Was dürfen Kirchen im Job verlangen?

Ein Berg an Akten liegt auf dem Tisch im Gericht.
epd-bild/Hannes von der Fecht
Das Bundesverfassungsgericht wird ein grundlegendes Urteil verkünden. Doch aufgrund von Fachkräftemangel hat die evangelische Kirche inzwischen die Regeln für Kirchenmitgliedschaft in ihrem Arbeitsrecht geändert. (Symbolbild)
BVerfG-Urteil erwartet
Was dürfen Kirchen im Job verlangen?
Das Bundesverfassungsgericht will am Donnerstag eine Entscheidung über das kirchliche Arbeitsrecht verkünden. Hintergrund ist ein Fall, der mehr als zehn Jahre zurückliegt. Weil es in den Augen der Kirche um eine Frage geht, die ihr Selbstverständnis berührt, hat sie für eine grundsätzliche Prüfung das höchste deutsche Gericht angerufen.

Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung war vor das höchste deutsche Gericht gezogen, nachdem das Bundesarbeitsgericht und der Europäische Gerichtshof entschieden hatten, dass die Kirchen und ihre Einrichtungen nicht bei jeder Stelle die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche zur Voraussetzung für eine Anstellung machen dürfen. Die Kirche sieht sich dadurch in ihrem im Grundgesetz festgehaltenen Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigt.

Im konkreten Fall ging es um die Berlinerin Vera Egenberger, die sich 2012 erfolglos bei der Diakonie für eine Referentenstelle beworben hatte. Die konfessionslose Bewerberin klagte auf Entschädigung, weil sie eine Diskriminierung aus religiösen Gründen annahm.

Der Fall durchlief bereits höchstrichterliche Instanzen: Das Bundesarbeitsgericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor, der 2018 entschied, dass eine Kirchenmitgliedschaft nicht pauschal zur Voraussetzung für alle Jobs in der Kirche gemacht werden kann. Im gleichen Jahr gab schließlich das Bundesarbeitsgericht Egenberger Recht und sprach ihr eine Entschädigung von knapp 4.000 Euro zu. 2019 entschied die Diakonie, gegen dieses Urteil das Bundesverfassungsgericht anzurufen.

Warum geht die Kirche dagegen vor?

Die Kirche sah sich durch das EuGH-Urteil in dem eingeschränkt, was sie nach dem im Grundgesetz zugestandenen Selbstbestimmungsrecht entscheiden kann: nämlich selbst zu definieren, wann eine durch Kirchenmitgliedschaft formalisierte Loyalität zur Kirche als Voraussetzung von Mitarbeitenden verlangt werden kann.

Sie fühlte sich bis zum Luxemburger Urteil auch im deutschen Recht bestätigt: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet zwar eine Diskriminierung aus religiösen Gründen im Beruf, sieht dabei aber eine Ausnahme für Religionsgemeinschaften selbst vor. In das Spannungsfeld zwischen deutschem Recht und europäischer Rechtsprechung könnte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nun mehr Klarheit bringen.

In Zwischenzeit änderte die evangelische Kirche allerdings auch die Regeln für Kirchenmitgliedschaft in ihrem Arbeitsrecht. Seit knapp zwei Jahren gilt, dass die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche nur noch in bestimmten Bereiche zwingende Voraussetzung ist. Das betrifft Tätigkeiten in der Verkündigung, der Seelsorge, der evangelischen Bildung und in der "besonderen Verantwortlichkeit für das evangelische Profil", also etwa für Führungspositionen. Das Arbeitsrecht, das dem Fall Egenberger zugrunde lag, gilt in der Form also nicht mehr. Ob das auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Einfluss hat, ist offen.

Für wen hat die Entscheidung in Karlsruhe Bedeutung?

In erster Linie für die Kirchen und ihr Arbeitsrecht selbst. Betroffen sind aber auch viele Beschäftigte: Die evangelische und katholische Kirche mit ihren Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas zählen zu den größten Arbeitgebern in Deutschland.

Bislang sind aber auch dort nicht alle Beschäftigten Kirchenmitglieder. Wegen des seit Jahren zu beobachtenden Rückgangs der Mitgliedszahlen können etwa kirchliche Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser gar nicht mehr jede Stelle mit Kirchenmitgliedern besetzen. Die evangelische Kirche hat auch vor diesem Hintergrund ihr Arbeitsrecht inzwischen geändert.