Wem der Fernseher nützt

Wem der Fernseher nützt

Das Dschungelcamp und 2030 werfen Schatten voraus. Rainer Langhans strahlt, Graf Nayhauß geht ein bisschen. Und im ZDF riecht's nach Schleichwerbung

Wenn wir Carta wären, würden wir einen Livestream einrichten: Heute werden die Teilnehmer der diesjährigen Dschungelcamp-Session verkündet, die am Freitag startet.

Ähnlich wie DSDS (siehe Altpapier von gestern) lässt sich der Erfolg von "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" daran erkennen, dass die Sendung eigene Formen von Berichterstattung hervorgebracht hat. Und damit ist nicht das Begleitgeräusch von affirmativ-frivolem Bashing gemeint.

Sondern eine Form des Metatextes, mit der Carsten Heidböhmer auf stern.de aufwartet: der Teilnehmerspekulationskritik.

"Noch immer hat RTL nicht bekanntgegeben, wer am Freitag ins 'Dschungelcamp' einziehen wird. Doch seit Wochen sprießen die Gerüchte. Aktuell werden Schwimmer Thomas Rupprath und Mathieu Carrière gehandelt. Woher kommen die Spekulationen – und wem nützen sie?"

Heißt es in gewiefter investigativer Tradition (Cui bono?) im Untertitel des Textes. Für die ganz große Investigation hat es dann, warum auch immer, nicht gereicht:

"So sehr RTL von den brodelnden Gerüchten profitiert, so großen Wert legt man darauf, die Spekulationen nicht selbst anzuheizen. 'Wir geben keine Informationen an Medien heraus', heißt es beim Kölner Sender. Eine Absprache mit der 'Bild'-Zeitung weist man klar zurück."

So sehr das nun stimmt oder nicht, so unwichtig ist es eigentlich, weil die Spekulationen naturgemäß zum Format gehören – und darüber so pseudonachrichtlich zu handeln wie über die Westerwelle-Nachfolge offenbart dann entweder ein naives Medienverständnis oder bewusstes Dooftun im Interesse des Klickpimping.

Der Teilnehmer, der bereits feststeht, heißt Rainer Langhans, 70, Symbolfigur des undogmatischen Teils der 68er Bewegung – und Cigdem Akyol hat für die TAZ bereits mit ihm gesprochen.

Auf die Frage nach möglichen Schäden für den eigenen Ruf wird Langhans medientheoretisch, wenn nicht alltagsphilosophisch:

"Der ist sowieso zerstört. Das ist aber ganz gut, denn dann kann man frei leben, man kann sich frei erfinden."

Vielleicht sollte man mal versuchen, Thilo Sarrazin von dieser Seite her zu verstehen.

[listbox:title=Die Artikel des Tages[Rainer-Langhans-Interview (TAZ)##Schleichwerbung im ZDF?(SZ)##Mathias Döpfners 1323 Zeilen (Welt)##"2030"-Fernsehfilmkritik (TSP)##]]

Irgendwie auch ein interessantes Format: die zum Feuilletonaufmacher hochgezogene Fernsehfilmkritik. Wenn man, wie die FAZ, dem ZDF-Fernsehfilm "2030 – Aufstand der Jungen" (ZDF, 20.15 Uhr) den besten Platz im ganzen Buch einräumt (Seite 29), kann man sich wie Friederike Haupt nicht mit schnöder Fernsehfilmbeurteilung bescheiden.

"Die Zukunft, das ist das, was wir heute nicht verhindert haben. Was geschieht, wenn den Wählern weiterhin die nächsten Steuersenkungen wichtiger erscheinen als die nächsten zwanzig Jahre; wenn Politiker gegen die Jugend spekulieren mit einer Arroganz, die sich nur die Alten leisten können; wenn sie stets auf die Beschwichtigung setzen, die ausreicht, um die Mehrheit vorübergehend ruhigzustellen, während die Zeit verrinnt: Was dann geschieht, zeigt '2030 – Aufstand der Jungen'."

Wenn man den Film auf der Medienseite abhandelt, kann man sich dagegen mit schnöder Fernsehfilmbeurteilung bescheiden:

"Das alles ist auf der handwerklichen Ebene interessant anzusehen, wirkt aber phasenweise etwas spröde."

Schreibt Klaudia Wick in Berliner und FR. Thomas Gehringer, der seine eigene Syndication ist, meint in Tagesspiegel und KSTA:

"Zu allem gibt es Fakten, Fakten, Fakten, was den überfrachteten Film zu einer Vortragsreise durch die Zukunft werden lässt. Das ist nicht aufrüttelnd, sondern ermüdend."

