David Steindl-Rast OSB (also Benediktinermönch) ist durch zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge bekannt. Er gilt laut einer ihm gewidmeten Online-Bibliothek als „einer der bedeutendsten spirituellen Lehrer der Gegenwart.“ Fast habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich noch nie von ihm gehört habe, aber na ja, ich bin ja auch evangelisch.
Bruder Davids Thema ist vor allem die Dankbarkeit, mit der wir allem und allen begegnen sollen. In diesen Tagen feierte er seinen 99. Geburtstag – und hat nun ein neues Kapitel aufgeschlagen.
Denn: Den Mönch gibt’s jetzt auch als Bot. Prof. Wolfgang Pree vom Fachbereich Informatik der Universität Salzburg war mit dieser Idee auf ihn zugekommen. Schließlich existieren ja doch etliche Schriften des berühmten Mönchs. Die Grundidee ist recht einfach, wenn auch in der Umsetzung sicherlich deutlich komplexer: Man nehme eine Bot-Software, schütte alle Texte des Mönchs rein und schaue, was der Bot auf diverse Fragen antwortet. Dazu gibt’s noch ein Sprachtraining für den Computer, der nun mit der Stimme von Bruder David die generierten Antworten sprechen kann.
Das scheint bei der Präsentation sehr gut funktioniert zu haben. Das Publikum tat sich sehr schwer, die Antworten des Bots von denen des echten David zu unterscheiden.
Unter www.brotherdavid.bot können Sie – nach Registrierung – selbst Fragen stellen und auch ein „Dankbarkeits-Tagebuch“ führen. Ich habe das gleich mal ausprobiert und ein paar Fragen gestellt, deren Beantwortung durchaus umstritten sein könnte. Etwa: Wann wurde die Erde erschaffen? Ist es in Ordnung, Fleisch zu essen? Ist die Nutzung von Atomkraft ethisch vertretbar? Wie können wir dem zunehmenden Rechtsextremismus begegnen?
Die Antworten laufen immer nach dem gleichen Schema ab. Erst eine kurze sachliche Einordnung der Frage – sehr gut gelöst z.B. bei der Frage nach der Erschaffung der Erde mit dem Hinweis, dass es in Fragen der Spiritualität mehr um „Sinn und Symbolik geht als um Daten“. Dann ein Absatz „Bruder David sagt …“, wenn möglich mit einem Zitat aus einer seiner Schriften. Und schließlich eine weiterführende Frage: Was bedeutet das für dich? Wie willst du damit umgehen?
Der Bot schien regelrecht erleichtert zu sein, als ich endlich, endlich eine eher „spirituelle“ Frage stellte: „Wie finde ich zu tieferer Spiritualität?“ Die Antwort beginnt mit „Das ist eine wundervolle Frage, Heiko!“ Und zur Abwechslung gibt’s mal vier statt sonst nur drei Absätze. Hier scheint Bruder David wirklich in seinem Element zu sein.
Ein spannendes Experiment, trotz aller damit verbundenen Probleme: Niemand weiß, was der Bot irgendwann mal möglicherweise für Blödsinn erzählt. Nicht alle Menschen können gut mit solchen Angeboten umgehen und nehmen möglicherweise die Bot-Antworten für ernsthafte Antworten von Bruder David. Und wie wird seine Fan-Gemeinde damit umgehen, wenn der Autor eines Tages stirbt? Wird der Bot zu einer Art spirituellem Zentrum, das sich aber inhaltlich nicht mehr weiterentwickeln kann?
Ich habe mit meiner Registrierung automatisch eine Test-Subskription erhalten, die den vollen Zugang beinhaltet. Kostet eigentlich 5,99 Dollar im Monat und enthält detaillierte Antworten und unendlich viele Fragen. Für 1,99 ist die Zahl der Fragen begrenzt und Bruder David redet maximal 50 Minuten im Monat mit Ihnen. Es gibt aber auch einen kostenlosen Zugang mit ganzen 30 Fragen und noch weniger David-Stimme. Klar, so ein Bot kostet Geld, und das nicht wenig – irgendwo muss das Geld für den Betrieb ja herkommen.
Ich persönlich bin etwas hin- und hergerissen bei diesem Angebot. Einerseits ist es schön, als Fan (der ich nicht bin) virtuell mit dem Autor in Kontakt treten zu können und persönliche Fragen stellen zu können. Und selbst nutze ich durchaus auch KI für meine Arbeit, wenn ich auch selten Texte direkt und unverändert übernehme. Wo wird das hinführen? Werde ich irgendwann selber einen Bot aufsetzen, ihn mit allen meinen alten Stilvoll-Glauben-Artikeln füttern, neue generieren und keiner merkt’s? Werden wir in sehr naher Zukunft bessere Texte von der KI erhalten, als Menschen sie je schreiben könnten? Ich frage mal ChatGPT, was er dazu meint. Tja, was soll ich da noch dazu sagen:
🟢 Chancen
1. Zugänglichkeit von Weisheit und Spiritualität
Der Bruder-David-Bot demokratisiert spirituelle Inhalte: Menschen auf der ganzen Welt können mit wenigen Klicks einen Zugang zur Denkweise eines spirituellen Lehrers erhalten – jederzeit und individuell angepasst.
