Zack, aus, Ende

Zack, aus, Ende

Guttenberg ohne Kerner in Afghanistan. Volker Herres redet schön, Anne Will sagt "unschön", beim KiKa ist’s das System. Bei Florian Illies auch?

Was immer man von Angela Merkel halten mag, Humor hat sie. Auf der nunmehr achten Reise binnen eines Jahres von Verteidigungsminister "KT" Guttenberg nach Afghanistan war die Kanzlerin am Start und sagte über ihren Minister laut begleitender Medien folgendes:

"Es werde wohl nicht oft vorkommen, dass er binnen einer Woche mit zwei verschiedenen Frauen nach Afghanistan reise."

Wenn Guttenberg nun den Humor seiner Chefin hätte, würde er seine neunte Reise am 24. Dezember an der Seite von Daniela Katzenberger bestreiten – ein weihnachtliches Kostüm trägt Katzenberger für den Vox-Adventskalender schon seit Wochen.

Genug der Scherze. Denn Merkel hat noch mehr gesagt. "Krieg" etwa. Oder auch etwas zur siebten Reise des Ministers, die die erste seiner Frau war:

"Im Übrigen lobte sie die Reise der Guttenbergs, die auch den Soldaten gefallen habe."

Das ging manchem medialen Beobachter hier anders. Hanno Terbuyken markiert in seiner Kritik der Kerner-Sendung auf evangelisch.de den Punkt, um den geht, weil es bei der Guttenbergs-Kerner-Reise genau darum nicht zu gehen schien:

"Das Fatale an der Inszenierung, die Kerner und Sat.1 fröhlich mitgehen, ist, dass die Ausgangsfrage völlig selbstverständlich bejaht wird."

Harald Staun unterzieht die in Afghanistan produzierten Guttenberg-Bilder in der FAS (Seite 33) einer Kritik, die zu dem originellen Schluss kommt, dass man gerade bei Glamour-KT erkennt, was man beim drögen Franz Josef Jung leichter übersehen kann:

"Jenes Zuviel an Show, das die Kritiker bemängeln, macht zwar, einerseits, gerade ihren Erfolg aus. Doch letztlich macht die Überzeichnung auch die Konstruiertheit solcher Bilder deutlich."

Problem dabei ist wohl nur, dass die Mehrheit der Menschen, die Guttenberg in Afghanistan an der Seite von lovely Stephie sehen, so genau gar nicht hingucken wollen.

Trösten wir uns mit Kurt Kister, der selbst im für seine Verhältnisse ruhigen Ton in der SZ Beobachtungen machte, von denen man eine Weile leben kann:

"Die Afghanen waren entweder Zivilisten (gerne Kinder in Sandalen) oder, wie es in den Filmbeiträgen sehr bestimmt hieß, 'der Feind'. Es wäre sehr verdienstvoll, wenn mal jemand einen Film, gar eine Talkshow, darüber machte, was geschehen muss, damit ganz normale Menschen immer als 'die Zivilbevölkerung' beschrieben werden."

Und am Ende gibt sich Kister fast versöhnt mit dem "reservestabsbootsmannhaft fragenden" Kerner:

"Wer übrigens in den endlos langen Werbepausen zum ZDF schaltete, sah dort in Illners Talkshow das übliche Geisterbahn-Personal von Precht über Jörges bis Geißler. Da versöhnte man sich schon fast wieder mit Kerner und seinen Hauptfeldwebeln."

Das übliche Geisterbahn-Personal der Talkshows, das die ARD ab 2011 noch konzertierter auf den Zuschauer loslassen wird. Bernd Gäbler macht sich im Tagesspiegel die Gedanken der Talkshow-Redakteure:

"Der Dings ist auch gut, dieser Boxer da, vom Porsche-Betriebsrat. Geht es um die Wirtschaft, sitzt da am Ende doch wieder Hans-Werner Sinn mit dem markanten Bart oder der deutschnational schnarrende Trigema-Stehkragen Wolfgang Grupp, weil die wichtigen Konzernbosse nicht mitspielen."

