Hunsrück-Nationalpark bleibt stiller Schatz

Wald und Wiese im Nationalpark Hunsrück
epd-bild/Karsten Packeiser
Vor zehn Jahren wurde der Nationalpark im Hunsrück offiziell eröffnet.
Im Urwald von Morgen
Hunsrück-Nationalpark bleibt stiller Schatz
Im Hunsrück gibt es nur wenige größere Ortschaften, dafür viel Wald und Stille. Berge, Hügel und Moore bilden seit nunmehr zehn Jahren den ersten Nationalpark von Rheinland-Pfalz. Noch hat er nicht alle Erwartungen erfüllt.

Einsame Wälder, in denen sich Wildkatzen, seltene Fledermaus- und Vogelarten tummeln, Hangmoore und karge, von Felsschotter bedeckte Berghänge mit spektakulären Aussichten - vor zehn Jahren, am Pfingstwochenende 2014, wurde ein gut 10.000 Hektar großes Gebiet im südwestlichen Hunsrück zum ersten Nationalpark von Rheinland-Pfalz erklärt. Ein kleiner Anteil des Areals liegt bereits auf dem Gebiet des Saarlandes. Hier soll die Natur seither weitgehend sich selbst überlassen bleiben.

Tim Markov zog vor einigen Jahren extra aus Norddeutschland in die rheinland-pfälzische Provinz. Er ist einer von rund 30 Nationalpark-Rangern, die mit ihren großkrempigen Hüten in dem geschützten Areal nach dem Rechten sehen, Wanderergruppen und Schulklassen betreuen und Daten für wissenschaftliche Zwecke erheben. "Es kann schon romantisch sein", erzählt der 30-Jährige, der insbesondere für das Monitoring der Vogelarten zuständig ist. Besonders einem Moment in jedem Frühjahr fiebert er entgegen - dem Tag, an dem das einzige Schwarzstorch-Paar aus dem Winterquartier zurück in den Hunsrück kommt: "Es ist einfach ein wahnsinnig schönes Erlebnis, den Vögeln zuzusehen, wie sie ihre Jungen aufziehen."

Der Weg zum Nationalpark Hunsrück-Hochwald verlief nicht geradlinig. Der langjährige Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) blieb lange skeptisch. In den anfangs ins Auge gefassten Regionen im Pfälzerwald und im Soonwald sträubten sich Kommunalpolitik und Holzwirtschaft. Als die Widerstände anderenorts nicht überwunden werden konnten, fiel der Blick der Mainzer Politik auf den Landkreis Birkenfeld. Einer der überzeugten Befürworter vor Ort, die in dem Projekt Chancen für die strukturschwache Region sahen, war der heutige Landrat Miroslaw Kowalski (CDU). "Wir haben hier keine große Industrie", sagt er. "Unsere Schätze sind die frische Luft und die wunderschöne Natur."

Mit dem Nationalpark kamen Fördergelder des Landes in die Region. Der ÖPNV wurde ausgebaut, Bahnhöfe saniert, Wanderwege beschildert. Zehn Jahre nach Eröffnung des Nationalparks seien manche in der Region dennoch enttäuscht, dass vom erhofften Aufschwung durch den Nationalpark-Tourismus bislang nur wenig zu spüren sei. "Es hätte besser laufen können", sagt Kowalski. Zwar seien viele Menschen stolz auf ihren Nationalpark, aber bislang sei die touristische Infrastruktur kaum aufgewertet worden, manche Gaststätten und Unterkünfte hätten die Pandemie nicht überstanden. Dabei gebe es Nachfrage von Erholungssuchenden und Großstadtmüden: Das einzige Vier-Sterne-Hotel am Rand des Nationalparks sei eigentlich immer ausgebucht.

Bislang herrscht aber nur an wenigen Orten in der Nationalparkregion reger Betrieb, etwa im Besucherzentrum unterhalb des Erbeskopfes, des höchsten linksrheinischen Gipfels der Bundesrepublik. "Willkommen im Urwald von morgen" - begrüßt ein Imagefilm die Wanderer, bevor sie sich am Kuchenbuffet oder mit einem "Kelteneintopf" stärken und danach zur Aussichtsplattform oder zur Sommerrodelbahn aufbrechen.

Draußen im Wald ist es längst nicht überall so idyllisch, wie die Werbematerialien der Nationalparkverwaltung es versprechen. Großflächig abgestorbene Fichtenbestände bieten einen verstörenden Anblick, seit der Borkenkäfer nicht mehr massiv bekämpft wird und die Sommer immer trockener werden. "Ich kann verstehen, dass das für Außenstehende brutal aussieht", räumt Ranger Markov ein. Aber bereits nach wenigen Jahren beginnt an der Stelle der einstigen Monokulturen ein ganz neuer Wald zu wachsen.

"Dass die Fichten absterben, ist für den Nationalpark kein Problem", pflichtet Sabine Yacoub, Landesvorsitzende des Umweltverbandes BUND, bei. Überrascht seien allerdings alle Experten gewesen, wie schnell die Prozesse ablaufen. Aus Naturschutzsicht sei es auch gut, dass der Massentourismus den Hunsrück-Nationalpark bislang nicht erreicht habe. Andere Entwicklungen machen dem BUND durchaus Sorgen, etwa, dass örtliche Mineralwasser-Produzenten weiterhin große Mengen Grundwasser aus dem Nationalparkareal abpumpen. Oder dass manche Kommunalpolitiker noch immer von neuen Straßen in die Region träumen, um den Nationalpark-Tourismus anzukurbeln.