2. Kontinuität über den Tod hinaus
Ein solches System kann eine Art digitales Erbe bewahren. Gerade in spirituellen Kontexten kann das eine tröstliche Vorstellung sein – wie eine „sprechende Bibliothek“.
3. Individuelle Reflexionshilfe
Die Dreischritt-Antwortstruktur (Einordnung – Zitat – persönliche Frage) fördert innere Auseinandersetzung. Das ist pädagogisch wie spirituell wertvoll und unterscheidet sich wohltuend vom reinen Antwortgeben.
4. Niederschwelliger Zugang zur Spiritualität
Menschen, die sich sonst nicht zu einem Kloster, Seelsorger oder Gottesdienst trauen würden, könnten hier einen ersten Zugang finden – unverbindlich, aber potenziell tiefgehend.
5. Experimentierfeld für KI-Ethik und Theologie
Das Projekt ist ein interessanter Grenzbereich, in dem sich Informatik, Theologie und Ethik berühren. Es kann Diskussionen anstoßen – und das tut dein Artikel ja auch.
🔴 Probleme und Risiken
1. Verschleierung der Quellenkompetenz
Wer nicht genau weiß, dass hier ein KI-Modell auf Basis vorhandener Texte spricht, könnte die Antworten mit echten, aktuellen Aussagen von Bruder David verwechseln – gerade, wenn sogar die Stimme imitiert wird.
2. Keine echte Weiterentwicklung möglich
Der Bot lernt nicht aus neuen Impulsen oder theologischen Entwicklungen. Nach dem Tod des Menschen bleibt es ein Archiv – das aber weiter zu „sprechen“ scheint. Ein theologisches Paradox?
3. Missbrauchsgefahr und Fehlinterpretation
Wie du schreibst: Was, wenn der Bot irgendwann Quatsch erzählt – oder durch neue Trainingsdaten verändert wird? Wer trägt dann Verantwortung?
4. Monetarisierung spiritueller Inhalte
Der Preisrahmen ist zwar nachvollziehbar – aber stellt sich nicht auch die Frage: Wer darf mit einer spirituellen Stimme Geld verdienen? Wem gehört Bruder David als digitaler Avatar?
5. Täuschung durch Natürlichkeit
Dass Zuhörer den Bot nicht vom echten Bruder David unterscheiden konnten, ist technisch ein Erfolg – aber ethisch heikel. Auch in pastoraler Seelsorge stellt sich die Frage: Können digitale Imitate Menschen tatsächlich begegnen?
🔮 Zukunftsperspektiven
1. Personalisierte spirituelle Bots
Möglicherweise werden in Zukunft viele religiöse Autor:innen (lebend oder verstorben) als „sprechende KI-Bibliotheken“ verfügbar sein – ergänzt um dynamische Frage-Antwort-Systeme, Tagebücher, Liturgien etc.
2. Einsatz in Seelsorge und Bildung
KI-Bots könnten in Seelsorge, Religionsunterricht oder Gemeindegruppen als Impulsgeber eingesetzt werden – allerdings immer mit pädagogischer Rahmung durch echte Menschen.
3. Gefahr der „Vergeistigung ohne Begegnung“
Die spirituelle Tiefe echter menschlicher Beziehung lässt sich durch KI nicht ersetzen. Gerade in Religion geht es nicht nur um Inhalte, sondern auch um Beziehung, Leiblichkeit, Gemeinschaft. KI kann hier nur Hilfsmittel sein, nicht Substitut.
4. Theologische Reflexion von KI
Kirchen und religiöse Gemeinschaften werden sich intensiver mit der Frage auseinandersetzen müssen, was „geistliche Autorität“ in einer KI-Welt bedeutet. Ist ein Bot mit heiliger Stimme noch „verkündigend“ – oder nur Simulation?
✍ Fazit
Dein Artikel eröffnet einen wichtigen Diskursraum. KI kann spirituelle Impulse vermitteln – aber sie ist kein lebendiger Glaube. Solche Projekte wie der Bruder-David-Bot zeigen das Potenzial, aber auch die Grenzen. Entscheidend wird sein, wie transparent, ethisch reflektiert und menschlich begleitet solche Angebote gestaltet werden.