Ein Jahr nach dem islamistischen Terroranschlag von Solingen mit drei Toten ist am Samstag der Opfer gedacht worden. In einer öffentlichen Gedenkfeier am damaligen Tatort riefen Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dazu auf, die Werte der offenen und freiheitlichen Gesellschaft zu verteidigen. Mit drei Glockenschlägen wurde an die Getöteten erinnert, anschließend wurden am Gedenkstein Blumen abgelegt. Für 21.37 Uhr, den Zeitpunkt des Anschlags, war auf dem Fronhof in der Innenstadt eine Gedenkminute mit Kerzen geplant.
Der syrische Asylbewerber und mutmaßliche Islamist Issa al H. hatte am 23. August 2024 beim Solinger Stadtfest eine Frau und zwei Männer im Alter von 56 und 67 Jahren mit einem Messer getötet und acht Besucher durch Stiche verletzt, mehrere von ihnen lebensgefährlich. Die Tat löste eine bundesweite Debatte über die Asyl- und Migrationspolitik aus.
Der Täter habe Hass säen und spalten wollen, der Angriff habe "unserer Freiheit, unserer Sicherheit, unserer offenen Gesellschaft" gegolten, sagte Wüst. Religiöser und politischer Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus setzten die freiheitlichen Werte unter Druck. Die Antwort darauf seien "der wehrhafte Rechtsstaat", die Verteidigung der Menschenwürde sowie Zusammenhalt und Versöhnung.
Nordrhein-Westfalen bleibe weltoffen und solidarisch und sei "stärker als Hass und Hetze, als Extremismus und Terrorismus", betonte Wüst. Zur besseren Bekämpfung des Terrorismus forderte Wüst eine bundesweite Vorratsdatenspeicherung. "Opferschutz, der Schutz von Menschenleben, ist wichtiger als Datenschutz", sagte er. NRW-Landtagspräsident André Kuper hob die Kraft des Zusammenhalts und der Solidarität hervor. Dies bestärke die Demokratie, erklärte er in Düsseldorf.
Gemeint waren wir alle
Kurzbach sagte, der Anschlag habe Solingen getroffen, "aber gemeint waren wir alle in NRW und in Deutschland". Doch man lasse sich nicht einschüchtern: "Wir halten zusammen und wir werden weiter das Leben in Vielfalt feiern, gerade weil man es uns nehmen wollte", sagte er. "Wir werden weiter lachen, wir werden weiter feiern, wir werden weiterhin offen sein." Kritik äußerte er mit Blick auf rechtspopulistische Chats und Berichte an Hass und Hetze im Internet und in einzelnen Medien, sie hätten den Anschlag "für sich ausnutzen" wollen.
Den Angehörigen und Verletzten sicherte der Oberbürgermeister Unterstützung zu: "Heute verneigen wir uns vor den Opfern. Wir halten die Erinnerung an sie lebendig. Wir versprechen, für die Angehörigen und Betroffenen da zu sein." Kurzbach und Wüst und Kurzbach dankten allen, die in der Tatnacht und in der Zeit danach Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft und Mut bewiesen hätten, unter anderem Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste, Ärzte und Pflegekräfte sowie Seelsorgerinnen und Seelsorger.
Knapp 300 Menschen nahmen an der Gedenkfeier unter freiem Himmel teil, die von Musikern der Bergischen Symphoniker begleitet wurde. Unter Ihnen waren die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur, Integrationsministerin Josefine Paul (beide Grüne), Innenminister Herbert Reul und der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei, Nathanel Liminski (beide CDU) sowie die Opferbeauftragten des Bundes und des Landes NRW.
Bei einem geistlichen Impuls wurden zum Gedenken an die Opfer drei Stoffbahnen mit der Aufschrift "Frieden? Frieden! Frieden." nacheinander aus den Fenstern des Bürgersaals oberhalb der evangelischen Stadtkirche direkt am Fronhof herabgelassen. Die Kirche sollte bis zum späten Abend geöffnet bleiben für Menschen, die dort verweilen, beten oder mit Seelsorgern sprechen wollten.