die Artikel des Tages[WAZ-Offerte: Döpfners Spaß (TAZ)##WAZ-Offerte: Döpfners Risiko (WAZ)##WAZ-Offerte: Döpfners Störfeuer (FAZ)##Dreispalter: FAZ.net neu (Meedia.de)##Niggemeier vs. Thibaut (Niggemeier)##]]

"Denn die Verleger blasen gerade zum Angriff auf das besondere Kartellrecht für die Presse. Springer könnte sich da als weißer Ritter für nicht mehr so ganz rund laufende Verlage aufspielen, der leider, leider nicht helfend eingreifen darf."

Die FAZ, die das Thema unter Wirtschaft verhandelt, sieht in Döpfners Störfeuer zum einen vor allem das Interesse an den Filets ("Krone"). Und einen wie auch immer gewollten Nebeneffekt der Preistreiberei:

"Sollte Grotkamp am Ende genötigt werden, ihr Angebot für die WAZ zu erhöhen, könnte auch das ein Erfolg für Döpfner sein: Die Alleineigentümerin hätte dann weniger Geld für dringende Investitionen zur Verfügung."

Mit der Grotkamp entgegen gesetzten Seite befasst sich die SZ (Seite 15): Hans Leyendecker stellt den "Mann im Hintergrund", den Testamentsvollstrecker der Brost-Seite, Peter Heinemann, Sohn des einstigen Bundespräsidenten.

Dabei geht es auch in die Tiefen von Genealogie und Moral:

"Eher ein Lehrstück für Erbrechtsseminare: Weder Martin Brost noch die Kinder haben zum Erfolg der WAZ beigetragen und sind steinreich geworden oder sollen es werden, weil sie Nachkommen sind. Da soll noch einer über Abfindungen an Manager wettern."

Indeed.


Altpapierkorb

+++ "Eine Stimmung wie bei der MDR-Intendantenwahl", bescheinigte Oliver Pocher der Deutschen-Fernsehpreis-Verleihung (11mal ARD, 2mal RTL, 1mal Kabel1, Pro7, Sat.1, ZDF). "Wenigstens spottet der Pocher", freut sich Hans Hoff in seiner Kritik in der SZ, in der eher die Annahme des Preises als Hinnahme beschreibt. +++ In der Berliner erzählt Marcus Bäcker den Pocher-Witz im Zusammenhang: "Nach einem gelungenem Scherz über die nicht unkomplizierte MDR-Intendantenwahl hatte er gemutmaßt, bei den öffentlich-rechtlichen Sendern sei man wahrscheinlich froh, dass er nicht mehr bei ihnen, sondern wieder bei den Privaten sei. Als die ARD-Vorsitzende und WDR-Intendantin Monika Piel daraufhin demonstrativ klatschte, wünschte Pocher ihr hellwach viel Spaß bei dem 'einen Jahr' mit Thomas Gottschalk." +++ Michael Hanfeld in der FAZ ist ebenfalls nicht gerade geflasht: "Man hat eher den Eindruck, dass der Preis im zehnten Jahr seines Bestehens zur lästigen Pflichtaufgabe geworden ist." +++ Und Senta Krasser wundert sich im Tagesspiegel wie alle, dass Frauke Ludowig die Qualität des ausgezeichneten Graf-Hochhäusler-Petzold-Projekts "Dreileben" zu erklären versuchte: "'Das war schon sehr durchdacht und sehr künstlerisch.'“ +++

+++ Apropos Tagesspiegel und wundern: Stefan Niggemeier erzählt auf seiner Seite von seiner Bildblog-Kritik an einem TSP-Artikel von Matthias Thibaut, der, das ist jetzt polemisch, in der Tatsache, dass die BBC seit vier Jahren ihren Mitarbeitern gestattet, den Beginn der Zeitrechnung anders zu beschreiben als mit "BC/AD", also "v.Chr./n.Chr.", die Übergabe der westlichen Welt an einen feindlichen Islam erkannt haben wollte. Thibaut hatte wiederum geantwortet - und das einzige, was Thibaut zur Verteidigung seiner falschen Angaben, die Niggemeier zuerst kritisiert hatte, einfällt, ist der polemische Charakter von Niggemeiers Text. Was soll man sagen? Leute, die nicht lesen können, sollten Frauke Ludowig gucken - der Vorwurf der Polemik ist so albern, zumal es doch weitaus problematischer ist, selbst Texte zu schreiben, die objektiv tun und darin tendenziös sind. Ganz zu schweigen von der Vorstellung, der Begriff der Toleranz hätte etwas mit Symmetrien zu tun. +++

+++ Im Spiegel gibt es einen längeren Bericht über die trostlosen Hintergründe des Politkowskaja-Mords (S. 88). +++ In der FAS hat Niggemeier über echte und Internet-Freundschaften vor dem Hintergrund der "Internetsucht" geschrieben. +++ Der Tagesspiegel hat am Wochenende ein lesenswertes Interview mit Constanze Kurz vom Chaos Computer Club veröffentlicht. +++ Ebenfalls im TSPSonja Pohlmann portraitiert Silke Super von, jetzt, Radio Eins. +++Die SZ berichtet über eine Guardian-Veranstaltung mit Carl "Watergate" Bernstein im News-of-the-World-Nachgang (S. 15, Video hier) +++

Neues Altpapier gibt's morgen wieder gegen 9 Uhr.
 

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