Psychologe: "Wer küsst, lebt länger"

Bruderkuss zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker
epd-bild/Rolf Zöllner
Bruderkuss zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker.
Zum "Tag des Kusses"
Psychologe: "Wer küsst, lebt länger"
Judaskuss, Bruderkuss und heiliger Kuss: Geküsst wurde schon in der Bibel. Heute steht ein romantischer Kuss für intensive Nähe - wenn in der Partnerschaft die Küsse kürzer werden, ist das ein Warnsignal. Am 6. Juli ist "Tag des Kusses".

Es war ein kurzer, flüchtiger Moment - aber er sorgte für Aufsehen und einen kleinen Skandal. Drei Frauen hatten bereits vier Minuten getanzt und gesungen, da küsste Madonna bei den MTV-Awards 2003 Britney Spears auf den Mund, direkt darauf erhielt auch Christina Aguilera einen Kuss auf der Bühne. Das war damals zwischen Frauen vor Kameras noch für Schlagzeilen gut und blieb vielen Menschen im Gedächtnis.

Das Londoner Pärchen James Belshaw und Sophia Severin bewies, dass Küssen nicht kurz sein muss: Ab dem 6. Juli 2005 drückten sie für 31 Stunden, 30 Minuten und 30 Sekunden ihre Lippen aufeinander - damals Rekord im Dauerknutschen. Dieser Tag, der bereits 1990 in Großbritannien als "National Kissing Day" begründet wurde, ist heute der "Internationale Tag des Kusses" - eine Würdigung von Liebe und Verbundenheit.

"Küssen ist der intensivste körperliche Austausch, da alle fünf Sinne Sehen, Hören, Riechen, Tasten und Schmecken beteiligt sind", sagt der Berliner Psychologe Wolfgang Krüger, der sich intensiv mit der Philematologie, der Kuss-Wissenschaft, beschäftigt und das Buch "Küssen als Sprache der Liebe" veröffentlicht hat. "Die Lippen sind mit den meisten Sinnenrezeptoren pro Quadratzentimeter das Lustzentrum für intensive Nähe", erklärt er. Für Krüger ist Küssen sogar intimer als Sex.

In der Partnerschaft sei es ein Warnsignal, wenn die Küsse kürzer würden. Ein romantischer Kuss dauere mindestens zwölf Sekunden. "Wenn wir uns innerlich voneinander entfernen, gibt es nur noch den Abschieds- und Begrüßungskuss und der erotische Kuss wird vermieden." Das sei der Beginn der Entfremdung, sagt Krüger.

Küssen ist gesund

Dabei sei Küssen sogar gesund. Wer regelmäßig küsse, lebe länger, sei glücklicher und werde weniger krank, ist Krüger überzeugt. Küssen stärke durch den Austausch von Bakterien die Abwehrkräfte, rege Glückshormone an und schwäche Schmerzen ab. Und es sei auch sportlich: Je Art des Kusses würden rund 38 bis 60 Muskeln benutzt. Allerdings können auch Krankheitserreger oder Kariesbakterien übertragen werden.

Dabei werden die Vorzüge des Kusses nicht auf der ganzen Welt geschätzt: Laut Krüger wird nur in der Hälfte der Kulturen gerne geküsst: "Das hängt damit zusammen, wie das Verhältnis in den jeweiligen Gesellschaften zur Intimität ist: Empfindet man eine innige Nähe als Bereicherung, redet man auch gern über Gefühle und auch über Schwächen oder hat man diesbezüglich Schamgefühle", erläutert der Psychologe.

Der Kuss in der Politik und in der Bibel

Neben dem romantischen Kuss gibt es natürlich auch andere Arten, die eher gesellschaftlichen Regeln und Ritualen entsprechen - etwa zeigt ein berühmtes Bild Leonid Breschnew und Erich Honecker beim sozialistischen Bruderkuss. Aus der Bibel ist den meisten Menschen vor allem ein unrühmlicher und folgenschwerer Kuss bekannt, von dem im Neuen Testament berichtet wird: Es ist der Kuss, mit dem der Jünger Judas nach biblischer Überlieferung Jesus verrät und ausliefert. "Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen genannt und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist's; den ergreift", heißt es im Matthäus-Evangelium. Ein Kuss, der als "Judaskuss" sprichwörtlich geworden ist.

Küsse haben keine Altersgrenze.

Die Hamburger Pastorin Ann-Kathrin Brenke, die sich mit dem Küssen in der Bibel beschäftigt hat, weiß aber darüber hinaus von zahlreichen positiven Kuss-Beispielen in der Heiligen Schrift zu berichten. So werde bereits im Alten Testament im Hohelied Salomons sehr leidenschaftlich geküsst: "Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; ja, deine Liebe ist köstlicher als Wein", heißt es dort. Häufiger seien in der Bibel allerdings der Begrüßungskuss, der Segenskuss auf die Stirn oder Küsse der Freundschaft: "Bewegend ist der Abschiedskuss zwischen David und Jonathan, die sich trennen müssen, weil ihre Liebe nicht sein darf", berichtet die Pastorin.

Ein Happy End gebe es dagegen für die Brüder Jacob und Esau. Nach jahrelangem Streit versöhnten sie sich und der Kuss erfolgte als Vergebung: "Esau lief Jacob entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn." Dann sei auch noch vom "heiligen Kuss" die Rede. In Briefen, die sich die ersten christlichen Gemeinden schrieben, wurden laut Brenke nicht nur Grüße ausgerichtet, sondern auch zu geschwisterlichen Küssen aufgefordert: "Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss." 

Der Kuss-Weltrekord, den das britische Paar James Belshaw und Sophia Severin einst aufstellt, wurde inzwischen übrigens mehrfach gebrochen: Mittlerweile liegt die längste Zeit des Dauerküssens bei 58 Stunden, 35 Minuten und 58 Sekunden, aufgestellt von dem thailändischen Paar Ekkachai und Laksana Tiranarat im Jahr 2013.