Auch hier stirbt die Hoffnung zuletzt:

"Vielleicht zwingt demnächst ja einfach die Vielzahl der Runden zu Originalität."

Die Augen reiben muss man sich bei Daniel Bouhsens Beitrag in der FR (in der Berliner ist heute nichts online, was aber nicht schlimm ist, weil in der FR ja das gleiche steht): Da wird nämlich auf ARD-Programmdirektor Volker Herres verwiesen, der nach dem ganzen Jauch-Will-Plasberg-Beckmann-Maischberger-Sendeplatzgeschacher allen Ernstes behauptet:

"'Die einzelnen Talks werden voraussichtlich etwas seltener im Jahr laufen.'"

Die reduzierte Präsenz des personengebundenen Talks hat ein Ziel:

"Nun sagt Herres, es werde sich zwar etwas an den Sendeplätzen für Dokumentationen ändern, aber die Anzahl der Filme werde 'im Jahresschnitt keine nennenswerten Einbußen erfahren'."

Das ist nun wiederum ein Witz, den Angela Merkel auslassen würde, obwohl sie Herres' Dilemma kennt: Weil man es immer allen Recht machen will, ändert man etwas, um dann zu behaupten, dass sich nichts ändert. Man könnte diesen rhetorischen Spagat mit Verweis auf Gäbler (2010, a.a.O.) den klassischen Kocks nennen ("Einmal – als Gast von Markus Lanz – hat er es sogar fertiggebracht, in derselben Sendung energisch den Rücktritt von Renate Schmidt zu fordern und das Gegenteil, weil ihr Vergehen doch eine Bagatelle sei.")

[listbox:title=Die Artikel des Tages[Der KiKa-Skandal (Sp)##Das Volker-Herres-Dilemma (FR)##Das übliche Talkshow-Personal (TSP)##Die Kerner-Sendung (SZ)##Büchersendungen im Fernsehen (FK)##]]

Zweite Zündstufe in Herres' Blendfeuerwerk zur Wiederherstellung der Bildungsauftragsehre ist dann das Behaupten von Qualität, wo keine ist. Nichts gegen Naturfilme, aber wer von Dokumentationen spricht, meint doch irgendwie was anderes als Herres:

"'Das geht in der Diskussion völlig unter: Das Erste Deutsche Fernsehen zeigt montags zur besten Primetime Dokumentationen', so der Programmchef. Das, was in der Reihe 'Erlebnis Erde' zu sehen sei, werde 'immer als Naturfernsehen abgetan', sei aber 'ganz klassisches Dokumentationsfernsehen'."

Aufreger des Tages aber ist das Anne-Will-Interview im Spiegel (Seite 158), das etwa der Tagesspiegel referiert. Darin gibt es neben den, was bleibt auch sonst, Durchhalteparolen von der Eigen-PR ("Ich freue mich auf den Mittwoch") auch kritische Worte:

"Es wäre hilfreich gewesen, wenn die ARD zeitgleich mit der Verkündigung von Jauchs Verpflichtung ein fertiges Konzept für den Rest der Woche gehabt hätte. Nach der Ankündigung im Juni blieb es quasi dem Kampfeswillen der Moderatoren überlassen, sich möglichst gut im Rennen zu halten. Das war unschön."

Die FDP nennt es Leistungsgesellschaft. Die beste Stelle im Gespräch ist allerdings Wills theologisch basierte Fernsehtheorie, die irgendwie so versöhnlich stimmt, wie man nur als Zivilbevölkerung mit Blick auf den Vox-Adventskalender in diesen Tagen gestimmt sein kann:

"Wenn ich gesagt habe, ich will nicht die Erlöserin sein, meinte ich damit, dass ich das Fernsehen weder zu wichtig nehmen noch neu erfinden will. Wir sprechen von Fernsehen. Zack, aus, Ende. Mehr ist es nicht."

Jö. Wenn das jetzt noch jemand Johannes B. Kerner schonend beibringt, dürfen wir uns auf wahrlich besinnliche Stunden freuen.


