Das Paradies im Hinterhof

Pfarrgarten im Frankfurter Gallus-Viertel
© privat
Pfarrer Nulf Schade-James und sein Mann David leben das Prinzip "offener Garten". Vor knapp 30 Jahren haben Sie das Pfarrhaus im Frankfurter Gallus-Viertel bezogen. Seither haben sie viel Arbeit in ihre Großstadtoase gesteckt, von der alle profitieren dürfen.
Pfarrgärten im Wandel
Das Paradies im Hinterhof
Am Sonntag ist Erntedankfest. Dazu werfen wir einen Blick auf Pfarrgärten. Früher waren sie als Anbaufläche und Refugium für die Pastorenfamilie gedacht. Heute dienen sie als Treffpunkt für die Gemeinde. Und darüber hinaus. evangelisch.de-Redakteurin Sarah Neder hat mit zwei Pfarrpersonen über ihre Oasen gesprochen.

Es ist einer dieser Nachmittage, die sich mehr nach Spätsommer, als nach Frühherbst anfühlen. Nur die tiefstehende Sonne verrät, dass es schon September ist. Pfarrer Nulf Schade-James von der Friedens- und Versöhnungsgemeinde in Frankfurt trägt ein oranges T-Shirt und eine Smart-Watch mit Regenbogenband. Mit der Handykamera filmt er seinen Garten.

Die wacklige Verbindung überträgt sattes Grün. An der Mauer rankt dichter Wein, vor der Terrasse ragt eine pinke Rose bis in den zweiten Stock, im Hochbeet fallen die Gurken fast von allein in die Hand. Links plätschert ein Teich. Daneben: ein dunkelroter Zierahorn. Bunte Lampions und Laternen baumeln in den Büschen. "Es ist das Paradies mitten in der Großstadt", sagt Nulf-Schade James.

Und das Paradies steht für alle offen. Zum Beispiel für die Kassiererin vom Rewe um die Ecke, die sich hier nach ihrer Schicht im Schatten ausruht. Oder für die Kindergruppe aus der Gemeinde, die lernt, wie man Gemüse einpflanzt. "Im Winter machen wir Feuer und im Sommer laden wir zum großen CSD-Sommerfest.", erzählt Schade-James. "Der Garten", sagt er, "ist ein Ort der Begegnung."

Pfarrer Nulf Schade-James beim Christopher Street Day (CSD).

"Traditionell dienten Pfarrgärten zum Anbauen von Obst und Gemüse, von dem sich die Pfarrfamilie selbst versorgen konnte", erklärt Ingeborg Verwiebe von der Versöhnungsgemeinde in Buchschlag-Sprendlingen. In ihrem Pfarrgarten sind zwar noch die ein oder anderen Apfelbäume zu finden - zum Selbstversorgen reicht das aber lange nicht aus. Wie bei ihrem Kollegen aus Frankfurt, spielt der Pfarrgarten eine zentrale Rolle im Gemeindeleben. Er ist Treffpunkt. Ruheort. Spielfläche. Vor allem seit der Corona-Pandemie. "Da haben wir gelernt ihn als Gemeinde zu nutzen", sagt Verwiebe.

Ingeborg Verwiebe bewohnt das Pfarrgebäude ihrer Gemeinde nicht. Und dennoch: Sie spricht leidenschaftlich über ihren Garten. Ihre Vorliebe: insekten- und tierfreundliche Stauden wie Rudbeckia, Astern, wilder Oregano, oder Storchschnäbel. "Ich lasse wachsen, was wild kommt", sagt Verwiebe. Dadurch entstehe ein buntes Durcheinander. Eine biblische Metapher, findet die Pastorin: "Es ist wie Gott die Schöpfung möchte und so bilde ich das ab."

Pfarrerin Ingeborg Verwiebe von der Versöhnungsgemeinde in Buchschlag-Sprendlingen.

Wie wichtig ihr dieses Stückchen Natur neben dem kirchlichen Familienzentrum ist, erkennt man auch daran, dass es im Gemeindebrief Erwähnung findet. Ihre jüngste Ausgabe hat die Pfarrerin dem Erntedankfest gewidmet und ihre Botschaft mit einem Foto von der Terrasse des Pfarrhauses bebildert: Drei eidottergelbe Blüten haben sich dort den Weg durch eine Zementfuge gebahnt. Verwiebe schreibt über die Rudbeckia: "Jede Blüte hilft gegen das Artensterben bei Insekten und Säugetieren. Damit sie ernten können. So bietet ein Sonnenhut auch dem Klimawandel die Stirn. Die Sonne und die Sonnenhüte. Gaben Gottes für das Leben seiner Kreaturen. Licht über unseren dunklen Flecken, ob Krieg oder Klimawandel. Verheißung der Ernte. Gott sei Dank!"

Und auch wenn Nulf Schade-James über sein Grün im Frankfurter Gallus-Viertel redet, dann klingt es biblisch: "Als wir eingezogen sind, war da nichts." Das üppige Grün haben er und sein Mann David in den vergangenen 30 Jahren angelegt und gepflegt. Zur Hochzeit 1996 gab's den Grundstock an Pflanzen. Seither haben sie gesät, gegraben, gegossen, gemäht, gefällt. Bis heute bedeutet die Pflege des Gartens mehrere Tage Arbeit im Monat. Aber das Teilen, das Bewundern der Schöpfung, die gelebte Gemeinschaft seien es wert, sagt der Pfarrer.