 


Altpapierkorb

+++ In die Sache der in Iran inhaftierten BamS-Reporter Koch und Hellwig ist wenn nicht Bewegung, so doch Publizität gekommen: konzertierte Anzeigen in großen Zeitungen (wie etwa auf der Medienseite der SZ heute, Seite 15). Michael Hanfeld schreibt in der FAZ (Seite 33) dazu: "Der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi hat im aktuellen 'Spiegel' zugesagt, die Reporter fair zu behandeln...Doch ließ Salehi zugleich durchblicken, dass es, um eine schnelle Lösung zu erreichen, hilfreich sein könnte, wenn der Springer-Verlag und die Chefredaktion der 'Bild am Sonntag' 'einräumen würden, dass sie einen Fehler gemacht haben'. Sie sollten sich entschuldigen und dafür Sorge tragen, 'dass sich so etwas nicht wiederholt'. Die iranische Führung erwartet also einen Kotau, gäbe sie die Reporter einfach so frei, würde sie damit ja eingestehen, selbst einen Fehler gemacht zu haben." +++ Auf den ersten Blick nichts, und nach der halbstündigen Lektüre dann irgendwie alles zu tun hat damit der beeindruckende 1323 Zeilen lange Text von Springer-Chef Mathias Döpfner in der Welt, der von Gustave Courbets Bild "Der Ursprung der Welt" ausgehend über Scham, Religion, Tod und auch "meiner kleinen privaten Kunstsammlung" handelt. +++

+++ Hans Leyendecker persönlich verabschiedet in der SZ (Seite 15) Mainhardt Graf Nayhauß-Cormons vom Bild-Kolumnisten-Dasein, ein Abschied der, wie etwa hier zu lesen ist, ja schon im Jahre 2000 begann (ganz interessant: damals liefen noch 5 Fernseher in seinem Büro, zu Hochzeiten waren es laut Leyendecker 7, heute sind es, ebenfalls laut Leyendecker noch 2): "Den Spross einer alten schlesischen Adelsfamilie, dessen Großvater als Mitbegründer der Zentrums-Partei im Deutschen Reichstag saß und dessen Vater 1933 von der Gestapo ermordet wurde, haben die üblichen Wichtigtuer des Berufsstandes gern als Hofberichterstatter abgetan, was er nie war. 'Graf Scheißhaus' haben sie ihn auch genannt – genau wie die Nazis den jungen Nayhauß gerufen hatten." Zur Ruhe setzen muss sich der 84-Jährige aber wohl nicht: Für seine akutelle Rubrik ("Meine Top10 der Woche") stehe er in Verhandlungen mit einem Magazin. +++ Wieder da ist dagegen Stefan Aust, und er sieht auch aus wie immer, wenn auch bei N24. Der Tagesspiegel informiert. +++ Auch zurück: Hugh Hefner hat den Zuschlag für seinen Playboy bekommen (HB). +++ Neu, aber nicht so anders wird Steffen Hallschka bei Stern TV als Jauch-Nachfolger sein. Peer Schader in der FAZ (Seite 33): "Gut möglich, dass manchen Zuschauern der Moderatorenwechsel gar nicht auffällt." +++ Hallaschka selbst im TAZ-Interview: "Ich will, wenn möglich, die Sendung ganz lange moderieren. Schreiben Sie 25 Jahre. Damit hätte ich noch etwas Eigenes gesetzt." +++

+++ Was nicht zurückkommen sollte: Polittalk in Sat.1. Meint zumindest Thomas Lückerath auf DWDL. +++ Was nicht mehr passieren sollte: Skandale in ARD und ZDF. Fordert die Produzentenallianz via Handelsblatt. +++ Und dann das: Das so genannte Branchenmagazin Cast hat laut SZ im ZDF-Sonntagsfilm ein Parfüm entdeckt, dass dem Parfüm, für das Hauptdarstellerin Dennenesch Zoudé wirbt, verblüffend ähnlich sieht. Der Zufall? +++ Carsten Maschmeyer will, wie der SZ (Seite 15) zu entnehmen ist, einen Film über ihn und seine AWD-Geschäfte in der ARD verhindern, die Dokumentation "Der Drückerkönig und die Politik" soll aber morgen 21.45 Uhr gesendet werden. +++ Wäre das in Ungarn anders? Die SZ (Seite 15) berichtet über die Klauseln des neuen Mediengesetzes. +++

Neues Altpapier gibt's morgen wieder ab 9 Uhr.
 

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