TV-Tipp: "Moresnet – The Book of Death"

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28. Oktober, ZDFneo, 23.15 Uhr
TV-Tipp: "Moresnet – The Book of Death"
"Moresnet" lebt vor allem von der Geschichte, die trotz ihrer vielen insgesamt fünf Jahrzehnte umfassenden Zeitsprünge nicht verwirrend, sondern reizvoll rätselhaft ist.

Schon allein die Kernidee sorgt für Gänsehaut: Nach dem Tod seines Vaters reist Ben in das belgische Dorf Moresnet. Hier steht sein Elternhaus, das er schnellstmöglich verkaufen will: Die Erinnerungen an seine Kindheit sind alles andere als ungetrübt. Trotzdem trifft er sich nach langer Zeit erstmals wieder mit den Mitgliedern seiner einstigen Clique. Nach einem feuchtfröhlichen Abend beschließen die fünf, eine Kiste mit Lieblingsgegenständen auszugraben, die sie versteckt haben, als sie zwölf waren; das ist jetzt gut zwei Jahrzehnte her.

Die Schachtel enthält unter anderem das Tagebuch von Bens älterem Bruder Daan. Darin findet sich eine schockierende Liste: Neben den Namen der Freundinnen und Freunde stehen ihre Todesdaten. Die anderen halten das für einen geschmacklosen Scherz, aber Ben ist alarmiert, und das nicht nur, weil sie angeblich alle innerhalb der nächsten Tage sterben werden: Damals konnte niemand ahnen, dass aus Louis irgendwann Linde werden würde. Der Name von Ben, den seine Spielsucht komplett aus der Bahn geworfen hat, steht allerdings nicht auf der Liste: weil er sie, wie Daan ihm später offenbart, selbst geschrieben hat. 

Diese Ebene der sechsteiligen Serie "Moresnet", vom ZDF unnötigerweise um den englischen Titelzusatz "The Book of Death" (das Buch des Todes) ergänzt, bildet jedoch nur die eine Hälfte der Handlung. Die andere spielt in Frankfurt am Main. Hier residiert Thalamus, einer der größten medizinischen Konzerne der Welt, spezialisiert auf die Erforschung des Gehirns und Produzent diverser teurer Medikamente. Gerade erst hat Firmenpatriarch Robert Rolin, Neurowissenschaftler, Nobelpreisträger und Multimilliardär, seine Enkelin zur neuen Geschäftsführerin berufen.

Deren erste Amtshandlung gefällt ihm allerdings gar nicht: Eva will die Pharma-Patente des Unternehmens der Allgemeinheit zugänglich machen. Außerdem stellt sie unbequeme Fragen, zum Beispiel nach "Eterneco". Auf dieses Projekt hat sie eine belgische Journalistin angesprochen. Als sie schließlich rausfindet, woran in einem Stockwerk tief unter der Firmenzentrale geforscht wird, ist es zu spät. Nun zeigt sich, welch’ grausame Vision ihr Großvater mit "Eterneco" verfolgt; der Projektname erinnert nicht zufällig an das englische Wort "Eternity" (Ewigkeit).

"Moresnet" ist eine belgische Produktion mit finanzieller und redaktioneller Beteiligung des ZDF. Die kreativen Köpfe hinter der Serie stammen allesamt aus dem Nachbarland. Neben Leonie Benesch in einer reizvollen Doppelrolle als vermeintliche Nachfolgerin an der Konzernspitze wirken Emma Nova als Evas geheime Geliebte, Nikolai Kinski als Zauberlehrling des Patriarchen sowie Brigitte Hobmeier als eiskalter Todesengel in wichtigen Nebenrollen mit.

Den charismatischen Großvater verkörpert der Holländer Pierre Bokma als Inbegriff eines skrupellosen Konzernlenkers, der bereit ist, für das Wohl des Unternehmens, den medizinischen Fortschritt und sein eigenes Überleben über Leichen zu gehen. Die Leistungen des ansonsten überwiegend belgischen Ensembles sind ebenfalls ausnahmslos vorzüglich. Dass es sich nicht um eine deutsche Produktion handelt, ist dank der ausgezeichneten Synchronisation kaum zu merken.

Auch die Inszenierung (Regie: Frank van Passel) bewegt sich auf hohem Niveau, zumal die Musik für permanentes Unbehagen sorgt. Dennoch lebt "Moresnet" vor allem von der Geschichte, die trotz ihrer vielen insgesamt fünf Jahrzehnte umfassenden Zeitsprünge nicht verwirrend, sondern reizvoll rätselhaft ist (Buch: Jef Hoogmartens): Ohnmächtig erlebt Ben (Boris van Severen), wie ein Name nach dem anderen von der Liste getilgt wird. Schlüsselfigur der Ereignisse ist Daan (Arend Pinoy). Der Bruder befindet sich in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Anstalt, weil er damals aus heiterem Himmel einem Mädchen die Kehle aufgeschlitzt hat. Die Erklärung für diese scheinbar sinnlose Tat klingt absurd, ist innerhalb der Handlung jedoch völlig plausibel: Im Rahmen des bahnbrechenden "Eterneco"-Experiments hat sich eine verblüffende "Nebenwirkung" ergeben.

Als die erste Person auf der Liste am prophezeiten Tag stirbt, erkennt endlich auch Bens Freundin Zoë (Jade Olieberg), dass es sich nicht um einen bösen Scherz handelt. Sie ist die Journalistin, die Eva auf "Eterneco" angesprochen hat, und außerdem überzeugt, dass vor vielen Jahren schon ihr Vater dem Geheimnis auf der Spur war. Er erlitt damals das gleiche Schicksal wie viele andere, die Rolin im Weg standen und auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen sind. ZDFneo zeigt alle Folgen am Stück, die Serie steht bereits komplett in der ZDF-Mediathek.