Oldies geraten durch Digitalisierung ins Abseits

Foto von Seniorin mit Smarthpone sitzt draußen auf einer Bank
epd-bild/Juergen Blume
Manche können es, viele aber nicht: Der Umgang mit digitalen Medien kann Senior:innen überfordern und sozial benachteiligen.
Senioren an den Rand gedrängt
Oldies geraten durch Digitalisierung ins Abseits
Altersdiskriminierung, auch "Ageismus" genannt, ist weit verbreitet. Es sind die verzerrenden Bilder von Senior:innen voller Vorurteile, die die Öffentlichkeit beherrschen - und weitreichende Folgen haben können.

Thorsten Grigo (51) mag alte Menschen. Er findet es bereichernd, ihnen zu begegnen, sich mit ihnen zu unterhalten, mit ihnen zusammen zu sein. So hängte er vor vier Monaten seinen Beruf als Lkw-Fahrer an den Nagel - und wurde Senioren-Assistent mit eigener Firma. Seitdem bekommt der Elmshorner hautnah mit, wie und wo alte Menschen im Alltag ausgegrenzt werden - "Ageismus" ist weit verbreitet.

Der 9. Altersbericht der Bundesregierung, der zu Jahresbeginn erschien, widmet dem diskriminierenden Verhalten und abwertenden Einstellungen zu älteren Menschen ein ganzes Kapitel. Grigo vertrauen "seine" Senioren viel an. Auch, wie empört sie sind, weil sie seit kurzem in den Bus steigen und 15 Minuten lang fahren müssen, um zum nächsten Geldautomaten zu kommen. Denn die Bankfiliale wurde geschlossen, der Automat abmontiert. Zum Online-Banking fehlten den betagten Herrschaften sowohl Equipment als auch Knowhow, berichtet Grigo.

Viele Senior:innen hätten ständig das Gefühl, technisch abgehängt zu werden. Alte Menschen würden zu wenig respektiert, sagt Grigo. Ihre Erfahrungen und Wünsche würden ignoriert oder als lächerlich hingestellt.

Der Verein "Silbernetz" betont die vielen wichtigen Engagements von Senior:innen für ihre Mitmenschen. "Doch die einseitigen, negativen Stereotypen, die wir vom Alter haben, lassen all das fast unsichtbar werden", heißt es auf der Homepage. Die Gefahr bestehe, dass aus Altersfremdbildern Altersselbstbilder werden - mit der Folge, dass das Alter vielfach als defizitäre, wenig wertvolle Lebensphase empfunden werde.

Kein Smartphone: Ausgegrenzt

Hans-Georg Schmidt (67) aus dem unterfränkischen Ochsenfurt beklagt, dass ältere Menschen durch den um sich greifenden Zwang zur Digitalität abgehängt werden. Er selbst sei internetaffin, erzählt der Brauereimeister. Seine Frau allerdings besitzt kein Smartphone. Und so werde sie ausgegrenzt: "Sogar auf unserer Pilgerreise nach Rom." Den Pilgerpass gebe es nur digital. Ohne Pilgerpass sei keine Audienz beim Papst möglich: "Nur ich kann daran teilnehmen."

Verena Klusmann-Weißkopf, Professorin für Gesundheitsförderung und Prävention an der Hochschule Furtwangen, versteht die Nöte der älteren Menschen. Neue Technologien schränkten die Beteiligung älterer Menschen mitunter ein. "Es ergeben sich aber auch Chancen, gerade für Menschen im hohen Lebensalter", sagt sie. "Smart Homes" und "Wearables", also Geräte, die zum Beispiel Alarm schlagen, wenn ein Senior stürzt, könnten den Umzug ins Pflegeheim vermeiden.

Das Altern mit anderen Augen sehen

Im Projekt "KImAge" ist Klusmann-Weißkopf dabei, Altersdiskriminierung auf die Spur zu kommen. Es gehe darum, das Altern mit anderen Augen zu sehen: "Wir sammeln Fotografien von Situationen, in denen Menschen das Älterwerden im Alltag begegnet", erläutert sie. Ausgewertet werden die Fotos mittels KI. So solle ein Blick auf die Vielfalt im Alter öffentlich werden.

Klaus Rothermund, Psychologe an der Universität Jena, konnte in einer jüngst veröffentlichten Studie aufzeigen, dass Altersbilder tatsächlich einen erheblichen Einfluss darauf haben, ob es Senioren gut geht oder nicht. "Altersbilder haben sogar Auswirkungen auf die Dauer unseres Lebens", bestätigt er. Auf Basis seiner Studienergebnisse fordert er dazu auf, sich kritisch mit Sichtweisen auf das Alter auseinanderzusetzen.

Zu den negativen Altersbildern gehört zum Beispiel die Überzeugung, dass Senioren kürzertreten müssten. "Alte Menschen sollten Platz für die jüngere Generation machen!", ist laut Rothermund ein typisch negatives Stereotyp: Solche Denkgewohnheiten werden nach seiner Auffassung alten Menschen in keiner Weise gerecht. Doch sie sind vorhanden, wie die Studie "Ageismus - Altersbilder und Altersdiskriminierung in Deutschland" (2022) belegt: Ein Drittel der Befragten (32 Prozent) stimmte der Aussage zu, dass alte Menschen normalerweise Platz machen sollten für die jüngere Generation, indem sie wichtige berufliche und gesellschaftliche Rollen aufgeben.