Das Gemeinwohl und Lena

Das Gemeinwohl und Lena

Auf Krawall gebürstet mit einander streiten, gut geföhnt aneinander vorbeireden oder polternd in Selbstmitleid versinken: Kommunikationsstrategien vom Kölner Medienforum.

Länger nichts mehr gehört von Konstantin Neven DuMont, dem größten und digitalsten Entertainer unter den jüngeren deutschen Verlegern.

Gestern morgen aber saß er auf einem Panel des Medienforums in seiner Heimat- und Verlagsstadt Köln. Es handelte sich um eine erwartungsgemäß zähe Zeitungszukunftsdiskussion. Per Skype war zunächst der persönlich verhinderte Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger zugeschaltet (sogar so, dass man seinen Vortrag in der zweiten Hälfte akustisch reibungslos verstand).

Später äußerte Neven DuMont komplizierte Sätze, über die auch er manchmal den Überblick verlor, die aber etwa um die völlig richtige Beobachtung kreisten, dass Lena Meyer-Landrut und die Fußballnationalmannschaft mit dem Gemeinwohl, als dessen Anwalt er die Zeitungen versteht, nicht so viel zu tun hätten wie viele Zeitungen gerade als Eindruck vermitteln. (Und wer wenn nicht das Altpapier wüsste komplizierte Sätze zu schätzen...)

Wo sich heute auf Papier über diese Diskussion nachlesen lässt: natürlich in der Kölner DuMont-Zeitung.

"Es sei wichtig, die Leser in Zukunft auf allen Verbreitungswegen zu erreichen, sei es in der gedruckten Zeitung, online oder auf mobilen Endgeräten. Zudem sei es wichtig, Themen zu setzen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass guter Journalismus Geld kostet und auf Dauer nicht kostenlos sein kann",

So fasst der Stadtanzeiger weitere Denkanstöße Neven DuMonts zusammen. Mehr allerdings geht es dort um den WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus, der auf demselben Podium erheblich polternder auftrat und zum Beispiel auch den Mediennewsdienst meedia.de ("übliches Gezeter der Verleger, die sich von allen Seiten benachteiligt sehen...") wie auch die Süddeutsche ("Mit seinem Vorschlag, der darauf hinausliefe, dass private Medienhäuser durch Rundfunkgebühren subventioniert würden, steht Nienhaus im deutschen Verlagswesen bisher allein da") gegen sich aufbrachte.

Siebzehn Zeilen widmet die SZ dem Thema , was im Prinzip völlig ausreicht. Einen längeren Artikel widmet die Berliner Zeitung (wiederum DuMont Schauberg) der Veranstaltung. Neben Nienhaus wird der immer so coole zeit.de-Chefredakteur Wolfgang Blau zitiert. Neven DuMont findet mit keinem Wort Erwähnung. (Und wer die Zeitungsmacher sein könnten, die laut BLZ "in Selbstmitleid versanken", mag sich ja denken, wer gern darüber nachdenken möchte).

Die TAZ indes hält in aller Knappheit gerade eine Neven DuMont-Prognose - dass es vielerorts bald "nur noch eine regionale oder lokale Zeitung geben" werde - für relativ zitierenswert.

[listbox:title=Artikel des Tages[Selbstmitleid (BLZ übers Medienforum)##Gezeter (meedia.de darüber)##Gebürsteter Krawall (dwdl.de darüber)##Focus für Führungselite! (Weimer zur FR)]]

Fazit: In solchen Diskussionen ist jeder Satz so wichtig wie jeder andere, man könnte jeden zitieren. Oder es bleiben lassen.

Wir zitieren hier exklusiv noch ein anderes Neven DuMont-Argument, mit dem der Verleger in der gestrigen Diskussion seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass sich Bezahlung für Journalismus im Internet doch noch durchsetzen könnte: Die Leute gehen auch ins Kino, um einen schönen Film zu sehen und bezahlen dafür, obwohl sie ja auch einen Film auf Vox gucken könnten.

Auf einem anderen Podium desselben Kongresses saß gestern tatsächlich Vox-Geschäftsführer Frank Hoffmann und war aus völlig anderem Grund "auf Krawall gebürstet", weiß dwdl.de zu berichten: Er diskutierte mit einem "Lieblingsfeindbild" oder zumindest einem von dessen Vertretern, dem ZDF-Neo-Chef Norbert Himmler.

