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Thomas Gottschalk bekommt den Grimme-Preis, die nicht twitternden Journalisten ebenso ihr Fett weg wie ihre Kritiker, und die taz recherchiert nichts ganz Neues, das aber en detail


Idealer Tag fürs "Altpapier": Freunde der Google-Suche finden es unter den Stichworten Thomas Gottschalk, Twitter und Prostitution.

Gottschalk, bekannt dadurch, dass er in den vergangenen Jahren bei "Wetten, dass..?" Stars wie Justin Bieber und KT zu Guttenberg abgefeiert, Sendungen auf Malle aufgenommen und Michelle Hunziker hoffähig gemacht hat, hat einen Grimme-Preis bekommen – und die Kommentatoren sagen: zurecht.

Das Branchenmagazin Funkkorrespondenz widmet den 47. Grimme-Preisen beinahe die ganze Ausgabe, hat, bei Interesse, auch alle Preisträger aufgelistet (zu finden bei Google mit "Grimme, Graf und Gottschalk") und bewahrt, während die Zeitungen eher auf einzelne Preisträger eingehen, den Blick fürs Strukturelle:

"Das Problem, das Grimme und seine Juroren mit der Unterhaltung haben, spiegelt sich dieses Jahr gewissermaßen in der Auszeichnung Thomas Gottschalks mit der 'Besonderen Ehrung'. Nur über diesen Behelf war es möglich, den in den vergangenen Jahrzehnten besten Entertainer des deutschen Fernsehens in den Grimme-Tempel aufzunehmen. Dass Gottschalk nie für 'Wetten, dass ..?' (ZDF) einen ‘normalen‘ Grimme-Preis erhalten hat, ist eigentlich unfassbar."

Wie in den Zeitungen schwingt hier jenes Bedürfnis mit, Thomas Gottschalk zum Ende seiner "Wetten, dass..?"-Laufbahn gut zu finden. Stefan Niggemeier bespricht Gottschalks Performance bei Grimmes in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auch eher positiv, wobei er sein Lob anreichert mit Verwunderung:

"(W)ährend er da stand, vorübergehend die Regie übernommen hatte und ganz groß wirkte und ganz klein, fragte man sich, warum er selbst nicht aufhören konnte, sich damit zu beschäftigen, was über ihn geschrieben wurde."

David Denk, selbst Mitglied der Nominierungskommission Unterhaltung beim 47. Grimme-Preis, wie er offenlegt, findet in der taz Gottschalk noch besser; bei taz.de unter der Überschrift "Gottschalk zeigt's allen", im Blatt unter dem Titel "Gottschalk will's wissen" (S. 17). Katja Hübner aber findet Gottschalk im Tagesspiegel wohl für diesmal am besten, wenn sie schreibt, es sei "die Mischung aus Empathie, Warmherzigkeit, Ironie und Jungenhaftigkeit, die Thomas Gottschalk als Moderator einzigartig macht".

Sogar der wegen der Grimme-Preise ganz grundsätzlich beleidigte Öffentlich-rechtliches-Systemkritiker Tele-5-Geschäftsführter Kai Blasberg, dessen Sender erwartungsgemäß – wie weniger erwartungsgemäß auch alle anderen privaten Sender – komplett leer ausgegangen sind, was Blasberg als "großen Akt der Ehrlichkeit" bezeichnet, lobt bei DWDL Gottschalk:

"Thomas Gottschalk konnte einem in diesem Zwergstaat fast leid tun. Einmal mehr zeigte er in drei Minuten, welch ein Riese da gehen will."

Andererseits: Was soll er auch sonst sagen über sein bekanntestes Pferd im Stall? Oder, um es anders zu sagen und so zum nächsten Thema überzuleiten: Ist es eigentlich für den normalen Zuschauer transparent, dass Blasberg hier seinen eigenen Moderator ins grelle Licht rückt?

[listbox:title=Artikel des Tages[Alle Preisträger des Grimme-Preises (FK)##Zeitung zu kaufen? (taz)##Twittern für Journalisten (FAS)##Japans Medien (BLZ)]]

Käuflichkeit war das Thema der sonntaz am Wochenende: Sebastian Heiser recherchierte verdeckt, wie unabhängig die Presse ist. Als Tobias Kaiser bot er Anzeigenabteilungen von Zeitungen Werbung an, sofern "auch ein journalistisch anmutender Text zum von mir vorgegebenen Thema in der Zeitung erscheint". Vier Seiten umfasst sein Artikel, dazu steht der Recherchehergang im taz-Blog, und es gibt eine Erklärung von taz-Chefredakteurin Ines Pohl über die Gepflogenheiten der taz, etwa über die eigenen Verlagsseiten: "Diese Seiten tragen den Eigennamen 'taz thema', im Titelkopf steht: 'Die Verlagsseiten der tageszeitung'."

Ob man sagen kann, dass Heiser der Presse strukturelle Käuflichkeit nachgewiesen hat? Die SZ hebt und senkt den Daumen:

"Es ist dem Autor gelungen, Anzeigen-Abteilungen in Sachen 'Sonderveröffentlichungen' zu teilweise haarsträubenden Offerten zu verleiten. Im klassisch redaktionellen Teil der Blätter gelang ihm das aber nie. Das heißt nicht, dass diese Arbeit nicht verdienstvoll wäre. Nur der laute Titel und die klebrigen Bilder" – gemeint sind Bilder wie das oben im Altpapier gezeigte – "passen nicht ganz zum Ergebnis. Aber dafür kann der Autor nichts."

