Ein Seelen-Roadtrip im Mittleren Westen

John Colone  mit Hell T-Shirt vor Holzwand mit Hell Schild.
epd-bild/Mirjam Rüscher
John Colone und ein paar Mitstreiter:innen haben den Namen des Ortes "Hell" zum Programm gemacht.
From Hell to Paradise
Ein Seelen-Roadtrip im Mittleren Westen
Im US-Bundesstaat Michigan kann man von der Hölle direkt ins Paradies fahren - rund 550 Kilometer trennen die beiden Orte. Während "Hell" im Süden mit seinem Namen wirbt, bleibt "Paradise" im Norden zurückhaltend - das Paradies spricht für sich.

 "Hell" war ein furchtbarer Ort, viel Kriminalität, ständig Prügeleien. John Colone fing vor 23 Jahren an, das zu ändern. Heute ist die Gemeinde im Süden des US-Bundesstaates Michigan ein Touristen-Magnet. Colone und ein paar Mitstreiter haben den Namen zum Programm gemacht: überall Höllenfeuer, Skelette, Wortspiele.

Auf dem Minigolf-Platz, in der Hochzeitskapelle, im Souvenirladen oder im Diner-Restaurant: Die Gemeinde lebt ihr Höllen-Image richtig aus. Mehr als 70 Hochzeiten gab es in "Hell" in diesem Jahr schon. "Wenn man in der Hölle heiratet, dann gibt es für die Ehe nur eine Richtung: Aufwärts", sagt Colone und lacht. "Hell" soll Spaß machen. Andere Orte nennen sich historisch, "Hell" sei hysterisch.

Der Kriegsveteran ist so etwas wie der inoffizielle Bürgermeister von "Hell". Ein Titel, den er gern weitergibt: Bei John Colone kann man nicht nur ein Stück Hölle erwerben, ein Square Inch (6,45 Quadratzentimeter) für 13,33 Dollar, sondern man kann auch für einen Tag Bürgermeister von "Hell" werden. So wie Steve, dessen Namen Colone gerade auf die Tafel schreibt, als eine neue Touristengruppe auf den Parkplatz fährt.

Diese Strecke gilt es auf dem Roadtrip von Hell nach Paradiese zu bewältigen.

Von "Hell" geht es Richtung Norden. Das Ziel ist das Paradies, der kleine Ort "Paradise" auf der oberen Halbinsel Michigans. Etwa 550 Kilometer trennen die Orte. Der Weg aus der Hölle führt auf einer kurvigen Landstraße zunächst in ein Landschaftsschutzgebiet. In dem Wald gibt es zwei Plaketten, etwa 300 Meter voneinander entfernt, die die Punkte markieren, von denen aus der Bundesstaat Michigan vermessen wurde. Wegen eines Rechenfehlers verfügt Michigan als einziger US-Bundesstaat über zwei solcher Punkte, einen für die Nord-Süd- und einen für die Ost-West-Achse.

"Screams" Souvenirshop in Hell wirbt mit Höllenfeuer Flammen an den Fenstern.

Zwischen Hölle und Paradies: der Regierungssitz

Als Nächstes auf dem Weg liegt Lansing, die Hauptstadt des Bundesstaates. Ein besonderes Highlight hier ist der Regierungssitz, das State Capitol. Es wurde 1879 erbaut und nach umfassender Restaurierung 1992 zum Historischen Denkmal erklärt. Es ist ein beeindruckendes architektonisches Gebäude, in dem Besucher den politischen Gremien bei der Arbeit zusehen können. Vor allem die "Rotunda", der runde Kern des Gebäudes, der sich durch alle Stockwerke zieht und nach oben in einer bunten, prachtvollen Kuppel mündet, ist ein Blickfang.

Ein Anbau von 2022 informiert über die Geschichte des Staates, der Hauptstadt und des Capitols. Unter anderem erfährt man hier, dass Detroit ursprünglich die Hauptstadt war. 1847 fiel die Wahl auf Lansing, es soll damals nur acht registrierte Wähler gehabt haben. Dafür war die Lage im Staat zentral, zumindest geografisch. Nur etwas weiter Richtung Norden, in St. Louis, liegt die geografische Mitte von Michigan. Ein schlichter Stein im Park markiert den Mittelpunkt der unteren Halbinsel des Staates. In Michigan leben viele Menschen mit europäischen Wurzeln, ein großer Teil ist deutscher Herkunft.

Je weiter es Richtung Norden geht, desto grüner wird es. Weniger Städte, weniger Menschen. Dafür viele Seen und eine hügelige Landschaft. Dann wird die Landschaft wilder. Pinien säumen die Straßen, auf denen immer weniger Verkehr ist. Es geht nicht mehr viel nördlicher, als sich das Paradies dezent auf einem Straßenschild ankündigt. "Entering Paradise - Glad you made it!" begrüßt einen das Ortsschild. "Sie treten ein ins Paradies - wir sind froh, dass Sie es geschafft haben", so könnte man das übersetzen.

Viel zu sehen gibt es hier nicht. Ein paar Häuser, zwei Hotels, zwei Kirchen, Souvenirshops, Tankstellen und eine Pizzeria, die "Slices of Heaven", "Stücke vom Himmel" anbietet. Nicht sehr paradiesisch. "Sie können sich noch die Wasserfälle ansehen, aber sonst gibt es hier nichts", sagt die Kassiererin Kristin trocken.

Die "Tahquamenon Falls", eine Reihe beeindruckender Wasserfälle, und auch der Leuchtturm und das Schiffswrack-Museum am Whitefish-Point sind ganz in der Nähe und absolut sehenswert. Vogelgezwitscher und die leise Brandung des Sees, die glatte Oberfläche des Lake Superior glitzert in der Sonne - nur wenige Meter vom Ortsschild "Paradise" entfernt, steht eine kleine Bank. Der Anblick des weiten Himmels über dem See - das Tor zum Paradies könnte man meinen.