Das immerhin lässt sich vom Kölner Medienforum sagen: Wenn auf Podien Leute sitzen, die zu prägnant gestellten Fragen à la "Zu viele Sender hat das Land?" tatsächlich konträre Meinungen haben, oder die in derselben Diskussionsrunde grundsätzlich aneinander vorbeireden (so wie Neven DuMont und Wolfgang Blau) oder die einander nicht einmal ansatzweise verstehen (so wie z.B. am Montag Carl-Christian Buhr aus dem Stab der Brüsseler EU-Kommission, der kaum in der Lage war, die Inhalte der anglofonen "Digital Agenda" in deutsche Umgangssprache zu übertragen, und der Privatsender-Haudegen Jürgen Doetz) - dann ist das ziemlich aufschlussreich.

 


Altpapierkorb

+++ "Sind Sie überrascht, dass Sie von der Linkspartei als Delegierte zur Wahl des Bundespräsidenten nominiert wurden?", fragt der Tagesspiegel. "Ja, ich wusste vorher gar nicht, dass auch Prominente für die Bundesversammlung nominiert werden", antwortet Andrea Sparmann, 28. Und woher oder wo ist Andrea Sparmann nochmal prominent? Antwort geben "allerlei News & ... eine Große Gallerie mit vielen Fotos von Andrea Sparmann!" auf andreasparmann.com. +++

+++ Warum Wolfram Weimer, der ab dem morgigen 1. Juli nun endlich, endlich, endlich als Focus-Chefredakteur amtiert, Sätze wie "Ich will einer urbanen Führungselite einen Resonanzboden für ihre Lebenswelt liefern" gleich der Frankfurt-Berliner DuMont-Presse offenbart, anstatt sie erstmal dem Kölner Medienforum zum Besten zu geben - unklar. +++ Diskursiv auf Augenhöhe: Liz Mohn ("Das Erfolgsgeheimnis von Bertelsmann ist eine Unternehmenskultur, die auf Partnerschaft und Eigenverantwortung basiert und damit...), die angesichts der morgigen Bertelsmann-Jubiläums von der Bild-Zeitung interviewt wird. +++ Der Einzelverkauf lag zuletzt bei 87.047 Heften, wer weiß, ob man so relevant noch einmal zusammenkommt", so schätzt die TAZ-Medienkriegsreporterin die Lage beim Focus ein (bevor sie sich weiter an Kai Diekmann abarbeitet). +++

+++ In München ist gerade Filmfest, mit traditionell großer Fernsehbeteiligung. Hier sei "der Grat schmal zwischen nackter Verzweiflung und gespieltem Erfolg", weiß Michael Seewald (FAZ, S. 35) und gibt Insidereien vom Darstellermarkt wieder: "'Man muss sich zeigen, damit man nicht in Vergessenheit gerät', sagt Barbara Wussow und berichtet von überfallartigen Job-Angeboten: 'Im Februar bekam ich donnerstags das Angebot für einen Zweiteiler, freitags die Bücher, und montags haben wir schon gedreht.'". Wirklich "ausgebucht" sei allein Christine Neubauer. +++

+++ Die Verzweiflung Matthias Kalles als WM-Kolumnist stagniert auf höchstem Niveau. Daher werde Brasilien Weltmeister. +++ Heute ist kein Fußball im Fernsehen, sondern stattdessen mal wieder "Dieter Pfaff als immer dicker werdenden Therapeutenonkel" (BLZ) namens "Bloch" im ARD-Programm zu sehen. "Auf der Höhe der Hellsicht" sei er dennoch, meint der Tsp.. +++

+++ Ins Ausland: "Google will sein Geschäft in China mit einem Zugeständnis an die Regierung retten" (Süddeutsche, S. 1). +++ Denn heute ist ein "Schicksalstag" für den US-Konzern (Handelsblatt). "Wenn Google heute im Kampf gegen die Internetzensur in China seine Lizenz verlieren sollte, dann hat der Konzern seinen guten Ruf gewahrt – aber einen riesigen Markt in Asien verloren." +++ Die Lage bei Le Monde schildert der Tagesspiegel. +++

+++ Um "Bürgerradios und freie Radios" als "die dritte Säule in der deutschen Medienlanschaft" kümmert sich die Süddeutsche auf ihrer Medienseite. +++ Um eine aus rätselhaften Gründen zwölf Stunden lang abgeschaltete BP-Boykott-Seite bei Facebook kümmerte sich faz.net. "Ob das glaubwürdig klingt", was "eine deutsche Vertreterin von Facebook" (die es offenbar inzwischen gibt) Michael Hanfeld auf Anfrage mitteilte, darüber soll bitte gestritten werden. +++

+++ Und im Rahmen seiner Kampagne gegen Christian Wulff als Bundespräsidenten holt das FAZ-Feuilleton ein ganz schweres Geschütz vor und fragt, "ob Christian Wulff weiß, was Frauen über Männer denken, die im reifen Alter den 'Kleinen Prinzen' lesen?"
 


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