Altpapierkorb

+++ Der zweite Aufreger ist der KiKa-Skandal um die 4 Millionen Euro, die Herstellungsleiter Marco K. durch Abrechnungen für nothing erwirtschaftet hat – zu Ungunsten seines Arbeitgebers. Der Spiegel (Seite 162) wittert mehr dahinter. +++ Und auch Diemut Roether stellt sich in epd medien Fragen zum System. +++

+++ Der eigentliche Aufreger ist derzeit naturgemäß der Winter, der der Zivilbevölkerung ja nur noch als "Schneechaos" gegenübertritt. Das FAZ-Fernsehblog hat die Dementis der eigenen Hysterie zusammengeschnitten, die – ja, leider, das ist ja das Schlimme – drei ARD-Sendungen produziert haben. Besonders absurd: Sarah "Verdammt" Tacke (ab 2.30 Min). +++

+++ Nils Minkmar erkennt in der FAS (Seite 33) in Florian Illies' Wechsel vom Zeit-Feuilleton ins Auktionshaus Grisebach mehr (Vergiftung des Debattenklimas) als der landläufige FDP-Anhänger erkennen würde (Karriereschritt), schreibt aber sehr schön und persönlich über den einstigen Kollegen (Illies war einmal FAS-Feuilleton-Chef), dessen Führungsstil er schätzt: "Als ich nach wenigen Tagen im gemeinsamen Ressort einen Praktikanten bat, ein bestimmtes Buch kaufen zu gehen, weil die Zeit wirklich drängte, eilte Florian hinzu und versicherte dem jungen Mann, dafür werde er bald einen großen Artikel schreiben dürfen, mitnichten sei er nur als Buchabholer hier." Wenn wir schon persönlich werden und doch bald Weihnachten ist: Bei dem Buch handelte es sich seinerzeit um den neuesten Kracher von Ulrich Wickert, den es damals nur noch in einer Buchhandlung am Berliner Zoo gab. Herr Minkmar bat mich höflich und im Bewusstsein des Niederen an diesem Dienst um den Gefallen. Es war kein Problem. Vielleicht ist es auch deshalb zu dem großen Artikel nicht mehr gekommen. +++

+++ Ins Ausland. In Ungarn ziehen Verhältnisse zwischen Politik und Medien ein, für die sich die EU interessieren sollte, schreibt die SZ (Seite 15). +++ In Frankreich herrschen sie schon: Die Fernsehmoderatorin Audrey Pulvar muss anders als ihre Kolleginnen nur deshalb von der Mattscheibe verschwinden, weil sie mit einem Politiker aus der falschen Partei liiert ist, wie die TAZ berichtet. +++ Ebenfalls in Frankreich tritt Carine Roitfeld als Vogue-Chefin ab (SZ, Seite 15). +++

+++ Ins Inland. Der Tagesspiegel stellt das deutsch-türkische Radyo Metropol vor. +++ Die SZ berichtet von den Neuigkeiten bei der "Super Illu": Jochen Wolff hört nach 20 Jahren auf, für ihn übernimmt am 1. April Robert Schneider, 34, der zwar im Osten geboren ist, aber als stellvertretender Chefredakteur bei der BamS gearbeitet hat. +++ Und Brigitte Knott-Wolf widmet sich in der Funkkoresspondenz in angenehmer Ausführlichkeit den Büchersendungen des deutschen Fernsehens: "In der ZDF-Sendung ist man nett und geht jedem Krawall aus dem Weg. Selbst wenn die 'Vorlese' Ijoma Mangold und Amelie Fried sich über die Bewertung eines Buchs streiten, klingt das so unaufgeregt und inszeniert, dass man es eigentlich gar nicht ernst nehmen kann. Es gehört zu den Ritualen dieser Sendung, dass jeweils ein Buch von einem der beiden Moderatoren empfohlen wird und der andere anschließend dieses Lob durch kritische Bemerkungen relativiert."

+++ Das letzte Mal in diesem Jahr: Ulrike Langer schickt ihre fünf Links zum Wochenstart auf Carta. +++

Neues Altpapier gibt's morgen wieder ab 9 Uhr.
 

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