Und dann wäre da noch Twitter: Wiederum die SZ und wiederum die FAS nehmen sich noch einmal der nicht twitternden Hauptstadtjournalisten an (siehe Altpapier vom Mittwoch).

Stefan Niggemeier hat für die FAS die bekannte Causa "Warum twittert der Regierungssprecher?" noch einmal ergänzend aufbereitet, auch mit einer Handreichung für Anfänger, und schließt:

"Ein Journalist sagte auf der Bundespressekonferenz treuherzig als Argument gegen die Benutzung von Twitter, er habe im Internet (!) herausgefunden, dass sich auf Twitter immer wieder Menschen als andere ausgäben. Erstaunlicherweise hat, nachdem der grüne Wahlsieger Winfried Kretschmann von einer Parodistin angerufen wurde, die sich als Angela Merkel ausgab, niemand gefordert, das Telefonieren aus Sicherheitsgründen einzustellen."

Während die SZ (S. 11) schnurstracks von der Bundespressekonferenz zu einer Rede überleitet, die "der 80-jährige Philosoph Michel Serres am 1. März über die Erziehung und die Jugend gehalten hat, und rät:

"Spart man sich (...) billige Überlegenheitsgefühle, so offenbart der kleine Vorfall erneut eines: Wie mühsam gelegentlich nur die Erkenntnis reift, dass in der Informationsaufnahme eben nichts mehr je wieder so sein wird wie es jahrzehntelang war, und vielleicht gut war. Und dass das beste Gegenmittel gegen den Abschiedsschmerz die unbedingte Neugier auf das Neue ist."


Altpapierkorb

+++ Die Frankfurter Rundschau hat heute morgen keine Medieninhalte online gestellt – was nicht mit den aktuellen Entwicklungen zu tun haben muss, sondern schon hin und wieder einmal vorkam. Sie kommen fast ausnahmslos von der Berliner Zeitung, und am Samstag gab es weitere Erklärungen zu den bevorstehenden "Umstrukturierungsmaßnahmen", die de facto das Ende der FR als eigenständige Zeitung bedeuten: Verleger Alfred NevenDuMont erklärte sich in den Hausblättern, anbei der KSTA +++ Die FTD berichtet über die Schrumpfung der FR +++ Und die FAZ zitiert genaue Zahlen: "Es werden achtundachtzig betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen, von rund 190 Redaktionsstellen sollen letzten Endes nach Umschichtungen vierundvierzig wegfallen. Der Deutsche Journalisten-Verband rechnet noch etwas genauer und kommt auf die Zahl von nur 41 (von 115) Redakteuren, die künftig im Frankfurter Verlag für die 'Rundschau' wirken." +++

+++ Die japanischen Medien beleuchten Der Spiegel (S. 140 ff.): " Japans Medien können den Alptraum zwar nicht vergessen machen, aber sie wetteifern darum, ein bisschen Hoffnung zu wecken, auch bei „Hodo Station“, dem täglichen Abendmagazin von TV Asahi" +++ Und die Berliner Zeitung: " Japan gehört zu den Ländern mit den höchsten Zeitungsauflagen. Doch inhaltlich bewegen sich die als seriös geltenden Blätter des Landes auf Samtpfoten durch den japanischen Alltag" +++ Während der Tagesspiegel einen Sender von Libyens Aufständigen vorstellt: "Fast gleichzeitig gingen zwei Programme der Aufständischen über den Satelliten Arab Sat auf Sendung, die nun dem Propagandaapparat Gaddafis Paroli bieten. „Freies Libyen“ arbeitet von Benghasi aus, „Libya TV“ sitzt in Qatars Hauptstadt Doha." +++ Und die taz bespricht einen Arte-Film über Ägyptens Musikfernsehen (S. 17) +++

+++ Das aktuelle Fernsehprogramm: wie üblich montags mit dem ZDF-Film, diesmal "Die Minensucherin" mit Christine Neubauer, von Marcus O. Rosenmüller: besprochen von der FAZ (S. 31), der SZ (S. 15) und dem Tagesspiegel +++ Ebenfalls in der FAZ: "Your Deserve It" bei Sat. 1 +++ "Die Letzten ihrer Art" heißt eine Arte-Doku, besprochen von Berliner und SZ +++ Letztere widmet ihren Aufmacher der US-Serie "The Kennedys", die das liberale Amerika "zur Weißglut" brächten +++

+++ Alica Schwarzer trifft den Nachwuchs – taz.de is not amused über das Ergebnis in EMMA +++ Monica Lierhaus beschäftigt den Spiegel, der meldet: "Der Chef der ARD-Fernsehlotterie, Christian Kipper, sieht durch die Honorar-Debatte um seinen neuen Werbestar Monica Lierhaus das Image seiner Lotterie und das der ARD beschädigt", und in der Folge auch den Tagesspiegel +++

+++ Was kostet die Leichtathletik? ARD und ZDF kostet die WM "weniger als drei Millionen Euro" (wiederum Spiegel) +++

Das Altpapier stapelt sich wieder am Dienstag.

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