Heimtücke und keinerlei Reue - lebenslange Haft

Foto vom Gedenkort unweit des Tatorts am 19.09.2024 in Solingen.
Thomas Banneyer/dpa
Am Gedenkort unweit des Tatorts waren am 19. September 2024 zahlreiche Gedenkkarten, Blumen und Kerzen platziert.
Urteil zu Solinger Messerattentat
Heimtücke und keinerlei Reue - lebenslange Haft
Heimtückisch und aus islamistischer Gesinnung tötete Issa al Hassan vor einem Jahr in Solingen drei Festbesucher. Dafür muss der 27-Jährige lebenslang ins Gefängnis. Überlebende reagieren erleichtert auf das Urteil.

Gut ein Jahr nach dem islamistisch motivierten Messeranschlag von Solingen mit drei Toten und acht Verletzten ist der Attentäter Issa al Hasan zur Höchststrafe verurteilt worden. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf verhängte am Mittwoch eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung und stellte die besondere Schwere der Schuld fest. (AZ: III-5 St 2/25)

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der 27-jährige Syrer am 23. August vergangenen Jahres heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen auf Besucher des Solinger Stadtfests einstach, dabei zielte er mit einem Messer auf den Halsbereich der Opfer. Eine 56-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 56 und 67 Jahren wurden bei dem Terroranschlag getötet und acht durch Messerstiche verletzt. Den Überlebenden, die im Prozess als Nebenkläger:innen auftraten, sprach das Gericht Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro bis 120.000 Euro zu.

Der 5. Strafsenat des OLG bewertet den Anschlag als islamistisch motivierte Tat. Der als Asylbewerber nach Deutschland gekommene al Hasan habe bereits 2019 in Syrien mit der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) sympathisiert. Über das Internet habe er sich weiter radikalisiert und über Chats mit IS-Anhängern Kontakt aufgebaut, erklärten die Richter. Den Schilderungen des Angeklagten im Prozess, er sei beeinflusst oder einer Art Gehirnwäsche unterzogen worden, schenkten sie keinen Glauben. Chat-Nachrichten zeigten, dass die Initiative für den Kontakt zum IS und die Vorbereitung des Messeranschlags von ihm ausgegangen seien.

Eine direkte Mitgliedschaft al Hasans im IS sah der Senat zwar nicht als erwiesen an. Die Richter sprachen allerdings von einem Anschlag in "mitgliedschaftlicher Beteiligung" der Terrororganisation. Er lehne die freiheitliche westliche Lebensordnung ab, befürworte die Ziele des IS und habe aus Rache für getötete IS-Kämpfer gehandelt, hieß es. In Chats habe er angekündigt, Menschen aus Rache "zerstückeln" zu wollen. Zudem habe er der Terrororganisation einen Treueeid geschworen. Ein Gutachter bescheinigte dem Angeklagten einen niedrigen Intelligenzquotienten von 71, das mindere aber nicht die Schuldfähigkeit.

Faszination für Gewalt

Während des Prozesses war für die Richter keine Reue oder innere Abkehr von der islamistischen Gesinnung bei al Hasan zu erkennen. Wegen seiner Faszination für Gewalt und weil er mindestens einen weiteren Anschlag auf eine israelische Botschaft geplant habe, sei eine Sicherungsverwahrung nach der Haftstrafe angeordnet worden. Dem Verurteilten werde in der Haft eine sozialtherapeutische Behandlung angeboten, erklärte der Vorsitzende Richter Winfried van der Grinten. Es sei wichtig, dass er mit Menschen in Kontakt komme, die einen friedlichen Islam leben und vermitteln.

Der Anschlag sei auch über die direkt Betroffenen hinaus für alle Konzertbesucher und die Stadt Solingen ein "extrem belastendes Ereignis" gewesen, sagte van der Grinten. Dennoch sei es al Hasan und dem IS nicht gelungen, die Menschen in Solingen zu radikalisieren. Sie hätten zusammengehalten und ein Jahr später wieder ein großes Stadtfest gefeiert.

Die bei dem Anschlag schwer verletzte Nebenklägerin Lea Varoquier nannte das Urteil eine Erleichterung. Zwar würden die Betroffenen die verhängten Schmerzensgelder vermutlich nie bekommen, aber es sei wichtig, dass der Täter für alles, was rechtlich möglich sei, zur Rechenschaft gezogen werde. Sie hoffe nun, mit den Ereignissen abschließen und wieder in ihren Beruf finden zu können. "Es bringt nichts, sich auf Wut und Hass zu fokussieren", sagte Varoquier.

Der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) nannte es gut, dass der Rechtsstaat schnell gehandelt und ein Urteil gefällt habe. "Wir in Solingen denken aber heute nicht zuerst an den Täter, sondern sind in Gedanken bei den Opfern und ihren Familien", erklärte er. "Wir werden sie nie vergessen." Keine Strafe könne den Schmerz der Angehörigen heilen.

Der Anschlag hatte eine hitzige bundesweite Debatte über die Asylpolitik ausgelöst. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Al Hasans Verteidiger Daniel Sprafke erklärte, sein Mandant behalte sich vor, es vom Bundesgerichtshof überprüfen zu lassen.