Im Streit zwischen der evangelischen Diakonie und einer abgelehnten konfessionslosen Bewerberin hat das Bundesverfassungsgericht die Rechte kirchlicher Arbeitgeber gestärkt. Wird für eine ausgeschriebene Stelle eine Kirchenmitgliedschaft verlangt, steht übergangenen konfessionslosen Bewerbern nicht ohne Weiteres eine Diskriminierungsentschädigung zu, entschieden die Karlsruher Richter in einer am 23.10. veröffentlichten Entscheidung. (AZ: 2 BvR 934/19)
Damit hatte die Verfassungsbeschwerde des evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung Erfolg. Hintergrund ist ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen der Diakonie und der Berlinerin Vera Egenberger. Sie hatte sich 2012 bei dem evangelischen Wohlfahrtsverband auf eine Referentenstelle beworben, wurde aber nicht eingeladen. Die dafür verlangte Kirchenmitgliedschaft hatte sie nicht und klagte wegen einer Benachteiligung aus religiösen Gründen.
Über Arbeits- und Landesarbeitsgericht erreichte der Fall das Bundesarbeitsgericht. Dieses legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Prüfung vor. Die Luxemburger Richter urteilten im April 2018, dass sich die Kirchen bei Stellenbesetzungen nicht pauschal auf ihr religiöses Selbstbestimmungsrecht berufen können (AZ: C-414/16). Kirchliche Vorgaben wie etwa eine Kirchenzugehörigkeit bei Stellenbesetzungen müssten immer "wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt" sein. Die EU-Rechtsprechung habe Vorrang vor nationalen Regelungen.
Das Bundesarbeitsgericht urteilte daraufhin im Oktober 2018, dass eine Kirchenmitgliedschaft für die Stelle nicht verlangt werden durfte. Egenberger wurde eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von knapp 4.000 Euro zugesprochen.
Bedeutung des christlichen Profils
Mit seiner Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht das Urteil nun aufgehoben und an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Bundesarbeitsgericht habe nicht ausreichend die Belange des religiösen Arbeitgebers berücksichtigt und damit dessen Selbstbestimmungsrecht verletzt. Zugleich habe die EU-Rechtsprechung, dass eine verlangte Kirchenzugehörigkeit bei Stellenbesetzungen "wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt" sein müsse, Vorrang vor nationalen Regelungen.
Gerichte müssten daher prüfen, inwieweit "die konkrete Tätigkeit für die Wahrung des religiösen Selbstverständnisses geeignet, erforderlich und angemessen" ist. Je größer die Bedeutung der ausgeschriebenen Stelle "für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen oder außen ist", desto eher könne eine Kirchenmitgliedschaft verlangt werden. Im Streitfall habe die diakonische Einrichtung die Bedeutung des christlichen Profils für die ausgeschriebene Stelle hervorgehoben, ohne dass das Bundesarbeitsgericht dies ausreichend berücksichtigt habe, hieß es.
Arbeitgeber haben sich geöffnet
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie äußerten sich zufrieden zu der Entscheidung. "Das höchste deutsche Gericht hat für Klarheit gesorgt", erklärte Diakonie-Vorstand Jörg Kruttschnitt in Berlin. EKD-Vizepräsident Stephan Schaede erklärte in Hannover, das Verfassungsgericht "hat unseren Spielraum bestätigt - damit gehen wir sehr verantwortungsvoll um".
Auch der Göttinger Kirchenrechtler Hans Michael Heinig hat die Entscheidung begrüßt. Der Fall müsse nun vom Bundesarbeitsgericht neu entschieden werden, sagte der Professor für Staatskirchenrecht. Die Karlsruher Richter hätten aber klar gemacht, dass staatliche Gerichte nicht einfach ihre eigenen Wertungen an die Stelle der Kirche setzen könnten, wenn es um die Frage geht, ob eine Kirchenmitgliedschaft für die bestimmte Stelle erforderlich sei. Die pauschale Aussage, eine Kirchenmitgliedschaft des Vorgesetzen reiche aus, sei unzulänglich.
In den mehr als zehn Jahren, die der Rechtsstreit mittlerweile andauere, habe sich auch das kirchliche Arbeitsrecht verändert, so Heinig. Kirchliche Arbeitgeber hätten sich für nicht konfessionell gebundende Arbeitnehmer weiter geöffnet. Aber die Kirchen hätten das Recht, für bestimmte Positionen ein kirchliches Profil zu verlangen. Im vorliegenden Fall hätte sich die Bewerberin um das Thema Menschenrechte und Antidiskriminierung kümmern müssen, dafür sei auch nach heutigem Verständnis eine sozialethisch kirchliche Position entscheidend, und die Kirchenzugehörigkeit für diese Position weiterhin relevant.



